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    Donnerstag, 10. November 2022
    10.11.22

    Schönes Datum, es gefällt mir, weil es an mehreren Stellen fast Sinn ergibt aber dann doch knapp vorbei. Tja.

    Heute war bei mir Einkaufstag. Ich habe früher ja jeden Tag irgendwas gekauft, wie gesagt, mein Haus ist von Pennymärkten eingeschlossen. Dann habe ich aber irgendwann bemerkt, dass ich, wenn ich immer was einkaufe, auch immer was schleppe, und das kann ich ja nicht leiden. Ich begann, einmal pro Woche einzukaufen und dann kam Pandemie und seitdem kaufe ich einmal im Monat ein, so ungefähr, womit ich meine: einmal im Monat bewege ich mich körperlich in ein Ladengeschäft. Alles dazwischen wird angeliefert.

    Heute war dieser große Tag und ich freute mich schon gestern nicht darauf, also wollte ich mir selbst entgegenkommen und machte diese Abholsache, Click & Collect, also wo man einen Warenkorb zusammenstellt und dann muss man nicht durch das Geschäft latschen sondern geht zu einem speziellen Schalter, zeigt einen Code vor und erhält die fertig gepackten Tüten. Ich ging also zum vereinbarten Zeitpunkt zu diesem Schalter, zeigte den Code vor und erhielt KEINE fertig gepackten Tüten, weil das nämlich niemand gemacht hatte. Was ist mit den Leuten??

    Die Verkäuferin bot mir an, zu warten, während jetzt dann sofort die Tüten gepackt werden, das lehnte ich aber ab, weil ich glaube, dass ich das selbst dann doch schneller kann, zudem warte ich ja sehr ungern und stehe sehr ungern herum, wenn ich also wartend irgendwo stehen soll, während jemand etwas langsamer macht, als ich selbst das könnte, ist das für mich kein gutes Arrangement. Wobei das natürlich nur eine Vermutung ist, mit dem "langsamer", vielleicht gibt es auch jemanden, der speziell für den Abholservice geschult ist und auf Inline Skatern durch die Regale düst, was weiß man, aber was hat diese Person dann heute den ganzen Tag gemacht, meine Tüte gepackt jedenfalls nicht, ich war nicht überzeugt. Ich hätte natürlich einen Wettbewerb anbieten können, die Tütenpackperson gegen mich und wenn sie gewinnt bezahle ich mit ordentlich Trinkgeld und wenn ich gewinne bezahle ich rein gar nichts. Die Tütenpackperson, falls es sie gibt, war aber ja gar nicht da. Deshalb bot ich keinen fairen sportlichen Wettkampf an, um die Situation zu bereinigen, sondern sagte nur, dass ich ganz sicher nicht warte sondern jetzt eben selbst einkaufe und die Verkäuferin soll währenddessen mit der Marktleitung überlegen, wie sie meine Unannehmlichkeiten ausgleichen könnten.

    Das taten sie zu meiner Zufriedenheit, unter anderem wurde gefragt "wo ist die junge Frau mit dem schönen Mantel denn jetzt" - ja, damit war ich und der textmarkerfarbene Mantel gemeint, man legte sich auch verbal ins Zeug, meine Unannehmlichkeiten auszugleichen.

    Einkaufen ist trotzdem blöd. An der Kasse konnte ich nämlich das Parkticket zum Abstempeln nicht finden, das lag dann in der Tiefgarage vor dem Auto, immerhin, aber ich musste nochmal zurück und hatte doch TK-Zeug dabei, dann hatte ich 4 Taschen mit Einkäufen und einen Rucksack mit Laptopzeugs und einen Laserdrucker im Auto und das Auto riecht, als wären diverse Flaschen Schnaps darin ausgekippt worden (wurden sie vermutlich auch, M holt damit nun immer ihre Freund*innen von Parties ab), dann stand im Hausflur noch die Hello Fresh Box, es gab also unmäßig viel zu schleppen, auf der Treppe fiel das Papierfach aus dem Drucker und zerlegte sich in diverse Einzelteile, ich hasse all das. Einmal im Monat einkaufen gehen ist noch zu viel, ich muss mich besser organisieren.

