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    Mittwoch, 17. September 2014
    Blogging November - 1051

    Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen war, aber mein Tag war heute etwas aufreibend. Zweimal saute ich meine Klamotten von oben bis unten ein, ich erhielt eine Morddrohung, Mademoiselle machte eine Aussage bei der Polizei und eine Freundin von ihr war für knapp 4 Stunden verschwunden - keins dieser 5 Ereignisse stand übrigens mit irgeneinem anderen in einem Kausalzusammenhang.

    1.
    Es begann so, dass ich mit dem Rad ins Büro fuhr, aber (wegen mittwochs "Religion", auch nach neuem Stundenplan) nicht gefrühstückt und auch kein Frühstück dabei hatte. So kam ich hungrig an, in der Nähe des Büros ist ein fancy Belegte-Brote-Laden, ich gehe dort normal nicht hin, weil die Herren Verkäufer immer unfreundlich zu mir sind. Zu allen sind sie nett, reden sie mit "Meister", mit "Chef", mit "Signora" an, nur mich nicht, mit mir reden sie gar nicht. Ich weiß nicht, warum, ich habe schon alles probiert, es ist einfach so.

    Sie verkaufen aber gute Brote - schuhsohlengroß (Größe 38) und belegt mit Dingen wie Ziegenkäse und Feigensenf, Antipasti und Mozzarella oder Spiegelei und Tomate. Mir war sehr nach Ziegenkäse mit Feigensenf, also begab ich mich zu den unfreundlichen Herren, vermutlich bedingt durch meine eigene vorsorgliche Mürrischkeit waren sie sogar ein bisschen nett, als sie mir mein Brot gaben.

    Im Büro biss ich hinein, es schmeckte aber nicht nach Ziegenkäse mit Feigensenf, es schmeckte nach Spiegelei, und während ich das Brot öffnete, um der Sache auf den Grund zu gehen, fiel mir ein Spiegelei entgegen, flop, auf das hellblaue Oberteil in Brusthöhe, flop, auf den Bauch, flop, auf die Hose.

    Ich habe Wechselklamotten im Büro, ich zog mich um.

    2.
    Gegen Mittag wurde ich wieder hungrig. Ich habe Müsli im Büro, Schoko-Banane. Ich trug es in die Küche, schütte es in eine Schale, wunderte mich, dass sich im 25. Stock am Fenster Wespen tummeln, ging ans eine Ende der Küche und goss Milch zum Müsli (Milchraub übrigens - es ist in unserem Büro untersagt, Milch in etwas anderes als Kaffee zu gießen, es gab sogar mal ein Schild dazu, "Milk for coffee only!!!", ich schrieb damals "Und was ist mit Tee??" darunter, kurz darauf verschwand das Schild), ging ans andere Ende der Küche (die Küche ist groß, sie bietet Platz zum Sitzen, keine kleine Teeküche oder so), um einen Löffel zu holen, merkte, dass ich die Milch noch in der Hand hatte und machte mich mit Milch und Müslischale mit Löffel drin wieder auf ans eine Ende der Küche, doch auf halbem Weg flog eine Wespe auf mich zu und verirrte sich in meinem Gesicht zwischen Augen und Brille. Ich geriet natürlich nicht in Panik, denn man schließt dann ja einfach die Augen, stellt das Müsli und die Milch ab, setzt die Brille ab, und alles ist gut.

    Nur: man kann mit geschlossenen Augen ja gar nichts sehen!! Ich fand die Arbeitsplatte nicht, ich öffnete ein Auge einen Spalt, die Wespe donnerte gegen meinen Augapfel, ich quiekte und verlor sowas von die Kontrolle, drehte mich, um die Arbeitsplatte zu finden, tastet mit zwei vollen Händen, die Wespe surrte wie bekloppt und stieß gegen meine Augenlider, ich ließ im Drehen einfach alles fallen und riss die Brille vom Gesicht.

    So blieb mir das folgende Debakel noch ein paar Sekunden verborgen.

    Als ich die Brille wieder aufsetzte, sah die Küche aus, als habe jemand aus der Achterbahn gekotzt. 30 qm Fußboden, Tisch, 4 Stühle, 2 Arbeitsplatten, 2 Kaffemaschinen, Kühlschrank, Schränke. Alles voll. Mit Stücken.

    Meine erster Reflex war, wegzugehen und so zu tun, als wäre nichts gewesen. Leider steht mir diese Option im Büro nicht zu Verfügung, da ich dort eine Person spiele, die alles total im Griff hat. Ich rief also den Empfang an, man möge pronto einen Putzdienst schicken, wischte das Gröbste zusammen und fegte Haferflocken und Bananenstückchen von meinem Shirt und meiner Hose. Ich habe viele Dinge im Büro - Konfetti, Schnaps, Springseile und dergleichen mehr - aber ein zweites Wechseloutfit gehört nicht dazu.

    Ich ging ins Büro von Kollegen, um ihnen zum Zwecke der psychologischen Verarbeitung alles zu erzählen. Dort stellte ich fest, dass ich mich offenbar auch noch an den Scherben geschnitten und eine blutige Hand hatte. Auf dem Weg zum Verbandskasten rieselten Haferflocken von meinen Schuhen.

