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    Montag, 17. März 2014
    Blogging November - 867

    Die Situation in der Musikschule - ich umriss sie hier kurz, hat deutlich an Skurrilität gewonnen. Neuerdings ist es nämlich so, dass - aufgrund einer Verschiebung der Unterrichtszeit - ein freundlicher Mann mit italienischem Hintergrund und vielen Locken den Standardplatz neben mir auf dem 15-cm-Brett hat. Dieser Mann und ich unterhalten uns gerne und haben auch schon eine Mandarine geteilt. Dabei sind unsere Gespräche mit einer gewissen Spannung unterlegt. Diese Spannung besteht darin, wen von uns es am jeweiligen Tag zuerst erwischen wird.

    Es ist nämlich so: der komische Typ, der es immer so schwer hat (ich berichtete), spricht neuerdings leider doch mit mir. Oder eher: zu mir. Ich antworte nämlich nicht und glotze während seiner Monologe, die er dicht vor mir stehend und unablässig Blickkontakt suchend vorträgt, nur starr an die Wand oder schließe die Augen. Manchmal setze ich auch Kopfhörer auf. Was aber leider nur dazu führt dass der Typ noch lauter klagt, also dann schon schreit. Jeder Satz endet übrigens mit "...und dann zieh ich denen mal einen Baseballschläger über." Diesen Baseballschläger will er seinem Arbeitgeber überziehen, dem Pfarrer, der Verkäuferin an der Supermarktkasse, der Person in der Verwaltung der Musikschule, der Ärztin, dem Vermieter, dem Nachbarn, dem Mann bei der Bank - allen eben die ihn schlecht behandeln. Wo da Ursache und Wirkung liegen - ich möchte kein Urteil fällen aber fest steht: dieser Typ ist nicht gerade charismatisch.

    Ganz im Gegenteil dazu das Teenagermädchen mit dem Down Syndrom. Sie hat eine durchweg positive Ausstrahlung und man freut sich, wenn sie in den Wartebereich kommt. Der italienische Mann freut sich allerdings nicht - das Mädchen fühlt sich zu ihm nämlich so hingezogen dass sie, sobald sie ihn erblickt, auf ihn zustürmt, mich wegschubst, sich auf seinen Schoß setzt, sich mit einer Hand an seinem Arm festklammert und mit der anderen andächtig seine Locken streichelt. Das ist ihm sehr unangenehm.

    Hätte ich die Wahl, bekäme ich ja lieber von einer fremden sympathischen Person die Haare gestreichelt als von einer fremden unsympathischen Person Verbagift übergegossen. Der italienische Herr sieht das aber andersherum, wir haben es besprochen: er würde lieber starr an die Wand blickend einen Rant ausblenden als die Locken gekrault und Biene Maja vorgesungen bekommen. Wir sind also falsch zugeordnet worden.

    Nunja. Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite.

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