    Donnerstag, 10. November 2022
    9.11.22

    Letzte Nacht nicht vom Podcastzimmer geträumt, immerhin, dafür habe ich heute aber gesehen, dass im Putzregal die Feuerlöschdose in der Schachtel mit den Staubsaugerbeuteln steht und dann dachte ich, die Beutel seien aufgebraucht, aber es waren noch drei drin, zapp, sofort dachte mein Gehirn "wie super, da kann ich noch den cremefarbenen Hochflorteppich saugen!" Meine Güte, diese Wohnung hier hat ausschließlich Parkett. Da hat sich in meinem Gehirn nachhaltig etwas verkantet, vielleicht probiere ich es mal mit Triptanen. Ich staubsauge überhaupt nie, die Putzhilfe staubsaugt und wischt, der Roboter staubsaugt, ich präferiere das Fegen aber noch mehr präferiere ich, das nicht öfter als alle paar Jahre mal zu tun. Ich kann mich nicht erinnern, wann das letzte Mal war und ich plane die Wiederholung bislang noch nicht, mit diesem zeitlichen Abstand fühle ich mich komfortabel.

    Warum ich überhaupt am Putzregal zugange war, ist erklärungsbedürftig. Ich arbeitet heute nämlich "wegen der Situation" von zu Hause, Sie wissen, ich hasse das, heute hasste ich es noch mehr, weil es ungeplant war und mir daher noch weniger geeignete Mittel zur Verfügung standen als im geplanten Fall schon und dann brach noch die Cloud zusammen, in der alles liegt, also fast alles, aber auf der 2-seitigen To-Do-Liste, die ich auf Papier (Papier! Diese Zumutung!!) hergestellt hatte, als ich noch dachte, bald geht es ganz sicher wieder, also auf dieser Liste klammerte ich nach zahlreichen Durchlesedurchgängen irgendwann alles ein, was ohne diese Cloud nicht geht und dann blieben nur noch sehr wenige Dinge übrig und diese waren allesamt nicht dringend und nicht wichtig und motivierten mich daher kein bisschen zur Erledigung. Ich funktioniere nur unter Druck. Also guckte ich Dinge in der Wohnung näher an, auf die mein Blick eben so fiel und mein Blick fiel auf die Papierzeitung. Papierzeitungen. Also den Stapel, ungelesen. Ich kann das erklären. Ich muss das vermutlich erklären.

    Vor ein paar Wochen rief mich eine Vertreterin der hiesigen Tageszeitung an (sagt man Vertreterin? Verkäuferin?). Sie sagte, ich habe die Zeitung ja mal getestet und dann aber nicht abonniert, ob ich nochmal testen wolle, ob sie mir nun besser gefällt. Ich ließ wissen, dass ich mir gar kein Werturteil anmaßen wolle, ich hatte die Zeitung nämlich bestellt, weil zu dieser Zeit Papa N. ein paar Wochen bei mir wohnte und der liest morgens Zeitung. Ich nicht. Ich wäre gerne ein Mensch, der morgens Zeitung liest aber es realisiert sich einfach nicht, ich stelle es mir sehr schön - also im wahrsten Wortsinne schön - vor, morgens mit einem Kaffee im Sessel oder auch am Küchentisch die Zeitung zu lesen, mein Tagesablauf gibt das aber nicht her und jemand, der abends im Sessel sitzt und die Zeitung von morgens liest will ich nicht sein und dann endet es so, dass alle Zeitungen Papiermüll sind und das ist ja nicht nachhaltig. All das sagte ich der Zeitungsfrau und sie antwortete, das würde sie vollkommen verstehen, es sei jedoch so, dass die Weihnachtszeit naht und man da immer mal Dinge in irgendwas einwickeln muss oder auch nasse Schuhe stopfen oder die Fenster putzen weil Besuch kommt und für all das bietet sich Zeitungspapier hervorragend an und wenn es dann nur einen Tag in diesem Zeitraum gäbe, an dem ich der Mensch bin, der ich so gerne wäre, mit der Zeitung und dem Kaffee morgens, ja, dann würde sich sich von Herzen freuen und ansonsten sei es ja wie schon beschrieben dennoch ein faktisch sinnvolles Arrangement. Oh, diese Frau war eine gute Verkäuferin! In mein anerkennendes Zögern sagte sie noch, ich müsse für einen (zeitraumvergessenlangen) Test nur 14,90 Euro zahlen und bekäme einen 15 Euro Rewe-Gutschein, ob ich auch 1 Milliarde Mal die Zeitung zu diesen Konditionen bestellen könne, frage ich absolut geistesgegenwärtig und sie sagte ja, ich könne wenn ich könne weil: Vorkasse.

