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    Freitag, 6. Juni 2014
    Blogging November - 948 B

    Aus aktuellem Anlass und aufgrund eines Deals findet heute hier Bildungsblogging statt, und zwar zum Thema „Europäische Kommission“, oder genau gesagt: was ist das, was tun die, wer wählt die. Das lässt sich leider nicht in drei kurzen Sätzen abhandeln, daher:

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    Executive Summary


    Die Europäische Kommission besteht aus 28 Komissaren, einer davon ist der Präsident. Die Komissare werden von den Regierungen der Mitgliedsstaaten, der Präsident vom Europäischen Rat nominiert; das Europaparlament hat Mitbestimmungsrechte.

    Die Kommission ist ein supranationales Gremium. Sie ist Hüterin der Verträge, hat Initiativrecht für Rechtsvorschriften, verwaltet den Haushalt und vertritt die EU auf internationaler Ebene.

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    Für die mit mehr Zeit zunächst ganz grob zur Einordnung: die EU hat laut Artikel 13 EUV (EUV ist der Vertrag über die Europäische Union) 7 Organe, und zwar:

    1. Europäischer Rat:
    Das Gremium der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten der EU und zuständig für allgemeine politische Ausrichtung der EU

    2. Rat der Europäischen Union:
    Gremium der Minister der Mitgliedsstaaten [Amerkung: Ich hätte diese beiden Gremien ja nicht Judäische Volksfront und Volksfront von Judäa genannt, aber nunja.]. Den Rat der Europäischen Union nenne ich im Folgenden zur Vermeidung von Verwirrung „EU-Ministerrat“.

    3. Europäisches Parlament:
    Repräsentiert die Völker der Mitgliedsstaaten der EU und das haben wir vom 22.-25. Mai gewählt. Die Abgeordneten nehmen bald ihre Arbeit auf, bilden jetzt gerade Fraktionen im Parlament.

    4. Europäischer Gerichtshof

    5. Europäische Zentralbank

    6. Europäischer Rechnungshof

    7. Europäische Kommission - Hurra, wir sind beim Thema!

    Also, Europäische Kommission.

    Was ist das?
    Die EU Kommission ist das Exekutivorgan der EU, also ganz grob: die „Regierung“ der EU. Sie ist supranational, was bedeutet, sie vertritt Interessen der EU insgesamt, nicht die Interessen einzelner Mitgliedsstaaten.

    Wo sind die?
    Der Hauptsitz ist in Brüssel, es gibt dazu Büros in Luxemburg und Vertretungen in allen EU Mitgliedsstaaten. In Deutschland ist Leiter der EU Kommission seit Juni 2014, also ganz frisch, Richard Kühnel (ein österreichischer EU-Beamter, studierter Jurist). Der Hauptsitz der Vertretung in Deutschland befindet sich in Berlin und es gibt Regionalvertretungen in Bonn und in München.

    Was machen die?
    Als wichtigster Punkt kann man sagen: die Kommission teilt sich in der EU die Rechtssetzungsgewalt mit dem EU-Ministerrat und dem Europäischen Parlament. Etwas genauer bedeutet das:

    1. Die Kommission wird als „Hüterin der Verträge“ bezeichnet. Das heißt, sie sorgt dafür, dass das Europarecht von den Mitgliedsstaaten eingehalten wird und alle ihre vertraglichen Pflichten erfüllen, dass also z.B. EU Beschlüsse, die erlassen wurden, in den einzelnen Ländern auch pünktlich umgesetzt werden. Geschieht das nicht, kann die Kommission das Land ermahnen, sanktionieren und ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof einleiten.

    Heute endet z.B. die Frist zur Umsetzung der EU-Energieeffizienz-Richtlinie (EED) in nationales Recht – hier geht es um Energieeffizienzmaßnahmen seitens der Energievertriebe. Momentan gibt es dazu noch keinen Vorschlag der Bundesregierung zu einer nationalen Ausgestaltung, da könnte also die Kommission demnächst meckern. Und wir alle haben von den Richtlinien zu Roaming, Cookies und (mittlerweile ja gekippt) Vorratsdatenspeicherung gehört. Mit so etwas befasst sich also die Kommission.

    2. Die EU Kommission kann Rechtsvorschriften (also Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen) vorschlagen – hier ist das Stichwort „Initiativrecht“. Und zwar hat sie (bis auf wenige Ausnahmen) dieses Recht allein unter den Institutionen der EU. Wenn die Kommission so etwas vorschlägt geht es weiter an das Europäische Parlament und den EU-Ministerrat – diese können die Vorschläge abändern, genehmigen, abweisen – aber nicht selbst Vorschläge machen.

