Ich habe derzeit eine Religionsphase. Keine religiöse Phase, wohlgemerkt. Eine Religionsphase. Man hat ja immer Phasen, alle sagen immer, Kinder hätten Phasen, in Wirklichkeit haben Erwachsene die auch. Ich zumindest.
Im Büro zum Beispiel. Da habe ich mal ungefähr ein halbes Jahr lang ständig Leute gehabt, die aus irgendwelchen Nicht-Standard-Ländern mit irgendwelchen Nicht-Standard-Nationalitäten einreisen möchten, um Nicht-Standard-Tätigkeiten zu verrichten, und ich habe ununterbrochen von morgens bis abends (außer, dass ich ja nur bis mittags arbeite) alles mit Aufenthaltstiteln gemacht. Dann war ich Aufenthaltstitelprofi und prompt brauchten natürlich niemand mehr einen, es kamen nur noch Schengen-Europäer. Dafür war dann die Komische-Lebensereignisse-Phase, also nicht bei mir, bei anderen, wo man sich dann überlegen muss, wie man auf die komischen Lebensereignisse von Mitarbeitern reagiert. Dann kamen abgefahrene Sachen mit Steuer. Hatte ich je in meinem Leben irgendwas mit Steuern zu tun? Nein. Dann plötzlich: oh ja, Steuern und sonst nichts! Alles eine Phase.
Aber ich wollte ja von meiner Religionsphase erzählen. Die Ostersache war das eine, gestern war die Pfarrerin abends zu Besuch und zwischendrin wurde ich auf der Straße von zwei Radfahrern angesprochen und nach Kirchen befragt, sehr im Detail, weil man wohl rein optisch annahm, ich hätte Ahnung. Hatte ich ja auch. Das deutet alles auf einen neuen Lauf, diesmal eben im Bereich Religion, hin. So etwas muss man ausleben, ich kaufe mir daher jetzt bald, vielleicht sogar gleich, eine Bibel für die S-Bahn. Die wollte ich immer schonmal ganz lesen, bin aber bei früheren Versuchen immer schon an den Völkertafeln gescheitert. Heutzutage habe ich zum Glück jeglichen Perfektionismus abgelegt und würde diese Passage einfach überspringen, bis wieder Interessanteres kommt.
Nur eine Frage ist noch offen: Besorge ich mir einen dezenten Schutzumschlag, oder lasse ich die S-Bahn-Gespräche, denen ich sonst natürlich begegnen würde, einfach auf mich zukommen?
Heute vor zig Jahren:
Ah ruft an, er kann doch nicht. Pe und ich machen den ganzen Nachmittag Hausaufgaben.