    Diese Zeitungsfrau hat mir also telefonisch die Schuhe ausgezogen und deshalb habe ich jetzt ein Probeabo der Tageszeitung. Es ist natürlich genau so, dass ich die Zeitung jeden Abend auf den Altpapierstapel lege, genau, wie ich vorhergesagt habe, und ob sich das weihnachtliche Fensterputzen noch einstellt, wage ich nicht zu prognostizieren. Aber ja, die Putzhilfe lobte das Vorhandensein von Zeitungspapier schon, sie hat den Mülleimerschrank unten damit ausgelegt.

    Jedenfalls dachte ich, weil die Cloud ja nicht ging, wäre heute der Tag, den ich der Zeitungsfrau visionär in unserer Gedankenwelt aufzeichnete und den sie - dessen Version meiner selbst sie - in mir sah. Naja, sie lag aber falsch, ich hab dann halt wegen der Feuerlöschdose in der Staubsaugerbeutelschachtel an das Podcastzimmer gedacht und bin die nächste halbe Stunde lautlos schreiend durch die Wohnung gerannt.

    Dienstag, 8. November 2022
    8.11.22

    Am Tag vor Abreise aus dem Apartment in Prag hatte ich nachts einen Traum. Ich muss ausholen, halten Sie einen Moment durch, es wird nicht so lange dauern, wie unsere Zugfahrt nach Hause gestern, die haben wir ohne allzu großes Jammern durchgehalten, also schaffen Sie auch diesen Text bis zu seinem mir selbst zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz schlüssigen Finale.

    Es ist so: wenn ich eine Ferienwohnung, ein Hotelzimmer oder Ähnliches final verlasse - ich sagte zu Frau Herzbruch, no pressure aber wir müssen die Schlüssel hier auf dem Tisch liegen lassen und die Tür zu ziehen, wir haben also genau 1 Chance, das alles richtig zu machen - stelle ich immer erst alles Gepäck nach draußen und gehe dann in einer bestimmten Ordnung nochmal alle Zimmer ab und kontrolliere sie, nach der Kontrolle schließe ich die Zimmertüren, wenn alle zu sind die Wohnungstür. In meinem Traum war ich genau dabei, das zu tun, fand dabei aber eine noch nie zuvor gesehene Tür zwischen dem Badezimmer und dem WC. Diese Tür führte - halten Sie sich fest - ins Podcastzimmer!

    Es war kein Podcastzimmer, wie man es sich logisch denkend vorstellt, nämlich mit irgendwelcher Technik. Es war ein quadratischer Raum, an der der Tür gegenüberliegenden Wand war ein Fenster mit weißem Rahmen und darunter ein weißer Heizkörper, sonst war in dem Raum keine Einrichtung, er war mit einem cremefarbenen aber schmutzigen Hochflorteppich ausgelegt und in der Mitte war ein kleiner schmuckloser Brunnen. Wie ich darauf komme, dass das das Podcastzimmer war, kann ich nicht erklären, ich wusste es einfach. Traumdeuterisch würde ich behaupten, die Trostlosigkeit des Raumes meine innere Haltung zu Podcasts perfekt aufgriff.