    Anlass für diese Vorschläge sind meist EU-Verträge, aus denen Vorschriften abgeleitet werden müssen. Die EU-Kommission kann aber auch von anderen EU-Institutionen, von Mitgliedsländern, Interessengruppen oder Bürgerinitiativen aufgefordert werden, etwas zu tun. Wichtige Grundsätze sind dabei zum einen die Subsidiarität (d.h. wenn es ergeht nur eine EU Rechtsvorschrift, wenn sie wirksamer ist als eine bereits bestehende nationale/regionale/lokale Maßnahme) und zum anderen die Verhältnismäßigkeit (d.h. die EU kann keine über das in den Verträgen geforderte Maß hinausgehende Vorschrift erlassen)

    3. Die Kommission vertritt die EU auf internationaler Ebene, d.h. gegenüber nicht EU-Staaten, internationalen Organisationen etc. Ein großes Thema hier ist z.B. der Außenhandel.

    4. Die Kommission stellt den EU-Haushalt auf – dieser wird dann von Parlament und EU-Ministerrat beschlossen und die Kommission verwaltet dann die Haushaltsgelder. In diesem Zusammenhang sind auch die Förderprogramme zu erwähnen, mit denen die Kommission sich befasst, und zwar zu einem großen Anteil Agrarförderungen, aber auch solche an Organisationen wie Universitäten, NGOs etc. im Bereich Forschung, Entwicklung, Bildung, Umweltschutz, Verbraucherschutz etc. Viele haben sicher vom Erasmus-Programm zum Studienaufenthalt im Ausland gehört. Das fällt in diesen Bereich.

    Wie sind die zusammengesetzt?
    Die Kommission besteht aus 28 Kommissaren (inklusive Präsident und Vizepräsident(en)). Jeder Mitgliedsstaat der EU stellt einen Kommissar (das ist momentan noch so, eine Reduzierung ist wird aber seit längerem diskutiert).
    Jeder der 28 Kommissare bekommt vom Präsidenten einen bestimmten Politikbereich, also ein Ressort, zugewiesen, das man „Generaldirektion“ nennt. Die Amtszeit beträgt 5 Jahre und entspricht damit der Legislaturperiode des Europaparlaments.
    Die Kommissare sind ausschließlich Unionsinteressen verpflichtet – sollen also keine Politik für ihr Land machen. Während ihrer Amtszeit dürfen sie keiner weiteren Berufstätigkeit nachgehen.

    Beschlüsse in der Kommission werden mit Stimmenmehrheit gefasst – also nicht etwa vom Präsidenten beschlossen. Die laufende Arbeit der Kommission wird von ihren Bediensteten (Verwaltungsmitarbeitern, Rechtsanwälten, Wissenschaftlern, Übersetzern, Sekretariatskräften) ausgeführt, die in den verschiedenen Generaldirektionen tätig sind.

    Der Präsident hat eine Leitungs- und Sprecherfunktion und Richtlinienkompetenz. Er beruft die Treffen der Kommissionsmitglieder ein und leitet sie, er setzt auch politische Prioritäten und leitet die Arbeit zur Umsetzung der EU-Ziele.

    Der derzeitige Präsident ist noch José Manuel Barroso (Portugal) – er ist bereits in seiner zweiten Amtszeit. Deutscher EU-Kommissar ist Günther Oettinger (CDU; vorher Ministerpräsident von BW), er hat die Generaldirektion Energie. Da wir gerade das Europaparlament neu gewählt haben, wird aber auch die Kommission bald neu zusammengesetzt und auch ihr Präsident neu ernannt (dazu später mehr).

    Wo nimmt man die Leute her?
    Die Kommission wird grundsätzlich alle fünf Jahre nach den Wahlen zum Europaparlament neu besetzt (Art. 17 EUV) und zwar für eine Legislaturperiode (5 Jahre – richtet sich nach Legislaturperiode des EU Parlaments). Das EU Parlament haben wir Ende Mai alle gewählt. Deshalb wird jetzt auch die Kommission neu gebildet, und das geht so:

    Schritt 1: Der Europäischer Rat nominiert einen Kommissionspräsident seiner Wahl, wobei er das Wahlergebnis zur Wahl des Europaparlaments „berücksichtigen“ soll. Das steht so in Art. 17 Abs. 7 EUV, aber genauer erklärt ist das nicht, insbesondere auch nicht, was „berücksichtigt“ exakt heißt.

    Was hat das Wahlergebnis des Europaparlaments jetzt eigentlich mit dem Präsidenten der Kommission zu tun? Das ist so: Die Parteien, die wir aus Deutschland kennen, bilden auf europäischer Ebene Zusammenschlüsse mit ähnlich ausgerichteten Parteien aus anderen Ländern. Die konservative Fraktion im Europaparlament ist die EVP (Europäische Volkspartei), diese ist bei den Wahlen im Mai die stärkste Kraft im Europaparlament geworden und ihr Spitzenkandidat für den Posten des Kommissionspräsidenten ist Jean-Claude Juncker. Der Europäische Rat (bestehend, siehe oben, aus den Regierungschefs der Mitgliedsstaaten), soll also „berücksichtigen“, dass das europäische Volk die EVP mit ihrem Spitzenkandidaten Juncker relativ am meisten gewählt hat.

