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    Sonntag, 13. März 2022
    13032022

    Gestern ging ich also zunächst mit einem Vorschlaghammer ein Auto zertrümmern und dann ins Museum, Kunst anschauen.

    Ich habe ja die Frankfurter Museumscard geschenkt bekommen und den Plan, alle damit abgedeckten Museen in den nächsten 12 Monaten zu besuchen. Den Anfang machte gestern das Städel. Das Städel hat neben der ständigen Ausstellung auch Sonderausstellungen, für die ich separat bezahlen müsste. Das hatte ich eigentlich geplant, zeitlich ging es sich aber aufgrund diverser Komplikationen dann doch nicht aus, so dass ich mir dachte, wenn ich in ein mir noch komplett unbekanntes Museum für ca. 90 Minuten gehe, dann reicht mir auch die Dauerausstellung.

    An der Kasse frage ich nach grober Orientierung, weil ich ja noch nie dort war. Die Dame schaute mich an wie ein exotisches Tier, war aber sehr freundlich, ich bekam einen Raumplan auf Papier und das Angebot einer Mitgliedschaft, die dann immer auch alle Sonderausstellungen umfassen würde, was ich aber ablehnte, ich bin ja gerade erst bei Museum 1 von 38, ich habe noch einiges vor mir, bevor ich zum Thema "Sonderausstellungen" komme!

    Im Innenbereich erwartete mich schon @u_blues und empfahl mir bei genereller Museumsreizüberflutung folgende Vorgehensweise: in einen schönen Raum gehen, sich da hinsetzen und auf das Bild gucken, dass vor einem ist. Einfach sitzen bleiben und gucken bis man meint, es gibt nichts mehr zu sehen, dann näher rangehen und nochmal gucken. Ich kann diese Vorgehensweise nur empfehlen, es war sehr entspannt. Ich betrachtete von einem bequemen Ledersitzmöbel aus das Bild Der Regenschauer von Antoine Chintreuil Können Sie ja selbst anschauen. in der Nähe hingen Bilder vom Ufer der Seine im Winter und von einem Obstgarten, für mich war interessant, dass alle Bilder Lichtverhältnisse darstellten, die in mir irgendetwas anrührten, die mit Erinnerungen verbunden waren.

    Als ich das Bild lange genug angeschaut hatte, gingen wir etwas umher. Die Begleitung wies mich auf ein Bild mit Flieder hin, das ihr sehr gut gefiel, mir war es aber zu viel, zu viele verschiedene Sachen auf dem Bild und für mein Gehirn keine erkennbare Ordnung, genauso wie bei den Expressionisten im Nebenraum. Bei den Impressionisten fiel uns noch ein Bild einer im Profil dargestellten Römerin auf, die auf den ersten Blick einen Pixie-Haircut hatte. Auf den zweiten Blick könnte es auch ein Dutt gewesen sein oder ein Zopf, der auf der nicht sichtbaren Körperhälfte lag.

    Ich sah noch ein Bild einer Frau in violettem Kleid, die sehr schlechte Haut im Kinn-Mund-Bereich hatte. Warum hat Wilhelm Trübner das so gemacht, eben weil er halt realistisch und mal eine Dame mit schlechter Haut malen wollte? Oder war es ein Portrait und wenn ja, wie fand die Dame das? Das hat mich beschäftigt. Trübner ist ja nun nicht so lang her und hat auch schon zu Lebzeiten Würdigung als Künstler erfahren; bei älteren Werken frage ich mich manchmal, ob denn wirklich die überdauert haben, die die Künstler*innen auch tatsächlich als maßgeblich für ihr Werk betrachten oder ob das, was überliefert wurde, eher Zufall ist und wir uns daraus die Künstler*innen auf Basis unserer heutigen Draufsicht konstruieren (vermutlich immer auch).

    Später stieß ich selbst noch auf drei interessante Dinge. Zum einen erst ein, dann ein weiteres Selbstportrait, die nicht nur von der Pose her an Selfies erinnerten sondern die jeweiligen Künstler auch eindeutig mit Duckface abbildeten (einmal Franz Pforr, einmal hab ich vergessen). Dann auf den Rosenfreund - hier für mich weniger interessant, dass er möglicherweise in den Nachbargarten spannte sondern dass ich mich dabei erwischte, in dem Bemühen, am Bild zu erkennen, ob er die Nase wirklich richtig in die Rose hineinsteckt bzw. umgekehrt die Rose in das Nasenloch dieselbe Pose einnahm wie der gezeichnete Herr. Und zum dritten ein Bild von einem verwilderten Garten, an sich für mich nicht interessant, aber klein und ganz nebenher saß auf einer Mauer eine Katze (und unten im Gras eine weitere, für mich aber kaum erkennbar). Das hat mich gerührt.

    Am Rande bemerkte ich noch ein weiteres Bild, das eine Römerin darstellt (warum man verhältnismäßig häufig Römerinnen gemalt hat weiß ich nicht), deren Arm und Hand wie eine Fotografie wirkten, ein Bild von Goethe, der extrem kleine Füße hatte (war das wirklich so oder gab es da Probleme mit der Perspektive? Beim Verlinken sehe ich in der Bildbeschriebung auch, dass es sich wohl um zwei linke Füße handelt, das war mir beim Anschauen nicht aufgefallen), ein für mich verwaschenes und kaum erkennbares Bild von einer Frau, die (vielleicht, wie gesagt, schwer erkennbar) ihre Brüste entblößt hatte und das sich mir gar nicht erschloss und eine Szene von Deliah und Samson, in der die Pose von Samson, der in der absoluten Niederlage noch den Körperkontakt aufrecht erhält und mit der Hand den Unterschenkel von Deliah umfasst, mich sehr bewegt hat - auch wenn ich das Bild insgesamt nicht mochte.

    Das war mein erster Museumsbesuch, ich fand ihn sehr schön und einen gelungenen Start. Freuen Sie sich auf 37 weitere! Eine kleine Vorahnung möchte ich heute schon teilen, wir können dann gemeinsam überprüfen, ob sie zutrifft: ich bin mehr der Skulpturen-Typ.

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