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    Mittwoch, 16. Januar 2008
    Wer ist Frau N.?

    Frau N. ist gebürtige Rheinländerin und verbrachte als jüngstes Kind von mehreren den Großteil ihrer Kindheit unter der Küchenbank oder hinter dem Sofa mit dem Studium des Verhaltens der übrigen Großfamilienmitglieder. Als sie vermeintlich genügend Erkenntnisse gesammelt hatte, um die erziehungserprobten Eltern noch einmal gründlich zu fordern, kam sie unter der Bank hervor und benahm sich so unmöglich wie möglich. Nach zwei Jahren gab sie dies entnervt auf und ist seither weitgehend harmlos.

    Im Grunde Ihres Herzens ist Frau N. historische Linguistin, verdingt sich jedoch konsequent an den Meistbietenden und ist momentan im Rapunzelturm bei schlechten Menschen in verantwortlicher Stellung tätig.

    Privat lebt sie mit Mann und Kind als Minderheit an einem Ort mit schlechtem Ruf, an dem sie sich sehr wohl fühlt. Sie ist Binge-Verabrederin: macht hochfreudig eine Vielzahl von privaten Terminen um kurz darauf festzustellen, dass ihr das alles zu viel ist und sich ganz und gar einzuigeln. Nach einigen Wochen fühlt sie sich einsam und kontaktarm und der Kreislauf beginnt erneut. Erstaunlicherweise gelingt es Frau N. dennoch, Freundschaften zu schließen und über Jahre hinweg aufrecht zu erhalten. Sie ist noch nie von einem Menschen enttäuscht worden und hegt gegen niemanden einen nachhaltigen Groll.

    Frau N. verfügt über eine stringente Logik, mit der sie wechselnde Meinungen zu denselben Themen immer wieder fundiert untermauern kann. Außerdem ist sie überzeugt, dass das Leben letztendlich nur im Kopf stattfindet und das, was andere als "Realität" bezeichnen, lediglich die Rahmenbedingungen sind. Dies erleichtert ihr vieles, führt jedoch zu einer drückenden Eigenverantwortung.

    Frau N. gelingt es nicht, an ein höheres Wesen zu glauben. Ihre letzte moralische Instanz ist daher ihr zukünftes Ich, eine etwa 180-jährige Frau in einem Schaukelstuhl vor einem knisternden Kaminfeuer. In Zeiten der Entscheidungsnot befragt Frau N. diese alte Dame zu ihrer (zumeist einsilbigen) Einschätzung der Sachlage.

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