Frau Fragmente sitzt am Schreibtisch ihres Schlafzimmers und bloggt, ich sitze an meinem Schreibtisch und blogge über Frau Fragmente. Der Vorhang vor dem Fenster hinter ihr ist zugezogen, ich dachte erst, das sei ein neues Videokonferenzarrangement aber das ist es gar nicht. Hätte aber sein können, Frau Fragmente findet das Home Office ja eine mehr als nur akzeptable Form des Arbeitens, es wäre ihr zuzutrauen, da aufzurüsten. Allerdings ist sie seit heute frisch "Head of" irgendwas (ich weiß was, "irgendwas" ist nicht despektierlich sondern nur vertraulichkeitswahrend), als Head of wird sie ihr Reich möglicherweise doch bald begehen und alle Huldigungen in persona entgegennehmen wollen. Wir werden sehen.
Zum Einstieg ins Bloggen verlas Frau Fragmente Fanpost, an sie gesendet mit Gruß an mich. Das war sehr angenehm, Gruß zurück.
Frau Fragmente sieht heute sehr fluffig aus. Die Haare sitzen perfekt, sie lacht sehr viel und wirkt sehr entspannt. Und auch recht motiviert, obwohl sie heute keine Blognotizen hat tippt sie regelrecht mit Verve und schaut sehr konzentriert. Ich selbst schweife schon wieder gedanklich etwas ab, nämlich in Richtung des Haselnuss-Eisbechers, den ich im Eisfach habe, aber den kann ich jetzt nicht holen, denn ich hatte Frau Fragmente meine ungeteilte Aufmerksamkeit angekündigt. Ich meinte damit aber eigentlich nur die Head-of-Geschichte, die ist ja jetzt schon eine halbe Stunde her, vielleicht reicht es auch nun mit der ungeteilten Aufmerksamkeit und ich hole mir den Eisbecher doch.
Ich amüsiere mich beruflich in letzter Zeit häufig, weil einer der Sätze, mit denen wir Entscheidungen begründen lautet: "Diese Presse können wir uns nicht leisten." Interessanterweise habe ich das ja privat schon seit Jahrzehnten als Leitbild: Möchte ich das am nächsten Tag in der Zeitung lesen? Also: möchte ich am nächsten Tag in der Zeitung lesen "Mann von Feigenbaum erschlagen, den 42jährige Mutter von außen an das Balkongeländer band"? Oder "Unfall einer 37jährigen, die ein Fahrrad mit einem Fahrrad transportierte", "Genickbruch einer 45jährigen, die die Küche wie Pippi Langstrumpf putzen wollte"? Einige meiner möglicherweise gar nicht so schlechten Ideen, der letzten Jahre setze ich wegen Angst vor der Presse nicht um. Und so ist es jetzt auch im Job. Neben der "Frankfurter Gemeinde mit 107 Corona-Fällen nach Gottesdienst" möchte man nun nicht der "Frankfurter Betrieb mit 57 Corona-Fällen nach Sommerfest" sein, auch nicht, wenn das draußen und mit Abstand stattgefunden hat und auch nicht das "Frankfurter Büro mit 5 Corona-Fällen im Praktikantenbüro", auch nicht, wenn jeder an einem anderen Wochentag kam, die sich nie begegnet sind aber eben nur alle auf dem Türschild standen. Das Bild von so einem Türschild lässt sich nicht wegerklären.
Was gibt es sonst Neues? Ich sagte neulich Woche zu drei unterschiedlichen Personen "Ich muss jetzt auch langsam mal wieder nett werden" und keine dieser Personen widersprach. Seit einer Woche fahre ich nun sehr viel Fahrrad und bin daher insgesamt etwas weniger mit überschüssiger Energie geplagt. Vielleicht hilft das.