    3.
    Es war Zeit, nach Hause zu gehen, denn meine Kleidung begann, nach verderbender Milch zu riechen. Ich lenkte das Rad Richtung Untermainbrücke, dort ist an der Ampel eine Fahrradspur, die an den Autos vorbei bis weiter vor an die Ampel führt, vermutlich, damit Radfahrer nicht ganz so oft von rechtsabbiegenden Autofahrern umgenietet werden. Ich fuhr dort also vor.

    Halb neben, halb hinter mir ließ der Fahrer eines gelben Autos die Scheibe herunter.

    Autofahrer: He, was fährst du da?? Was soll das?

    Frau N: Hier ist eine Fahrradspur.

    Autofahrer: Scheiße Fahrradspur, ist mir egal ich habe hier Vorfahrt!! (gibt Standgas)

    Frau N: Nee.

    Autofahrer: Ey, wenn du mir die Vorfahrt nimmst, fahr ich dich platt!

    Frau N: Aha.

    Autofahrer: Das ist ein PORSCHE!!!

    Frau N: EIN PORSCHE? IN GELB?? WAR DER IM SONDERANGBOT ODER WAS??? KONNTEN SIE SICH KEINEN ROTEN LEISTEN??? EIN GELBER PORSCHE, MEINE GÜTE, BITTE FAHREN SICH MICH MIT DEM NICHT PLATT, WARTEN SIE, BIS SIE ZUMINDEST EINEN ROTEN BEZAHLEN KÖNNEN!!

    Gut, das war jetzt vielleicht unnötig. Aber bedenken Sie: ich stank von oben bis unten nach ranziger Milch und rieselte Haferflocken. Es war ein Reflex.

    Zwischenzeitlich war grün geworden, der Fahrer des gelben (meine Güte...) Porsches war jedoch so mit Toben beschäftigt, dass er seinen Plattfahreinsatz verpasste. Er bog dann aber auch gar nicht rechts ab, sondern verfolgte mich dröhnend über die Brücke, stieg aus, als ich auf den Uferradweg einbog, imitierte Rumpelstilzchen und brüllt irgendwas von "Schlampe" und "umbringen".

    Ich gebe zu, ich radelte lachend davon.

    4.
    Ich war fast zu Hause, als das Handy klingelte. Die Schule wollte wissen, ob ich Mademoiselle abholen könne, es sei alles in Ordnung, nur habe es einen kleinen Zwischenfall gegeben und die Polizei wäre verständigt. Es könnte sein, dass Mademoiselle als Zeugin aussagen solle und sie hätten dann gern einen Erziehungsberechtigten dabei.

    Mitsamt stinkender Kleidung bog ich also Richtung Schule ab. Dort hatte Mademoiselle mit drei Freundinnen Fußball gespielt und dabei einen Ball über eine Mauer in einen Hinterhof (gehört zu einem Theater und ist öffentlich zugänglich) geschossen. Die Kinder gingen mit Erlaubnis der Lehrer dorthin, um den Ball zurückzuholen. In dem Hinterhof strich ein Maler auf einem Gerüst eine Fassade und ein anderer Mann wusch gerade sein Auto, letzterer ging auf die Kinder los, beschimpfte sie, schubste sie und fasste eins der Kinder mit den Worten "du kommst jetzt mit" am Handgelenk. Das Kind riss sich los, alle rannten panisch weg zurück zur Schule und erzählten den Lehrern, was geschehen war. Kurz später traf der Maler in der Schule ein, er wollte sehen, ob die Kinder gut angekommen waren und sich als Zeuge zur Vefügung stellen, der andere Mann hätte sich sehr unangemessen benommen. Zwei Lehrer gingen in den Nachbarhof, um die Angelegenheit zu klären, dort wurden sie von dem Mann mit Gegenständen beworfen, woraufhin die Polizei eingeschaltet wurde.

    5.
    Endlich zu Hause klingelte das Telefon. Die Mutter der Mittwochsfreundin war am Apparat und fragte, ob ihre Tochter bei uns sei. Nun ist zwar heute Mittwoch, aber die Mittwochsregelung ist ja leider vor einem Jahr entfallen, als Mademoiselle mit dem Kunstturnen begann. Deshalb war die Mittwochsfreundin nicht bei uns, was die Mutter nicht überraschte, aber besorgte, denn sie war schon um 16 Uhr von der Schule aufgebrochen und noch nicht zu Hause angekommen. Mittlerweile war es 18 Uhr.

    Wir telefonierten beide wie wild herum, ob irgendein Kind irgendetwas wüsste und stießen schließlich eine weitere Stunde später auf die Information, dass die Mittwochsfreundin zu einem Cheerleadertraining gehen wollte, zusammen mit einem anderen Mädchen aus einer weiterführenden Schule. Die Mutter erinnerte sich dunkel, dass es mal ein Gespräch über Cheerleading gab, konnte sich zwar an keine konkrete Abmachung erinnern, aber eine Freundin von Mademoiselle hatte die Nummer des andern Mädchens, dieses war erreichbar und ja, die Mittwochsfreundin war bis 19 Uhr beim Training gewesen und nun auf dem Heimweg. Entspannung überall. Um kurz vor 20 Uhr traf sie dann auch zu Hause ein.


    Ich denke, ich trinke jetzt ein Bier und gehe dann ins Bett und schlafe tief und fest.

    (Geschrieben mit drei aufgeschnittenen und verpflasterten Fingern.)

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