    Interessant war, dass ich in diesen Raum ging und sofort wusste, wie es sich anfühlt, auf diesem Hochfloreppich zu liegen oder darüber zu krabbeln, ohne das im Traum überhaupt getan zu haben (und auch im Wachen kann ich mich nicht erinnern, wann ich zuletzt mit einem Hochflorteppich in Berührung gekommen bin). In dem Moment, in dem ich die Tür zum Podcastzimmer öffnete, begann aber von dem kleinen Brunnen ausgehend eine Überschwemmung, die sich mit nichts aufhalten ließ, wir hatten sowieso ja jede auch nur zwei Handtücher, Handtücher sind in Ferienwohnungen immer so ein Problem, ich muss bei der nächsten Buchung darum bitten, drei zu bekommen. Frau Herzbruch schlug vor, die Wohnung einfach schnell zu verlassen und so zu tun, als hätten wir den Raum nie gefunden, ich redete dagegen an, weil das ja so nicht in Ordnung ist, mehr weiß ich über den Traum nicht mehr.

    In Wirklichkeit gab es dieses zusätzliche Zimmer nicht, ich habe die Wand zwischen Bad und WC durch Klopfen extra auf geheime Türen überprüft. Aber als wir unsere Rundgänge gemacht hatten, vor der Wohnungtür standen und sie gerade zugezogen hatten schrie Frau Herzbruch "Mein Koffer!!!" Den hatte ich selbst aber in den Hausflur geräumt. Und wir passten trotz des Entenflocks, den Frau Herzbruch an Knedliky verzehrt hatte, noch mit den Koffern gemeinsam in den Aufzug und stürzten nicht damit ab. Also alles gut.

    Nicht so gut: ich war letzte Nacht wieder in diesem Podcastzimmer zu Besuch, ich war im Traum wo ganz anders unserwegs aber zapp, war da wieder das Podcastzimmer mit dem Hochflorteppich. Und als ich vorhin in der S-Bahn Sekundenschlaf hatte, wo war ich da? Genau. Podcastzimmer. Es scheint als hätte ich irgendein unfinished business in dieser Richtung.

    In den nächsten Traum nehme ich ein Teppichreinigungsgerät mit.

    Montag, 7. November 2022
    Herzregenreise Tag 4 - Rückreise Teil 2

    Frau H und ich sind noch unterwegs und mittlerweile ein wenig lädiert, im ganz Wesentlichen aber nur psychisch, physisch nur so, wie wenn man eben seit hundert Stunden unterwegs ist. Frau H hat eben Parfüm nachgesprüht, ich würde gerne Zähne putzen, es wird aber alles nicht mehr allzu lange dauern. Bis zu mir sind es noch ungefähr 3 Stunden mit 2-3 Mal umsteigen, bis zu Frau H 4 Stunden mit 2 Mal umsteigen glaube ich, das wird sich jetzt auch noch absitzen lassen.

    Was seit dem letzten Eintrag geschah, fasst Frau Herzbruch glaube ich gerade zusammen, es war alles sehr unangenehm und ich bin aktuell nicht an dem Punkt, mich weiter damit befassen zu wollen. Wir sind übereingekommen, uns situationselastisch zu verhalten, das ist ein ausreichend unverbindliches Wort, so dass jede tut, was ihr gerade am besten passt.

    Wo wir gerade sind, weiß ich nicht, ich habe den Überblick verloren. Also - geographisch gesehen. Im Kleineren betrachtet sind wir in einem ICE, oder vielleicht auch bei diesem Saunaerlebnis, das ich Violinista zum Geburtstag versprochen habe, es gibt nämlich Holzverkleidung um uns herum (mir ist bisher nie aufgefallen, dass es solche Abteile im Großraum gibt, also bis auf einen Durchgang von Holzwänden eingefasst, "Traumaabteil" sagte Frau Herzbruch), die Zugdurchsagfefrau macht muntere Reime ("Cola oder Wein, was darf es sein") und Temperaturen um die 80 Grad und nach Draußen sieht man nichts, nur ist Violinista nicht hier und wir sind fast vollständig bekleidet, vermutlich daher doch ICE, auch wenn wir für diesen hier gar kein Ticket haben (wegen Zugbindung) und sich beim Scannen dafür niemand interessiert hat - zeigen diese Geräte automatisch an dass der gebuchte Zug, naja, nicht mehr einsatzbereit war oder interessiert das schlicht niemanden?