    Einige Staats- und Regierungschefs meinen nun, „berücksichtigen“ heißt, dass man Herrn Juncker also auch nominieren muss. Andere, etwa die britische Regierung, finden, „berücksichtigen“ kann auch heißen, ihn in Betracht zu ziehen und sich dann anders zu entscheiden, weil man einen anderen, besseren Gedanken hat. In dem Zusammenhang wird dann auch diskutiert, ob der Wähler denn mit seiner Stimmabgabe wirklich speziell den Spitzenkandidaten für das Präsidialamt in der EU-Kommission zu wählen meinte oder eben doch „eher so generell“ gewählt hat, und wie verbindliche dieser Artikel 17 (7) wohl ist, und ob Frau Merkel Wahlbetrug begeht, wenn sie vor der Wahl andeutet, hinter Juncker zu stehen, und nun im Europäischen Rat etwas anderes sagt. Deshalb tut sich Frau Merkel jetzt wieder einmal schwer: sie möchte sich weder erpressen lassen noch Wähler vergraulen, aber auch Großbritannien nicht vergrätzen, und eigentlich alle Optionen schön offen halten, wie das eben so ist, Politik eben. Mein Tipp wäre, dass sie Juncker nominieren, letztendlich haben sie nämlich auch gerade gar keinen anderen passenden Kandidaten.

    Schritt 2. Das Europäische Parlament stimmt der Nominierung des Europäischen Rates zu. Wenn man den Spitzenkandidaten der stärksten Fraktion des Parlamentes nominiert hat, ist das ziemlich wahrscheinlich. Ich weiß nicht, ob es bisher mal anders ausging, dann müsste man jedenfalls zurück zu Schritt 1. Wenn das Parlament aber zustimmt, dann haben wir den Kommissionspräsidenten fertig.

    Dann braucht man noch die übrigen 27 Kommissionsmitglieder, das geht so:

    Schritt 1. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten schlagen je einen Kommissar aus ihrem Land vor. Ich konnte nicht finden, welche Qualifikationen ein Kommissar haben muss. Vermutlich muss er schlichtweg Politiker sein und von den Regierenden gut gefunden werden. Die Kommissare stammen daher meist aus Regierungsparteien der jeweiligen Länder.

    Schritt 2. Die Liste der von den nationalen Regierungen vorgeschlagenen Kommissare wird vom Europäischen Rat (also dem Gremium der Staats- und Regierungschefs) der EU in Absprache mit dem designierten (d.h. gewählten, aber noch nicht im Amt befindlichen) Präsidenten angenommen. Theoretisch könnte der Europäische Rat die Liste auch ablehnen, das halte ich aber für unwahrscheinlich, da im Europäischen Rat ja die Leute sitzen, die bei der Auswahl der Kommissare in Schritt 1 mitgewirkt haben.

    Schritt 3: Der Europäische Rat legt unter Zustimmung des Präsidenten fest, wer Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik und damit gleichzeitig Vizepräsident der Kommission sein soll.

    Schritt 4: Das EU Parlament (also die Abgeordneten, die wir im Mai gewählt haben), befragt die Kandidaten für die Kommission zu diesem und jenem und stimmt dann der Kommission als Ganzes (!) zu oder nicht. Es können nicht einzelne Personen abgelehnt werden, entweder alle oder keiner.

    Schritt 5: Nach Zustimmung des Parlaments wird die Kommission vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit ernannt (die werden ann also quasi zum dritten Mal gefragt...) Der Kommissionspräsident verteilt nun noch selbständig die Ressorts an die Kommissare und kann weitere Vizepräsidenten ernennen. Dann ist auch die Kommission fertig.

    Es wird häufig kritisiert, dass im Ernennungsverfahren der Kommission ein Demokratiedefizit vorliegt. Die Kommission wird ja nicht direkt vom Parlament gewählt, sondern indirekt über die Regierungen der Mitgliedsstaaten und das Parlament hat nur begrenzte Mitspracherechte. Der Grund dafür ist historisch: die EU-Kommission war ursprünglich als technokratische (d.h. aus Sachzwängen / Fakten und nicht aus Willensbildung operierende) Institution gedacht. Das Aufgabenfeld wandelte sich dann jedoch, so dass 2002 schon über die Wahl der Kommission durch das Europaparlament oder auch die Wahl des Präsidenten in Direktwahl durch die Bevölkerung diskutiert wurde. Diese Vorschläge konnten sich bislang aber nicht durchsetzen.


    Das Themengebiet „EU-Kommission“ ist natürlich noch weitaus komplexer, aber ich zumindest weiß jetzt schon einmal deutlich mehr als gestern Abend zur selben Zeit. Falls sich noch jemand vertiefen möchte, empfehle ich die folgenden Quellen:

    www.ec.europa.eu
    www.europarl.de
    www.elections2014.eu
    www.europarl.europa.eu
    www.bundesregierung.de

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