Guten Tag, mein Name ist Frau N. und ich bin nasensprayabhängig.
Jaha, lachen Sie nur. Ich freue mich für Sie, denn Sie kennen dieses Problem offensichtlich nicht und halten es für spaßig.
Was es nicht ist! Na gut, ein bisschen...
Aber von vorn: Meine Mutter litt als Kind unter schlimmen Ohrenentzündungen, die man damals (Kriegskind) nicht richtig behandelt hat und die enorm schmerzhaft waren. Deshalb war es meiner Mutter immer sehr wichtig, dass ihre Kinder nie Ohrenschmerzen bekommen. Weshalb bei Erkältungen unbedingt immer die Nase freigehalten werden musste, wegen der Eustachischen Röhre und so, jedenfalls gab es - auch auf Rat des Arztes - bei den kleinsten Schupfenanzeichen sofort Nasentropfen. Man wusste damals noch nicht, dass die abhängig machen können. Und dass sie zu einer verstopften Nase führen können, die dann wieder mit Nasentropfen behandelt wird, was wieder zu einer verstopften Nase führt. Und so weiter.
Jetzt kann man sagen: verstopfte Nase, ja, schlimm, mimimi, nicht so anstellen bitte. Das geht aber ja ein bisschen weiter. Nasenbluten ist an der Tagesordnung und daneben gibt es Panikattacken, wenn die Nase zuschwillt und kein Spray zur Hand ist. Herzrasen, Schweißausbrüche, an Schlaf ist nicht zu denken. Wenn Nasensprayabhängige ausgehen, packen Sie ihr Nasenspray vor Geldbeutel und Haustürschlüssel in die Tasche - ich spreche aus Erfahrung.
So war es etwa 15 Jahre lang und dann hatte ich genug. Also so richtig die Schnauze gestrichen voll. Und ging mit dem rechten Nasenloch auf kalten Entzug. Im Urlaub, Bayerischer Wald. Ein paar Nächte nicht geschlafen, danach ließ die Panik nach (ich war ja auch müde genug). Es hat ein paar Monate gedauert, bis ich durch das rechte Nasenloch überhaupt wieder atmen konnte. Es hat zwei Jahre gedauert, bis ich nicht mehr gerne mal was reingesprüht hätte.
Dann war das linke an der Reihe. Das war einfacher, weil das rechte ja nun schonmal dauerhaft funktionsfähig war. Und weil ich wusste, es geht vorbei. Ich weiß nicht wie lang die linke Seite gedauert hat, ich habe nicht darauf geachtet. Aber mit Abschluss meines Studiums war ich definitiv clean.
Es folgten ein nasenspray- und damit problemfreies Jahrzehnt. Kritisch wurde es nur bei Erkältungen denn Xylometazolinhydrochlorid und Verwandte sind natürlich für alle Zeiten tabu. Hier wurde die Nasendusche mein Freund - wenn es ganz arg wird, gehen auch mal Tabletten mit einem abschwellenden Wirkstoff, die dann ja nicht so ganz unmittelbar auf die Nasenschleimhaut einwirken. Aber Nasendusche ist Pflicht und in der Heizperiode täglich Meerwasserspray.
Soweit, so gut, ich war glücklich, während der Rest meiner Familie das Problem immer noch leugnet ("Nee, Kind, ich hab da kein Problem, ich brauche immer nur abends vor dem Einschlafen was. Ja und mittags, wenn ich auf der Couch liege. Morgens nur manchmal, also heute nicht, da erst nach dem Kaffee!") und kistenweise Spray aus britischen Supermärkten importiert.
(Ja, das alle ist sehr absurd!)
Diesen Winter aber hatte ich die Mutter aller Erkältungen, über lange Zeit und auch mit verstopften Ohren. Da musste die Nase freigehalten werden. Und die Energie zum regelmäßigen Nasenduschen hat die Monstererkältung gleich mitgeraubt. Tja.
Es ist (noch) nicht wie früher. Aber es ist sowas von unbequem, auf der Couch zu sitzen und nicht richtig atmen zu können. Oder im Büro vor sich hinzuröcheln. In der Bahn den Mundatmer zu geben. Nachts vom eigenen Schnarchen aufzuwachen.
Und nur ein kleiner Sprühstoß und alles wäre gut.
Wie ich das hasse!
Heute vor zig Jahren:
Nachmittags hole ich ein Geburtstagsgeschenk für meine Schwester (ein Buch). Ah ruft an und will um 16:30Uhr mit Mig kommen. Wir gehen dann Pe abholen und zum Karl und dann zum Löwen, den wir neulich nicht gefunden hatten. Ah und Mig haben eine Flasche roten Genever. Ah zieht mal wieder ein Theater ab, weil er nicht in die Stadt gehen will, also in die Altstadt, also nicht mit uns, weil wir da ja Ärger haben, den wir schon lange nicht mehr ernst nehmen aber Ah ist echt ein Schisser. Wir gehen dann im Endefekt ohne ihn und treffen Stefan-dass-das-klar-ist, mit einem Mädel, das etwas sonderbar zu sein scheint, den Stefan-dass-das-klar-ist hat sie aber trotzdem nicht verdient, armes Ding. Er läd uns zum Sat1-gucken ein, wir lehnen ab und er sagt, wir wären immer willkommen, wir sollten nur dreimal klingeln, den einmal wäre immer die Post und zweimal immer die Bullen. Wir verabschieden uns so schnell es geht, holen eine Pizza und fahren nach Hause.