    Wir haben zahlreiche Sitzplatzreservierungen für alle möglichen Züge gemacht, Stehen kommt heute nämlich nicht mehr in Frage, keine davon haben wir aber jetzt in Anspruch genommen, all das sortieren wir ein andermal aus. Derzeit sind wir eher auf die Grundbedürfnisse reduziert: Sitzen, Trinken und Internet.

    Herzregenreise Tag 4 - Rückreise

    Heute ist der Tag des schlechten Services. Der Zug Alex sagt mir schon nach einer knappen Stunde Reisezeit, ich habe mein mir zugeteiltes Datenvolumen für diese Reise verbraucht und am Bahnhof Prag - den man übrigens wohl vergessen hat, irgendwie an die Stadt anzuschließen - hat die Zubereitung von zwei großen Cappuccinos länger gedauert als das Servieren aller von Frau Herzbruch verzehrten Gänsebeine in den letzten 4 Tagen zusammengerechnet. Wie machen die Tschech:innen das? Man bestellt ein Hauptgericht und es kommt schon, bevor die Getränke da sind während man zu Hause immer 30 Minuten wartet? Und erzählen Sie mir jetzt nicht, das sei, weil das Essen bei uns eben frisch zubereitet wird, denn ein Gänsebein hat man ja auch in 30 Minuten nicht frisch zubereitet. Sind Restaurantköch:innen anwesend? Ich würde mich über eine Erklärung der Abläufe freuen.

    Gerade hat der Zug sehr lange gehupt und sehr heftig gebremst. Das ist nicht so schön, es gab eine Ansage auf Tscheschich, die irgendwas mit "Personal" beinhaltete, so viel verstehe ich nach 3 Tagen, mir ist nämlich wieder eingefallen, dass Tschechisch ja ein bisschen wie Russisch ist und das habe ich ja mal gelernt. Man muss nur das Gehirn entspannen, dann kann es die nicht ganz gleichen aber ähnlichen Worte erkennen, so ähnlich, wie wenn jemand Dialekt spricht, da muss man sich auch entspannen und nur grob zu hören, dann klärt sich der Inhalt.

    Frau Herzbruch ist extrem unentspannt, noch mehr als gestern, als die beiden Herren im Schiff von der Schiffsstewardess von einem Fensterplatz verjagt wurden, weil wir dort gebucht hatten und sie saßen dann direkt neben uns. Ich fand das super, total interessante Situation und die Möglichkeit, sie zu beobachten, wie wird sie sich entwickeln, evtl. auch zu entscheiden, wie wir Einfluss nehmen wollen, man hätte es als Spiel betrachten können, aus dieser tendenziell ungünstigen Ausgangssituation eine Freundschaft herbeizuführen, ich persönlich bin mit dem Rücken zur Wand ja immer am allerbesten und wenn es einfach wird verliere ich sofort das Interesse. So war es dann auch, der eine der Herren bat den Kellner um irgendwas gegen Sodbrennen, möglicherweise sogar Backpulver, wenn man so weit ist, dass man auf einem Schiff den Kellner um Backpulver bittet, ist es ernst, ich bot daher mit "sorry, I couldn't help but overhear..." Omeprazol an und es endete mit Handküssen sofort und nochmal am Ende der Fahrt, für meinen Geschmack etwas zu einfach und Frau Herzbruch wollte sofort auch Omeprazol, ich glaube das war eine kleine Eifersucht.

    Ich muss mich jetzt aber ansonsten einen Moment der aktuellen Situation und Frau H widmen, nach Fahrzeugen mit Sirenen sind nun auch Personen mit Warnwesten unterwegs und ein hochfrequenter Summton möchte nicht aufhören.




