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    Montag, 13. Mai 2019

    Wecker um 6 war erträglich und es gab bei der Morgenroutine keinerlei Zwischenfälle. Im Gegenteil: ich war tiefenentspannt und schaffte es sogar, mir die Nägel zu lackieren. Ich trage den Nagellack seit Januar in dieser Absicht mit mir herum, bin aber wirklich bislang nicht dazu gekommen. Aber heute Morgen! Es war mir jetzt auch wichtig, ich werde in der nächsten Zeit nämlich diverse Vorstellungsgespräch führen und ich neige zum Nägelkauen - der Nagellack verhindert das, das ist mir wichtig, denn ich möchte potentiellen MitarbeiterInnen nicht gleich den Eindruck vermitteln, dass man sich bei uns wegen ständiger Anspannung die Nägel abkaut.

    Im Büro dafür dann aber auch umso mehr Zwischenfälle. Schon kurz nach dem ersten Kaffee quittierte das Telefon den Dienst, es mochte sich nicht mehr ins Firmensystem einloggen, geschweige denn mit meiner ID. Jetzt könnte ich generell zwar auch ohne Telefon arbeiten, es ist aber anstrengend und sowieso funktioniert es auch nicht, wenn zur Behebung des Telefonproblems andauernd die gesamte Netzwerkverbindung gekappt werden muss.

    Als das Problem gerade gelöst war kam eine Bewerberin zum Vorstellungsgespräch. Allerdings rief, direkt als ich vor dem Besprechungsraum stand, das Kind an. Mitten zur Schulzeit, man konnte also davon ausgehen, dass es wichtig war. Das Kind berichtete, es habe sich einen Tisch auf den Fuß geworfen, versehentlich natürlich, und jetzt sei möglicherweise der Zeh gebrochen, jedenfalls täte es weh. Ich evaluierte kurz die Situation und befand, dass in der Schule ausreichen Erwachsene sind, die sich diesem Zehproblem jetzt gerade besser widmen können als ich telefonisch aus einer anderen Stadt. "Sowieso ist jetzt auch Pause!" sagte das Kind. Ich wies an, den Fuß hochzulegen, eventuell zu kühlen und dass ich mich in einer Stunde melden würde, um die Entwicklung zu besprechen.

    Nach dem Bewerbungsgespräch meldete ich mich wie vereinbart, erhielt aber keine Antwort. Später dann eine Sprachnachricht: der Fuß sähe nicht gut aus aber man habe jetzt keine Zeit zu sprechen. Zwei Stunden später eine weitere Nachricht: es täte weniger weh aber schon noch aber es gäbe heute Abend eine Schulveranstaltung, zu der sie wolle, Freunde führten etwas vor, sie käme erst gegen 21 Uhr nach Hause.

    Ich selbst war früher da und sah, dass das Kind offenbar zwischen Schulende und Schulveranstaltung für einen Zeitraum zu Hause gewesen war, der es zuließ, drei Räume zu verwüsten aber wohl nicht mehr ausreichend Zeit zum Aufräumen bot. Oder vielleicht ging das wegen der Fußzehe auch nicht. Was wohl ging: Duschen, Haare mit dem Glätteisen glätten, einen Gast mit Grießbrei, Schokoladenpudding und Getränken bewirten, sich mehrfach umziehen. Ich machte mir keine großen Sorgen mehr um den Fuß.

    Als gerade das Abendessen fertig war (Rote Bete mit Schafskäse aus dem Backofen, dazu gebackene Kartoffelspalten und Kräuterquark) kam das Kind zur Tür herein und ALLES WAR GANZ SCHLIMM. Fußschmerzen, Beinschmerzen, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Hausaufgaben für 9 Unterrichtsfächer morgen und auch muss heute noch ein Buch gelesen werden, eigentlich sogar zwei, 8 Seiten abgeschrieben, 50 Jahre auswendig gelernt und für 8 Klassenarbeiten geübt werden. Ich wagte einzuwenden, dass möglicherweise wohl doch gar nicht alles ausgerechnet heute anstünde und dass ich es für das beste hielte, einfach was zu essen und dann schlafen zu gehen oder zumindest den Fuß hochzulegen und maximal ein Buch zu lesen. Ich habe aber natürlich keine Ahnung, wie mir beschieden wurde.

    Erfahrungsgemäß ist es am besten, das Kind dann einfach erst einmal sich selbst zu überlassen und nach einer gewissen Zeit eine Schale Reis ins Zimmer zu reichen. Reis geht immer. Nach dem Reis ist der Magen unter Kontrolle, dann geht auch anderes Essen und dann geht auch Gespräch und logisches Denken wieder.

    Das Kind ist nun recht zufrieden in seinem Bett, telefoniert dort und ent-lackiert sich die Fingernägel. Was mit dem Fuß ist, wird man erst morgen sinnvoll beurteilen können - die Zehe ist blau und etwas dick, aber ob das jetzt gebrochen ist oder halt nur mal blau und etwas dick, weil eben ein Tisch draufgefallen ist, kann ich nicht sagen. Was mit den Hausaufgaben, Abschreibeseiten, Auswendiglernsachen, Klassenarbeiten und Büchern ist, wird sich finden.

    Ich selbst bin, zugegebenerweise, etwas genervt.

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