Zu meiner geheimgehaltenen Überraschung saßen wir heute Mittag tatsächlich im Zug nach Paris - Überraschung, weil ich bis zum letzten Moment das Gefühl hatte, dass diese Reise aus irgendwelchen Gründen nicht stattfinden würde, ich sah sie nicht vor mir, vermutlich lag es einfach an zu viel um die Ohren.
Jetzt muss man zwei Elfjährige auf Zugfahrten natürlich nicht mehr beschäftigen, das können die wunderbar selbst. Manchmal muss man jedoch moderierend eingreifen. Zuerst schrieben sie ein Drehbuch für einen Film, irgendwas mit Wölfen. Schwenkten dann jedoch um auf ein Drehbuch, das Rollen für alle anderen Personen im Waggon vorsah. Um Saarbrücken herum wurde klar, dass das zeitlich nicht hinhaut. Kurz waren sie entmutigt und begannen wilde Hampeleien - pädagogisch wertvoll schickte ich sie Kaffee holen im Bordrestaurant. Leider kamen sie gleich auf dem Rückweg auf die nächste Spielidee: jede könnte einen Gegenstand nehmen, dann ginge jede in die andere Richtung im Zug und dürfte vier Mal mit beliebigen Passagieren den Gegenstand tauschen. Wer dann mit dem besten neuen Gegenstand zurückkehrt, hätte gewonnen. Dieses Spiel konnte ich durch Verweigerung der Herausgabe eines meiner Gegenstände unterbinden - eigene Sachen wollten sie nämlich nicht tauschen. Sie schrieben nun schmollend weiter an Drehbuch 1 und bauten die Rolle einer gemeinen Oberaufseherin für mich ein.
Von Paris zegte sich die Brut zunächst unbeeindruckt. Bahnhofshalle? Sieht aus wie Frankfurt. Vor dem Bahnhof? Sieht aus wie Edinburgh. Straßenzüge? Sieht aus wie Barcelona. Jetzt muss man dazu sagen, dass die erste Reise in dieser Konstellation - vor ein paar Jahren war das - nach Venedig ging. Schnee und Acqua Alta in Venedig ist schwer zu toppen. Eigentlich könnten wir ab jetzt immer zu Hause bleiben.
Vom Apartment waren sie dann aber sehr angetan, bzw. vom Haus - ein hohes, altes Stadthaus in der Nähe des Triumphbogens, man kommt hinein, geht durch einen Flur in einen Innenraum, in dem ein kleiner Brunnen plätschert, dann eine sehr enge Holzwendeltreppe hinauf, in deren Mitte ein gläserner Einpersonenaufzug fährt, die Stockwerke sind komplett unterschiedlich hoch. Haussmannstil würde ich schätzen, kenne mich da aber nicht so aus.
Etwas anschauen wollten sie dann nicht mehr, nur die nähere Umgebung erkunden. Wir kehrten in einer Crêperie ein und dann in einem Supermarkt, fanden auf dem Rückweg ein kleines Café direkt links neben dem Haus für den Frühstückskaffee sowie eine unglaubliche Menge an Thai-Restaurants.
Nun sind die Kinder im Nebenzimmer und sprechen dort lautstark und verblüffend überzeugend Fake-Französisch. Was wohl die Nachbarn denken?