    (Weiter bei Teil II)

    Sonntag, 6. November 2022
    Herzregenreise Tag 3

    Es wird völlig unmöglich sein, die ganzen losen Geprächsenden der letzten Tage noch zusammenzuziehen. Morgen haben wir nochmal 10 Stunden im Zug. Vorsichtshalber haben wir aber auch die nächste Reise bereits gebucht, nächstes Jahr im November, vorher haben wir keine Zeit.

    An heute Morgen kann ich mich schon nicht mehr erinnern. Ach ja, Tomas holte uns mit Miss Marple (das ist sein Auto) ab und fuhr uns mit Erklärungen durch Prag, dann zur Burg pünktlich zum Wachwechsel. Ich habe bisher keine Affinität zum Militär und fand es im ersten Moment merkwürdig, jeden Tag den Wechsel von einer Schicht zur nächsten zeremoniell zu begehen. Dann andererseits erspart dieses Ritual natürlich eine Menge Arbeit. Man stellt relativ sicher, dass alle pünktlich und passend gekleidet sind, alte Wache steht der neuen gegenüber, man merkt sofort, wenn wer fehlt, dann präsentieren sie sich gegenseitig die Waffen, alles da, na gut, dann stampfen wir noch ein paar Mal auf und tauschen die Position. Ich könnte mir das im Büro eigentlich auch gut vorstellen, alles "meine Bahn ist zu spät", "ich hab noch Zahnarzt", "oh ich bin gar nicht für Kundenmeeting gekleidet heute", "Ich hab mein Hardwaretoken vergessen" ist unmittelbar geklärt und nervt nicht die ersten paar Stunden des Tages über.

    Als nächstes mussten wir erst einmal frühstücken, taten das in einem nahegelegenen Restaurant (Frau H Gänsebraten, ich Suppe und Salat), um danach die Burg zu besichtigen, dann waren wir aber so im Gespräch, dass zunächst das Bezahlen vergaßen - das fiel uns aber wieder ein, als wir gerade zur Tür hinaus waren und wir gingen zurück und dann vergaßen wir das mit der Burg vergaßen und es fiel uns erst wieder ein, als wir schon den halben Berg wieder runter waren. Und sowieso drängt die Zeit zur Reservierung im Café und die konnten wir auch nicht nach hinten verlegen, weil im Anschluss das Dinnerboot gebucht war. Essensstress!

    Beim Kuchen essen kam uns auch die Idee, eine Schachuhr einzukaufen um die jeweiligen Gesprächsanteile besser moderieren zu können. Frau Herzbruch neigt ja zum Vortrag, ich neige zum sprunghaften Themenwechsel, zu den neuen Themen möchte Frau Herzbruch dann jeweils wieder einen Vortag halten und wieder eröffne ich zwanzig bis dreißig Nebenthemen, es wird entweder so enden, dass unsere Gehirne völlig ausbluten oder sich zu einem nie gesehenen furchterregenden Gemeinschaftswesen vereinen.

    Aber dieses Mal wird es noch gut gehen. Morgen ist Rückreise. Ich habe Sorge, dass Frau H im Zug aus irgendeiner Tasche ein Entenbein holt oder eine Flasche Sekt oder, das ist am wahrscheinlichsten, beides.

    Samstag, 5. November 2022
    Herzregenreise Tag 2 Teil 3

    Ich wollte noch ergänzen, worüber wir so gerührt waren, es ist mir nämlich wieder eingefallen. Diese Stimmungslage ist aber jetzt vorbei, ich habe statt dessen Frau Herzbruch auf dem ganzen Heimweg von der Pizzeria vorgetragen, was für unglaubliche Dulli-Touristinnen wir sind, also diese ganz merkbefreite Sorte die komplett unaufmerksam herumstolpert.

