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    Freitag, 2. November 2012
    Blogging November - 368

    Heute wollte eigentlich ein Werbetrulli kommen, den ich versehentlich eingeladen hatte. Das kam so: Wenn man ein Kind bekommt, bekommt man auch unglaublich viele Gutscheine für Gläschen, Windeln, Spucktücher, sonstiges Kindzubehör. Man freut sich da anfangs und nimmt alles mit. In einem Moment geistiger Umnachtung hinterlässt man jedoch irgendwo nicht die speziell eingerichtete Mailadresse für Werbekrempel, sondern die Telefonnummer. Oder vielleicht haben sie die auch anderswoher, ich kann aber ersteres nicht ausschließen. Jedenfalls ruft dann immer mal wer an und will dem Kind was Gutes tun. Unfallversicherung. Sparplan. Filly-Zeitschrift-Abonnement. Oder eben Bildung.

    Bei Bildung war ich jetzt erstmal überrascht, man wollte mein Kind bilden bzw. mit mir und Herrn N. und dem Kind darüber sprechen, wie das Kind gut gebildet werden kann. Dies erzählte mir eine nette ältere Dame (von der Stimme her) abends am Telefon, der Tag war lang gewesen, ich kochte nebenher, war unaufmerksam und sagte häufiger "mhm" und "jaja" und plötzlich war ich mit der Dame verabredet. Bzw. mit dem Mann der Dame, wie sie mir dann erklärte. Der käme dann an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit.

    Am nächsten Tag war ich wieder ausgeschlafen und wollte nicht mehr, dass die Dame bzw. ihr Mann uns besucht. Ich rief sie also an, um abzusagen. Die Dame war untröstlich und fragte nach einem Ersatztermin. "Neinnein, wir sind total gebildet, wir brauchen Ihren Mann gar nicht", beharrte ich, aber sie ließ sich nicht abwimmeln, es sei ihr so ein Anliegen, das Wohl des Kindes, ob nicht doch ein Termin, nur 15 Minuten, maximal 20, an jedem Tag zu jeder Zeit meiner Wahl, nur nicht am Donnerstag. "Oh, hm, gerade der Donnerstag hätte gut gepasst..." sagte ich bedauernd. Jedoch: die nette alte Dame war ein Fuchs, ein Wolf im Schafspelz, eine falsche Schlange - wie auch immer, sie hatte mir jedenfalls kommunikationstechnisch ein Bein gestellt und trat nun nach: "Also Donnerstag ist bei uns ja Feiertag, aber für Sie kommt mein Mann auch am Donnerstag raus!"

    Schachmatt.

    "Nein, muss nicht sein, Freitag 18 Uhr geht auch", sagte ich matt. Ich glaube, die alte Füchsin Dame kicherte am anderen Ende der Leitung. Und bat mich, mich zu melden, falls es doch nicht passen sollte. Es ist leicht, großzügig zu sein, wenn man Spiel, Satz und Sieg hat. Ich rief natürlich nicht an. Das gehört sich nicht. Man muss auch verlieren können.

    Heute, 18 Uhr dann: keiner kommt. Kein Klingeln, kein Anruf, nichts. Bis jetzt nicht.

    So geht das doch nun wirklich nicht! Ich werde die morgen anrufen.




    Heute vor zig Jahren:

    Morgens um 10 wurden wir von meiner Mutter geweckt. Sie sagte: Der Ah kommt in einer halben Stunde.

    Reaktionsschnell sprangen wir auf, stürmten ins Bad und machten uns empfangsbereit. Dann begannen wir zu frühstücken. Nach kurzer Zeit klingelte es und Ah kam herein. Mama sagte: „Ziehen Sie doch die Jacke aus“ und nahm ihm kurzerhand entschlossen sein Donkey ab. Ah wand sich und lief total komisch immer an der Wand lang bis zum Tisch und schlängelte sich auf einen Stuhl. Er hatte nämlich seine Gaspistole mitgebracht und die steckte hinten im Hosenbund und er hatte Angst, Mama könnte die sehen. Aufgeregt drückte er sie mir unter dem Tisch in die Hand und meinte/wisperte „Versteck die schnell. Hat deine Mutter die schon gesehen?“. Ich darauf: „Nee nee, dann hätte die was gesagt.“ Das beruhigte ihn halbwegs, er versicherte aber noch öfters, dass er dann natürlich alles erklärt hätte. Wir frühstückten dann weiter und verhörten Ah, denn er musste uns das mit der Gasknarre ebenfalls erklären, wir hatten ihm eindeutig gesagt, dass in unserer Anwesenheit weder Gasknarren noch Leute verprügeln akzeptiert ist. Ah machte auf armes Schweinchen und trank Kaffee.

