Eine Erfahrung der ganz neuen Art war es für mich heute, im Rapunzelturm 25 Stockwerke bei Stromausfall hinunterzulaufen. Ich kenne das Treppenhaus ganz gut, zweimal habe ich mich darin verstehentlich aus dem Büro ausgesperrt, bevor ein anderes Sicherheitssystem installiert wurde, mit dem das nicht mehr vorkommen kann, und musste dementsprechend genervt runterlaufen. Aber bei Licht. Ab und an gehe ich auch ein paar Stockwerke hoch, oft bevor ich Gespräche führe, bei denen ich mir vorher den Biss nehmen muss - es gibt wenig, was dazu besser taugt, als Treppen zu steigen. Ich habe nach oben nochmal etwa 30 Stockwerke, in Wirklichkeit musste ich aber noch nie mehr als 14 laufen, bis die Gedanken sich zurechtgeschliffen hatten auf "boah, Scheiße, Hauptsache, ich sitze bald wieder gemütlich in einem Konferenzraum, der Rest ist mir egal".
Jedes Frühjahr üben wir auch Brandschutz, da läuft man mit hunderten von Menschen runter, im Dröhnen der Lüftung und des Stimmengewirrs.
Heute war ich allein und es war sehr, sehr warm und sehr still. Und übrigens auch sehr dunkel, es gab eine Notbeleuchtung, aber nicht auf jedem Stockwerk, es ist ganz erstaunlich, wie dunkel es in so einem Treppenhausschacht sein kann, wenn es über 5 Stockwerke keine Lichtquelle gibt. Und überraschend rennt man dann auch vereinzelt in Leute, die im Dunkeln stehengeblieben sind, um nach ihrem Telefon zu suchen oder den Weg zu ertasten oder was auch immer, und nach den ersten Huch!- oder Kreischgeräuschen lautet die erste Frage immer: Und aus welchem Stockwerk kommen Sie?!
Eine Gruppe bildete sich trotzdem nicht, ich war auch barfuß und daher recht flink unterwegs. Einer kam mir von unten entgegen - es gibt einige Personen, die im Treppenhaus Sport treiben, denen begegne ich bei meinen Abstumpfungstouren öfters, sie tragen enganliegende Sportbekleidung und richtige Laufschuhe und sind echt sehr, sehr schnell.
Es war ein merkwürdiges Gefühl, dort im Dunkeln leise (weil barfuß) herunterzuhuschen. Hat mich sehr an das Buch "Silo" erinnert. Zum Glück gibt es aber ein Leben außerhalb des Rapunzelturms.