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    Freitag, 25. März 2022
    25032022

    Situation 1: Neulich, also vor ein paar Tagen irgendwann, ging ich morgens auf dem Weg zur S-Bahn durch die Stadt. An einer Ampel warteten neben mir 4 Mitarbeiter*innen des Ordnungsamtes und auf der anderen Seite nochmal 5. Als sie sich zusammengefunden hatten, sprach ich die Gruppe an, ob sie Wandertag haben und wir scherzten ein bisschen. Da fiel mir auf, dass ich sowas seit ewig nicht mehr gemacht habe, ich weiß wirklich nicht mehr, seit wann, es muss Monate her sein, dass ich mit Fremden ein anlassloses längeres Gespräch geführt habe.

    Situation 2: M hat demnächst Abschlussball und da möchte ich mit Herrn N. hingehen, es ist natürlich angemessene Garderobe gefordert. Einen kurzen Moment freute ich mich auf das Erlebnis und dann plötzlich dachte ich "ohjeohje, da werden viele fremde Menschen sein und, noch schlimmer, halb bekannte Menschen wie die Eltern von Freund*innen von M. und was werde ich mit denen sprechen und: was werden sie über mich denken?

    Beides ist für mich komplett eigenartig und unerklärlich. Ich habe abseits des Teenageralters zu keinem Zeitpunkt überlegt, was andere über mich denken könnten oder vielleicht habe ich es auch überlegt und als belanglos eingeordnet, gleichermaßen habe ich aber in meiner Erinnerung so gut wie jeden Tag, an dem ich das Haus verlassen habe, auch mit Fremden über irgendwas länger gesprochen. Ich habe überlegt, was diesen Situationen zugrunde liegt und verspürte ein Gefühl von Verzagtheit in mir. Ich weiß nicht, wie das passiert ist.

    Was anderes - ich mache ja überhaupt nichts. Oder immer dasselbe? Ich bin so eine komische halb eingegangene Pflanze! Ich brauche etwas, das ich nicht nur erledige sondern in dem ich aufgehe.

    Ich habe für den Abschlussball ein Kleid gekauft, weil ich ein reduziertes Kleid gesehen habe, das ursprünglich mal über 1000 Euro kosten sollte. Da wollte ich doch mal wissen, wie sich so ein Kleid trägt! Heute kam es an - es ist grauenhaft - fällt zwar schön weil sehr schwerer Stoff aber man wird auch gleich so niedergedrückt und es ist lang, unglaublich lang. Ich weiß auch gar nicht, wie man sich in so einem Kleid zum Veranstaltungsort bewegt. Autofahren kann man damit nicht, Fahrrad erst recht nicht, zu Fuß auch undenkbar. Man müsste sich transportieren lassen. So ein Kleid passt nicht in mein Leben und auch in kein Leben, das ich führen wollen würde. Und ich wüsste auch gar nicht, wie ich es aufbewahren soll, ich müsste es am Kronleuchter an der 3,60 Meter hohen Decke aufhängen, um es mal ganz zu sehen und schon ist es ein Katzenspielzeug (ich habe das ausprobiert und schnell wieder abgehängt, will es ja zurückschicken). Das ist mir alles zu anstrengend. Ich habe schon ein geeignetes Kleid, das nur ein Viertel wiegt (auch nur ein Viertel so lang ist, aber immer noch über Knie) und in dem ich mich nicht niedergedrückt sondern beschwingt fühle.

    Dann habe ich noch zwei italienische Sprachzeitschriften gekauft. Eigentlich wollte ich nur eine kaufen, eigentlich hätte ich sinnvollerweise gar keine gekauft, weil mir @cucinacasalinga das Benötigte schon zugänglich gemacht hatte. Ich wollte das Heft aber in der Hand halten und mich darin vertiefen, hatte dann gegoogelt und fast ein Jahresabo, vermutlich hätte ich sogar ein lebenslängliches Abo abgeschlossen. Ich finde es im Moment enorm schwer, das richtige Maß zwischen starr gar nichts tun und komplett eskalieren zu finden. Beim Abo konnte ich mich bremsen mit der Aussicht, viel schneller ein Heft in den Händen zu halten, wenn ich es am Bahnhof kaufe. Am Bahnhof gab es dann zwei, einmal die Monats- und einmal die Sonderausgabe, ich musste beide kaufen, gern hätte ich auch noch französische Sprachzeitschriften gekauft und interessierte mich auch ganz überraschend für Magazine in Pastellfarben, mit deren Hilfe man sein Leben irgendwie steuert, das war anders ausgedrückt auf dem Cover, ich kriege das nicht zusammen, habe mich dann auch ganz schnell entfernt, denn auch wenn mir das richtige Maß oft nicht klar ist, spüre ich immerhin die Unsicherheit und kann mich aus der Situation nehmen, bevor mir Mindstyle-Magazine ins Haus kommen.

    Ich weiß auch nicht. Wirklich nicht.

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