    Irgendwann ging Pe nach Hause, um aufzuräumen. ich fuhr dann mit Ah zur Mutter. Vor dem Haus holten wir aus der hintersten Ecke der Garage einen lila Rucksack, der Ahs Schultasche darstellte und den er dort verborgen hatte. Die Mutter laberte mich zu, Ah guckte California-Clan. Ich lieh mir von Ah eine Meteors-LP aus. Dann schnorrte Ah von seiner Mutter 10 Mark, um „mit seiner Freundin ins Kino zu gehen“ und die Mutter umarmte mich und sagte, sie wäre so froh dass wir wieder zusammen sind. Bevor ich protestieren konnte zog Ah mich aus der Wohnung und wir gingen dann zum Friseur, bzw. zu drei alten Männern im Keller, wo Ah sich ein Flat schneiden ließ. Der alte Mann, der der Chef war, nannte Ah immer „großer Häuptling“ und verarschte ihn total, ich kam aus dem Lachen gar nicht raus und Ah war beleidigt. Vom Friseur gingen/fuhren wir schnurstracks zu Pe und von da aus wieder zu mir, wo Ah sein Flat stylte. Dann ging es weiter zu Sunny und dann in die Stadt wo wir in einem Laden Wein kaufen wollten, aber keiner von uns traute sich rein, also fuhren wir noch woanders hin und holten ihn da. Dann gingen wir vors Kino, dort stand Danni. Kurz danach tauchte Ahs Muter auf und teilte Ah schreiend mit, er wäre hiermit aus der Wohnung geworfen und „sollte hingehen, wo der Pfeffer wächst“. Danni war nämlich zwischenzeitlich bei der Mutter gewesen und als die ihm gesagt hatte, Ah sei mit seiner angeblichen Freundin (also mir) im Kino, gab es ein Rieseneklat weil Danni ja Ahs Freundin ist und dann meinte, sie wäre vielleicht schwanger und heulend zum Kino rannte und die Mutter hinterher. Wir gingen dann wieder zum Stromkasten, Danni veranstaltete ein Riesentheater und ging dann mit Sunny weg.

    Um 10 gingen wir zur Mutter, weil Ah seine Sachen abholen wollte. Wir warteten unten im Flur, bis Ah mit einem roten Koffer und dem lila Rucksack erschien. Er wollte dann in den Keller gehen, richtete sich dort ein und schlief. Pe und ich langweilten uns. Die Mutter kam öfters runter und bei ihrem vorletzten Besuch bestellte sie Pe nach oben, um sie in die Familiensituation einzuweihen und ihr Leid zu klagen und Photos von der Familie, insbesondere von Ah als er noch „ein guter Junge war“ zu zeigen. Indessen musste ich mir alles aus Ahs Sicht anhören. Pe brachte dann einen Schlafsack mit nach unten, woraufhin mit Ah für den Rest des Abends nicht mehr zu reden war. Er war nur noch fähig, der Mutter bei ihrem letzten Besuch zu versichern, sie solle das alles ihrem Friseur erzählen. Um 11 gingen wir dann zur Straßenbahn, die wir verpassten, weshalb wir zu Fuß gehen mussten. Unterwegs trafen wir dann einen Typen, der uns belästigte, worauf Pe ihn zunächst verjagte. Es gewitterte und wir stellten uns auf dem S-Bahnsteig unter. Der Typ folgte uns dahin und wollte, dass wir uns hinsetzen, das taten wir aber nicht und deshalb versuchte er, uns durch Schubsen dazu zu bringen. Wir schubsten ihn zurück aber er ließ nicht locker und holte ein Messer raus. Ab da erinnere ich mich nicht mehr richtig. Pe sagt dass ich immer „ich bring dich um, ich bring dich um“ gezischt habe und wir dann weggerannt sind. Nachdem wir ihn an einer Plakatwand ausgetrickst haben kamen wir bis zur Treppe, da holte er uns wieder ein und wir prügelten uns mit ihm herum. Er hielt Pe fest und ich trat auf ihn ein, dann fielen wir alle zusammen die Treppe runter und unten schlug ich ihn mit dem Kopf gegen die Wand, dann riss er sich los und floh nach rechts, wir nach links. Wir riefen dann die Polizei und fuhren eine Stunde lang mit denen durch den Park, in den er gelaufen war, aber er war nicht mehr aufzufinden. Dann ging es noch zur Wache, dort gaben wir ein Protokoll auf und eine Anzeige und guckten Fotos von Verbrechern an, er war aber nicht dabei. Um halb drei holte Pes Vater uns ab.

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