    Wie berichtet fing das schon auf der Hinreise an - nein, eigentlich schon vorher: ich war ewig nicht mehr in einem Land, in dem ich mich nicht in der Nationalsprache hinreichend verständigen kann oder sie zumindest so weit verstehe und lesen kann, dass ich eh nur ganz wenig fragen muss. Das ist hier natürlich anders, ich kann kein Tschechisch und nun stehe ich hier in einem Land und kann nicht mal Guten Tag, Danke, Entschuldigung, Tschüß sagen. Und das, obwohl mir das vorher sehr bewusst war, ich habe danach gegoogelt, war dann aber zu angestrengt, durchzublicken, habe dann jemanden angeschrieben und ganz supertolle Soundfiles bekommen, die ich mit viel Freude gehört und von denen ich ungefähr 20 Personen stolz erzählt habe - aber gemerkt habe ich mir nichts. Und noch schlimmer: Im Zug haben die Dulli-Touristinnen bei der Zugbegleitung, als sie Wasser und Schokolade vorbeibrachte, nochmal nachgefragt, wie man danke sagt, es wurde geduldig erklärt, in kurz und in lang und wir haben uns sehr gefreut - und sofort alles wieder vergessen.

    Keine von uns wüsste, wo unser Apartment liegt, wie die Straße heißt, wenn es nicht in GoogleMaps gespeichert wäre. Das schauen wir manchmal nach, wie die schönen Gebäude heißen, vor denen wir ständig staunend stehen, schauen wir hingegen nicht nach, fragen uns gegenseitig was das wohl ist, kommen überein dass wir es nicht wissen und schweifen ab wie schön es wäre, wenn Google Glass in unsere Brillen eingebaut wäre. Fahren - gegen klaren und ausdrücklichen Rat - Taxi und jammern hinterher über Abzocke, holen - gegen klaren und ausdrücklichen Rat - Bargeld an einem beliebigen Automaten und jammern hinterher über den Wechselkurs. Und - wenn mir das jemand anders erzählen würde, dächte ich wirklich, ich hätte es mit absoluten Simpeln zu tun - habe ich nicht ausreichend verinnerlicht wie die tschechische Währung heißt und sage im schnellen Gespräch ständig sowas wie "300 Geld". Weil mir die Bereitschaft fehlt, diese kleine geistige Anstrengung aufzuwenden und mich an den Begriff "tschechische Kronen" zu erinnern.

    Ich kann mir das alles nur mit absolutem knochentiefen Durch-Sein erklären, das Gehirn hat keine Kapazität mehr, sich auf eine veränderte Situation einzustellen, zwischen A und B geht nur noch die ganz gerade Linie und irgendwelche Feinheiten... haha, sehr lustig. Und mit jeder anderen Person außer mir selbst (Frau Herzbruch ist mitgemeint) hätte ich längst die Geduld verloren.

    Herzregenreise Tag 2 Teil 2

    Es ist noch immer der 5. November, das Aufstehen heute morgen kommt mir so vor, als sei es ungefähr ein Jahr her. Was daran lag, dass wir kurz nach Verlassen der Wohnung auf einem kleine Märktchen wahren, wo es einen Stand mit lokalen Produkten gab, einen Herrn, der behauptete, er sei Imker und es gab Dinge mit Honig, auch Honigschnaps und Frau H beschloss, dass wir das Probierfingerhütchen gerne annehmen und ah, Sie haben noch einen mit 40%, sehr interessant, ja natürlich probieren wir den auch, und so weiter. Das war alles vor dem Frühstück, weil es ja gar kein Frühstück gab, dafür waren wir zu spät unterwegs, wir hatten ja Mittagessen für 13:30 Uhr gebucht, das war Bier, ach ja, und Ente. Aber vorher sagte Frau H dem vermeintlichen Imker noch, dass wir morgen wieder kommen, das sagte sie auch allen Granatverkäufern, in jedem Laden hieß es "we'll be back tomorrow", auch Thomas, dem Stadtführer sagte sie zu, dass wir uns melden um morgen mit ihm umher zu fahren, ich wurde schon etwas unruhig denn auch, wenn die Tage mit so vielen Erlebnissen gefüllt werden, dass sie unendlich scheinen, weiß ich doch, dass sie das nicht sind und eigentlich wollten wir uns ja treiben lassen.

