Ja, heute war wieder Kraulschwimmkurs, wissen Sie ja: da springt man ins Wasser, macht Schwimmbewegungen, fertig. Der Rest ist eigentlich blabla.
Tatsächlich war im Becken heute ein Fremder. Im Nachhinein betrachtet würde ich sagen: er wollte gar nicht schwimmen sondern suchte Kontakt. Warum man sich dazu ausgerechnet ein winziges Vereinsschwimmbad in einem Außenbezirk aussucht, sei dahingestellt. Vielleicht steht es so in irgendwelchen Büchern. Der Fremde hatte die zweifelhafte Gabe, sich körperlich und verbal von jetzt auf gleich wie der beste Freund, mit dem man genau an dieser Stelle im Schwimmbecken verabredet gewesen war, zu verhalten. Es gibt diese Gespräche, wir alle kennen Sie, bei denen von Anfang an klar ist, welchen Weg sie nehmen. Und es gibt schlichtweg keine Abzweigung, auf die man ausweichen könnte, es gibt nur die Möglichkeit, den anderen verbal niederzuknüppeln oder eben das Gespräch durchzuziehen bis zum bitteren Ende. Jedoch begann exakt vor dem letzten Satz des Gesprächs, dem Finale, der Kraulschwimmkurs, der Fremde beobachtete noch eine Weile und verschwand dann.
Die Kraulschwimmpartnerin hatte megacoole Tapes auf beiden Schultern, es hatte etwas leicht borg-haftes, ich war sehr neidisch. Neben Messern sind Verbände, elastische Binden, Schienen, Orthesen und dergleichen meine heimliche Leidenschaft, ich bin immer gut mit solchen Dingen ausgestattet, neige aber ja auch zu Verletzungen (im Gegensatz zu Krankheiten). Ob das eine das andere bedingt oder möglicherweise das andere das eine, wollen wir offen lassen.
Jetzt malen sie sich bitte kurz folgendes aus: die Kraulschwimmpartnerin und ich stehen nebeneinander im Wasser - im gleichen Schwimmanzug übrigens, das ist eine separate Geschichte, aber eine letztendlich irrelevante, denn wir beide tragen das mit sehr viel Würde. Also: wir stehen dort, Badeanzugzwillinge, die eine hat lauter blaue Klebestreifen auf den Schultern, die andere nicht und die Streberoma fragt die ohne Tapes, also mich: "und, was macht dein Arm?" Was soll man da sagen. Am besten taucht man einfach schnell unter, denke ich.
Die Superman-Übung vom letzten Mal bildete den Ausgangspunkt für die neue Stunde. Wir übten speziell die Streckung noch einmal, dabei nicht den Arm aufs Wasser patschen, aber auch nicht zu früh eintauchen, also die letzten 15 cm unter Wasser. "Für den Herrn sagen wir mal die letzten 40", sagte der Kraulschwimmlehrer, es dauerte ein paar Sekunden, bis die Kraulschimmparterin und ich verstanden, an den anderen ging diese Spitzfindigkeit vorüber.
Dann fiel der Fokus auf die Unterwasserphase, die besonders wichtig ist, um effizient vorwärts zu kommen. In der Streckung ziehen und gleiten, beim Rückführen des Arms schieben, im letzten Stück mit deutlicher Energie. Das übten wir zunächst auf dem Trockenen, dann machten wir es extra komplett falsch nämlich ließen den Arm die ganze Zeit gestreckt, und versuchten danach, es besonders richtig zu machen. Und zu diesem Zeitpunkt hatte ich ein Aha-Erlebnis: es gelang mir durch die neue Gleitphase nämlich jetzt zum ersten Mal, während des Kraulschimmens wieder zu Atem zu kommen, so wie beim Brustschwimmen, wo ich einfach langsamer werde, wenn der Atemrhythmus nicht mehr stimmt. Das hatte ich beim Kraulen noch nie geschafft.
Ladies und Gentleman, dann geschah folgendes: ich durfte vorschwimmen, weil meine Schwimmtechnik bereits besonders gelungen ist.
Ein paar weiteres Spielereien, das Wasser hinten mit deutlichem Schwing rausschaufeln z.B., um auch wirklich den gesamten Schub der Unterwasserphase auszunutzen. Bahnen hin, Bahnen her, dazwischen auch mal Rückenschwimmen, wozu das gut war, weiß ich nicht.
Am Ende der Stunde verlangte der Kraulschwimmlehrer sechs Bahnen am Stück. Das war noch nie dagewesen. Ich schwamm heimlich acht. Danach taumelten wir unter die Duschen.