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    Freitag, 4. März 2016
    Totenkopfabzeichen in schwarz (nur Übung)

    Natürlich war gestern auch schwimmen, aber ich musste ja unbedingt vom Orgonakkumulator berichten und hatte auch total vergessen hatte, dass der Schwimmbericht ansteht. Außerdem hatte ich ja keine Ahnung, dass es so furchtbar aufregend werden würde!

    Als wir bebadeschuht (das hebe ich hervor weil ich kurz den Eindruck hatte noch in Straßenschuhen zu sein, ich schaute aber nicht nach sondern "spürte" nach und war dann doch habwegs sicher: Badeschuhe) zum Becken schlenderten sagte die Kraulschwimmpartnerin nämlich ganz nebenher: ich denke, wir schwimmen heute einfach eine Stunde so als Übung für das Totenkopfabzeichen. Das gibt es in Schwarz, in Silber und in Gold, man sollte meinen, Schwarz sei am coolsten, irritierenderweise ist das nicht der Fall sondern ganz konventionell: Gold. Ich mag Gold ja gar nicht. Ich mag schwarz und silber. Aber es ist, wie es ist.

    Darüber wie es ist, hatte ich dann im Becken ausreichend Zeit nachzudenken. Ich trage beim Schwimmen natürlich keine Uhr, eigentlich trage ich sowieso keine Uhr, nur hat das Fitnessdingsi eine eingebaute Uhr, das Display ist dunkel, aber wenn man mit dem Arm eine Auf-die-Uhr-schau-Bewegung ausführt, wird die Zeit angezeigt. Das ist schon sehr schick. Außer, man hat es nicht aufgeladen, so wie ich neulich, da war es zwei Tage tot und eine meiner Konkurrentinnen Fitness-Freundinnen mailte gleich besorgt, ob ich etwa tot sei, denn 0 Schritte bis 14 Uhr mittags kam ihr nicht geheuer vor. Man liefert sich selbst den unmöglichsten Überwachungsmechanismen aus, Mama N. ruft am Wochenende nun auch immer sehr früh an, weil sie bemerkt, dass ich einen Scrabble-Zug gemacht habe, allerdings mache ich den oft beim Katzenfüttern gegen 7 und gehe dann nochmal schlafen. Ich erinnere mich bei der Gelegenheit auch, wie wir Papa N. zu Weihnachten ein iPad geschenkt haben und er gleich am 1. Weihnachtstag, als wir nur geringfügig zu spät zum Brunch unterwegs waren, ein latent passiv-aggressives Bild vom überladenen Frühstückstisch per Whatsapp schickte mit dem Hinweis "Kaffee wird kalt".

    Wo war ich, ach ja, im Wasser. Keine Uhr, ich sagte also der Kraulschwimmpartnerin, ich würde nun einfach schwimmen bis sie Stopp sagt. Zwar hat die Schwimmhalle auch eine Uhr, die kann ich aber ohne Brille nicht lesen. Und mit Schwimmbrille schon gar nicht, die ist nämlich so zerkratzt mittlerweile, dass ich eine neue benötige. Halbblind und ohne Zeitgefühl gibt es dann im Wasser wirklich nicht mehr allzuviel zu tun als hin und her zu schwimmen. Nach ein paar Bahnen automatisiert sich der Schwimmvorgang, die Gedanken können schweifen, nach ein paar weiteren Bahnen stellte ich aber fest, dass in mir gar nicht so enorm viele Gedanken drin sind, die ich jetzt in Ruhe mal durchdenken könnte (oder wollte). 20 Minuten wären um, rief die Kraulschwimpartnerin. Meine Gedanken reichen also für knapp 20 Minuten. Das war etwas ernüchternd, zur Ablenkung bekam ich kurz einen Krampf im Fuß, den kann man aber wegschwimmen.

    Da es nun nichts mehr zu denken gab, überlegte ich, ob ich etwas fühlte. Auch nicht so recht. Latente Zufriedenheit, hin- und herschwimmen zu können. Ein paar Sachen natürlich, über die ich mich aufregen könnte, über die eine oder andere sogar sehr. Probeweise brüllte ich ein bisschen unter Wasser imaginäre Personan an, es klang ganz lustig. Man kann nicht gut Wut ausleben, wenn man wie eine ersaufende Mickey Maus klingt. Was soll man sich auch aufregen, es ist, wie es ist. Ich versuchte unter Wasser zu singen. Das tat in den Ohren weh, nicht wegen des Klangs sondern wegen des Drucks. Schalls. Was auch immer.

    Langsam fragte ich mich, wann ich müde werden würde. Oder kalt. Passierte aber nicht. Ich habe - seit ich mich erinnern kann - die Überzeugung, dass ich einen Tod durch ertrinken sterben werde. Keine Ahnung warum, es ist ein wiederkehrendes (Alp-)Traumbild. Vielleicht gehe ich deshalb so gerne schwimmen. Aus Trotz. Sowas habe ich manchmal. Dass ich jetzt in diesem maximal 2,50-m-tiefen Becken ertrinken würde, hielt ich aber für ausgeschlossen, also lohnte auch daran kein zweiter Gedanke. Ich schaute umher soweit es die Kurzsichtigkeit und die zerkratzen Schwimmbrillengläser erlaubten. Das Wasser wirkte nicht so sauber wie irgendwas aus Bergamo. Ich wünschte mir in diesem Moment, Erschöpfung oder irgendwelche Schmerzen würden einsetzen, Krampf, Schulter oder so, dann könnte ich verbissen werden und nicht mehr an die Schwebepartikel im Wasser denken.

    Der Punkt an dem man erst kämpft und dann ohne irgendwas zu denken einfach vom puren Willen getrieben wird, kam aber nicht. Als Kind habe ich mich mal sehr gewundert, als im Fernsehen eine Nachricht kam, dass jemand bei einem Marathon umgefallen und verstorben sei. Wie kann das passieren, fragte ich mich, man läuft doch nur, wenn es zu anstrengend wird, hört man eben auf. Ich weiß heute ziemlich genau, wie so etwas passieren kann. Noch 20 Minuten, rief die Kraulschwimmpartnerin.

    Die letzten 20 Minuten machte ich Faxen. Ohne Arme schwimmen, ohne Beine schwimmen, Rollen unterwegs und solche Scherze. Dann war die Stunde auch schon um. Inoffizielles Totenkopfabzeichen in schwarz, verliehen durch die Kraulschwimmpartnerin.

    Aber was ich absolut nicht verstehe: warum kann ich in Brustlage eine Stunde ohne die geringsten Ermüdungserscheinungen (körperlicher Art - geistig war ich bedient) herumschwimmen, aber nach einer Bahn Kraulen geht mir die Puste aus?

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