9.
Wo wir gerade bei Kindern sind: ich habe mein Kind noch nie bestraft. Ich bin auch selbst, soweit ich mich erinnere, nie bestraft worden.
Vielleicht halte ich von diesem Konzept deshalb so rein gar nichts - der Gedanke von Über- und Unterordnung in einer Familie ist mir absolut fremd.
Verstehen Sie mich nicht falsch - ich bin nicht der Kinderflüsterer, insgesamt meckere ich glaube ich überdurchschnittlich viel und bin auch häufig angestrengt. Nur sind mir Erziehungsstrategien und Bestrafungskonstrukte eher zuwider - das ist, finde ich, auch eine Frage von Respekt. Bekomme ich abends auf der Couch keine Schokolade, weil ich meine Taschen im Flur nicht weggeräumt habe? Den Tag muss ich erst noch erleben.
Ich erziehe - wenn man überhaupt von erziehen sprechen möchte, ich würde eher sagen ich "ordne das Zusammenleben" - durch Reaktion und Logik. Reaktion bedeutet zum Beispiel: Wenn das Kind mir weh tut, sei es aus Unachtsamkeit, aus einem dummen Zufall oder extra, dann schreie ich. Weil das einfach meine natürliche Reaktion ist. Ich bin weder ein Roboter noch so Zen dass ich dann "Ohh, da hast du mir weh getan, das wollen wir nächstes Mal anders machen!" sage - ich schreie halt "AUA AUA AUA!!". Und wenn es extra war, werde ich zusätzlich sehr ärgerlich. Logik bedeutet zum Beispiel: wenn das Kind sich weigert, eine Regenjacke anzuziehen, wird es nass. Wenn das Kind seine Hausaufgaben nicht macht, kriegt es Ärger in der Schule. Wenn das Kind sich im Bus nicht benehmen kann, steigen wir aus und gehen zu Fuß. Der Lerneffekt ist hier, finde ich, ein viel unmittelbarer, als wenn auf Fehlverhalten im Bus Fernsehverbot folgen würde. Mademoiselle hat z.B. auch im Alter von 4 Jahren schon sehr gut verstanden, dass sie im Kindergarten einen Schlafanzug anhaben wird, wenn sie sich morgens nicht anzieht.
Natürlich kann man so etwas nicht verallgemeinern und muss natürlich auch immer den Entwicklungsstand des Kindes berücksichtigen. Generell aber frage ich mich, wenn ich von dem ausgehe, was ich in der Schule so höre, wie manche Eltern noch den Überblick über ihre Sanktionen behalten und, ähnlich wie beim Essen, wie viel Stress man sich insgesamt machen möchte.