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    Donnerstag, 12. März 2020

    Frau Fragmente sitzt an ihrem Esstisch und bloggt, ich sitze an meinem Schreibtisch und blogge über Frau Fragmente. Es handelt sich hier um die "Corona Edition" des Projekts: wir sind über Google Hangout verbunden.

    Frau Fragmente hatte eine sehr harte Woche, sie bat mich, dies zu erwähnen. Sieht man ihr aber nicht an, tatsächlich schmunzelt sie beim Schreiben. Soweit ich das sehen kann - die Internetverbindung holpert und wir sind übereingekommen, dass "Bandbreite" vermutlich das große Thema sein wird, das uns beruflich in den nächsten Wochen sehr zu schaffen machen wird.

    Von rechts oben in der Ecke ragt ein Dings ins Bild, das Dings befindet sich bei Frau Fragmente im Raum, ich vermute, sie hat Blumen, Zweige oder sowas in einer Vase auf dem Tisch aber für mich wirkt es so, als würde irgendein Killer-Alien jeden Augenblick angreifen. Dieser Gedanke amüsiert mich (also nicht der Gedanke, Frau Fragmente könnte von einem Killer-Alien angegriffen werden amüsiert mich, sondern die Tatsache, dass ich das Dings so interpretiere), deshalb erwähne ich es nicht.

    Hinter Frau Fragmente ist ihr Bücherregal, ich habe es schon mehrfach live besichtigt und kenne die meisten Bücher darin, habe viele auch schon ausgeliehen bekommen (und aktuell auch noch mindestens vier bei mir - vielleicht komme ich in den nächsten Wochen dazu, sie zu lesen? Wer weiß, wer weiß!) Im Bücherregal sind auch Ordner und eine kleine Musikanlage und CDs und ein weißes Häuschen, bei dem ich mich schon immer gefragt habe, was es ist. Wenn ich es nicht vergesse, finde ich das heute Abend noch heraus, aber gerade möchte ich Frau Fragmente nicht unterbrechen.

    Das Regal ist mäßig aufgeräumt mit deutlicher Tendenz zu aufgeräumt, ich würde es als "wohnlich" bezeichnen. Frau Fragmente hat eine sehr schöne Wohnung und sie wirkt immer aufgeräumt und gemütlich auf mich. Frau Fragmente selbst beklagt häufig den unaufgeräumten und unsauberen Zustand ihrer Wohnung und spricht von stundenlangen wochenendlichen Putzaktionen.

    Ehrlich gesagt ist mir das ein Rätsel. Wo soll die ganze Unordnung und der Schmutz herkommen? Ich kann mir das nicht richtig vorstellen. Dazu muss man sagen, dass ich noch nie alleine gelebt habe, ich bin in einem Haushalt mit 8 Personen großgeworden, dann wurden es 5, dann 4, dann habe ich in einer WG gelebt, dann mit Freund, dann mit Mann und dann mit Mann und Kind und dann mit Mann und Kind und Katzen und eins kann ich mit absoluter Sicherheit sagen: Schuld sind immer die anderen! An der Unordnung und an dem Schmutz. Wäre ich selbst ganz allein, wäre die Wohnung ganz grundsätzlich in einem perfekten Zustand. Es kann gar nicht anders sein.

    Frau Fragmente tippt heute ein bisschen langsam (das 10-Finger-Schreiben hat sie übrigens trotz Ankündigung im Vorstellungsgespräch nie erlernt!), sie hat eben auch alles nochmal gelöscht, was geschrieben war, das habe ich nicht am Geräusch erkannt, sondern sie hat es mir gesagt. Es habe ihr nicht gefallen. Soso.

    Das erinnert mich daran, dass es mal eine Funktion irgendwo gab, wo man nach dem Schreiben von Kommentaren auf "doch nicht" (oder bedeutungsgleich) klicken konnte und sie wurden dann nicht unter dem Beitrag gespeichert sondern der Kommentar total losgelöst an ein speziell dafür vorhandenes Blog (glaube ich?) geschickt. Oder vielleicht habe ich das auch nur geträumt oder mir ausgedacht? Ich bin unsicher, finde das aber eine gute Idee, so wird man seine unausgegorenen Gedanken los, belästigt aber nicht andere damit. Frau Kaltmamsell hat derzeit etwas ähnliches, nämlich erhält sie immer wieder zwar wohlmeinende, jedoch ausdrücklich unerwünschte Ratschläge zu ihren Schmerzen im Bein. Sie hat nun ein öffentliches Google-Doc mit dem Titel "Konsil" angelegt in das sie alle Ratschläge überträgt, ich schaue dort immer mal wieder hinein in der Hoffnung, es könnte zu einem echten Konsil kommen, dass die Beratenden also untereinander ihre Vorschläge diskutieren, abstimmen, konsolidieren, aber leider ist das bisher nicht der Fall. Die Menschen sind generell nicht engagiert genug, das ist jedenfalls meine Meinung. Ständig werden Dinge angefangen und nicht durchgezogen, ich kann das nicht leiden. Sehen Sie, hier sind Frau Fragmente und ich nach Tagen des beruflichen Krisenmodus und lassen wir das betreute Bloggen ausfallen? Nein, das tun wir nicht, und ganz corona-aware ist unsere Zusammenkunft sogar rein digital. Seien Sie wie Frau Fragmente!

    Die Haare von Frau Fragmente sitzen heute übrigens außerordentlich gut. Meine eigenen so ganz okay, ich mache mir allerdings ja immer mal wieder Gedanken über Quarantäne und die drehen sich zwar meistens um die Steuererklärung, die ich dann endlich machen werde oder darum, dass ich schon immer mal die Fugen im Bad mit der Zahnbürste putzen wollte, aber ab und an bin ich auch besorgt, weil ich dann nicht zum Friseur gehen könnte. Vielleicht muss ich im Ernstfall selbst Hand anlegen, es gibt wenig, das mir schlechtere Laune bereitet, als zu lange Haare, möglicherweise ist mir zu langes Haar sogar unangenehmer als ein Katastrophenhaarschnitt. Dasselbe gilt für Augenbrauen. Wir werden sehen. Frau Fragmente hegt eher Pedikürephantasien beim Gedanken an Quarantäne.

    Die Tippgeräusche klingen heute wirklich enorm langsam, vielleicht liegt das am Hangout. So langsam kann man doch gar nicht schreiben, zumal wir heute auch eine Deadline haben denn um 22 Uhr muss ich auf einen Call.

    Weil Frau Fragmente so langsam tippt, plane ich ein wenig nebenher meinen Einkauf. Ich war vor zwei Wochen das letzte Mal richtig einkaufen, kurz vor den Hamsterkäufen. Daher brauche ich jetzt ziemlich viel, werde also wie ein very late adopter wirken. Frage mich noch, ob ich das morgen Abend erledige (ließe sich mit der Rückfahrt aus dem Büro verbinden - ich fahre morgen mit dem Auto, weil ich eine Notfallkiste nach Hause transportieren muss) oder aber Samstagfrüh (ließe sich mit dem Transport vom Kind zum Sport verbinden).

    Je länger ich Frau Fragmentes Bücherregal betrachte, desto neugieriger werde ich, was da alles so ist. Eine Art Tablett unten rechts auf den Ordnern? Eine Keksdose und blaue Servietten im Fach über ihrem Kopf mittig? Eine kleine, goldene Figur - nein, zwei, eine steht nur im Schatten - vor den CDs, sind es Hunde?? Eine Fliegenklatsche mit gelbem Griff??

    Mit diesem Rätsel entlasse ich Sie in die Nacht.

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