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    Donnerstag, 6. Januar 2022
    06012022

    Heute war Zahnärztin-Tag - Liebe Personen, die nichts über Zahnbehandlungen lesen möchten: schönen Abend noch und bis morgen!

    Ich habe meine Zahnärztin hier vor Ort nach sehr genauen Kriterien ausgewählt. Kriterium 1 war, dass sie sich auf Implantologie spezialisiert, weil ich nämlich noch ein paar Milchzähne im Mund habe und man die ja irgendwann mal gegen etwas Dauerhaftes ersetzen muss. Also das dachte ich jedenfalls damals, vor 22 Jahren, in Wirklichkeit musste man seither erst einen dieser Milchzähne ersetzen, vielleicht können die anderen bleiben, bisher spricht nichts dagegen aber das war eben im Jahr 2000 noch nicht Stand der Wissenschaft.

    Das zweite Kriterium war, dass mir die Zahnärztin als kompetent im Umgang mit Angstpatient*innen empfohlen wurde und das war ich damals. Bei meinem ersten Besuch war ich überrascht, keine sanfte Person vorzufinden sondern eine eher burschikose Dame die Dinge sagt wie "Sie haben Angst? Ok ich mache jetzt dasunddas und das dauert 22 Minuten, halten Sie das aus? Ok dann fangen wir an." Oder auch mal "Also der Weisheitszahn muss raus, den kriegen wir nicht in den Griff" und ich "Aber ich muss in 5 Minuten zur Bahn und das Kind von der Kita abholen" und sie "Den ziehen dauert auch nur 3 Minuten, das passt."

    Im Rückblick ist man ja immer schlauer. So kann ich heute berichten, dass ich komplett falsch lag.

    Erstens, die burschikose Vorgehensweise war für mich komplett passend und wirksam, denn bei vorsichtig-feinfühligen Herangehensweisen habe ich immer den leisen Verdacht, die handelnde Person könnte eventuell so vorsichtig handeln weil sie sich selbst etwas unsicher ist. Wer mir hingegen "Zahn ist in 3 Minuten raus und dann hoppigaloppi zur Bahn!" sagt wird ja wohl wissen, was sie tut. Ich beschreibe hier natürlich nicht die Funktionsweise der Welt sondern nur die Funktionsweise meiner Psyche.

    Zweiter Irrtum bei meiner Ärztinnenwahl: eine Expertin für Implantologie ist total super, wenn man dann auch wirklich was zum Implantieren hat. Habe ich aber ja, wie gesagt, nicht, weil die weiteren Milchzähnchen sich gut halten. Mein Gebiss ist der Expertin daher zu langweilig geworden und sie hat mich vor ein paar Jahren als Standardfall an ihre Kollegin abgeschoben.

    Die Kollegin ist eine sehr sanfte und vorsichtige Person. Was dazu führt, dass ich mich nicht, wie über lange Jahre eingeübt, bei der Zahnbehandlung an einen anderen Ort in meinem Kopf begeben kann. Sie quatscht mich nämlich immer an. Geht es? Merken Sie was? Sollen wir absaugen? Ist das Licht zu grell? Bekommen Sie gut Luft? Kann ich den Stuhl noch etwas höher/tiefer/schräger machen?

    Schon beim letzten Mal, vor einigen Wochen, rissen mir ein wenig die Nerven und ich sagte, ich wolle das alles nicht gefragt werden sondern mich entfernen, ich sei ja nicht vom Fach, die Ärztin solle also halt ihre Behandlung durchführen und alle Entscheidungen selbst treffen und ich stelle meinen Körper vollumfänglich und in absolutem Vertrauen zur Verfügung, nehme aber geistig nicht an der Veranstaltung teil.

    Die vorsichtige Dame lachte schallend. Das sei ihr nicht recht. Sonst wäre sie ja in die Pathologie gegangen.

    Es entspann sich eine lebhafte Diskussion, an deren Ende keine Einigung stand sondern die Übereinkunft, dass jede von uns halt macht, was sie will: ich entferne mich und die Zahnärztin redet auf mich ein und knufft mich immer mal, wenn sie eine Antwort will. Ich begab mich also sofort sehr weit weg, so wie ich es auch zu Hause beim Einschlafen mache, was die Zahnärztin tat, weiß ich nicht, jedenfalls antwortete ich kein einziges Mal.

    Heute hingegen war ich dann irgendwie neugierig. Wie ist es wohl, an einer Zahnbehandlung teilzunehmen? Ich blieb also anwesend und beobachtete - es war etwas mühselig, weil ich nicht alles gut sehen konnte und nicht alles verstand, aber Fragen ging ja auch nicht. Es war, fand ich, ein bisschen wie Fernsehen: nicht mein Ding aber auch nicht schlimm.

    Erst auf dem Heimweg fiel mir auf: Angst vor Zahnbehandlungen habe ich jetzt nicht mehr und Implantate brauche ich vorerst auch keine. Ich könnte mir jetzt also ganz unkompliziert jederzeit auch eine andere Zahnärztin suchen!

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