    Aber dann fiel mir etwas ein, das ich unter anderem auf Twitter und im Büro gelernt habe: die Leute, auch Frau Herzbruch, kündigen immer alles mögliche an, das sie sehr zeitnah tun wollen, und dann passiert das nicht nur nicht sondern war auch nie eine wirkliche Absicht. Das ist bei mir ja nie so. Wenn ich etwas ankündige, habe ich sicher vor, es zu tun und es mag sein, dass es nicht immer gelingt, aber in der Mehrheit der Fälle doch. Egal, als ich verstanden hatte, dass wir nicht zwingend alle gleichen Läden morgen wieder ablaufen müssen - insbesondere nicht den mit der schlimm hustenden Verkäuferin, ich machte mir schon sorgen, dass sie wasweißichwas, also vielleicht Tuberkulose hat, war ich wieder entspannt.

    Jedenfalls sprachen Frau H und ich beim Mittagessen über das Ende des Kapitalismus, also so grob, ich plane nämlich, ihr in den verbleibenden Tagen noch beizubringen, dass ein Gespräch kein Vortrag ist sondern von der Wechselseitigkeit lebt. Zugegebenerweise gibt es dabei eine Vielzahl an Herausforderungen: der anderen Person zuhören und auf ihre Aussagen reagieren, ohne eventuell weitere interessante eigene Einlassungen zu vergessen, auch wenn sich das Gespräch von diesen entfernt, der sich daraus ergebende Tanz will beherrscht werden, ich bin mir aber sicher, das kann Frau H sehr gut. Wenn man sie dazu zwingt.

    Wir kamen darüber aber zu weiteren interessanten Themen, auch auf der Meta-Ebene, nämlich dem inneren Wunsch, immer die runden Dinge, die aufgehenden Gleichungen zu präsentieren oder zumindest die (natürlich immer gute) Absicht dazu gleich mitzureichen, wo aber doch eigentlich die bestehen bleibende Dissonanz das Interessante ist und das Gespräch, auch Diskussion erst ermöglicht. Und dass ich es wichtig finde, sich auf diese Weise zur Verfügung zu stellen, wann immer man es aushalten kann.

    Dann waren wir an einer Stelle noch sehr gerührt, haben aber beide leider zwischenzeitlich wieder vergessen, worum es dabei ging.

    Nun ist es bald Zeit zum Abendessen. Ich glaube schon jetzt, dass ich nie wieder Knödel essen kann und kann man eigentlich nach 1,5 Tagen schon Skorbut entwickeln? Frau Herzbruch, immer fürsorglich, reicht mir Sekt mit Orangensaft an.

    5.11.22 - Herzregenreise Tag 2

    Es ist erst kurz nach 11, wir haben die Wohnung noch nicht verlassen aber schon sehr viel erlebt. Wir haben verdaut, sind daher wieder mobil und könnten die Wohnung verlassen, notwendig ist es aber nicht, zum einen ist sie wunderschön und zum anderen haben wir hier Unterhaltung im Übermaß.

    Seit wann Frau H wach ist, weiß ich nicht. Ich seit etwa 8:30 Uhr, ich las dann noch etwas im Bett, dann probierte ich die Dusche aus. Gestern Abend verhielt sich das warme Wasser erratisch, ich war deshalb nervös, ob es sich um ein Putin-Duscherlebnis handeln könnte, fand es aber fair dass ich als erste teste, schließlich sind meine kurzen Haare viel schneller ausgewaschen als die Herzbruch-Mähne und ich könnte daher Tipps geben, das Erlebnis möglichst angenehm zu gestalten.

    Das heiße Wasser war kein Problem, allerdings öffnete sich immer wieder heimtückisch die Duschtür, so dass das Wasser hinterher ca. 1 cm hoch im Bad stand. Immerhin warm. Ich wischte auf und sprach eine Warnung zur Duschtür aus.

    Später duschte Frau Herzbruch. Hinterher stand das Bad wieder unter Wasser. Wir üben dem Umgang mit Warnungen in diesem Urlaub noch.

    Zwischendrin geschah aber ganz viel, wir entdeckten die Kaffeemaschine (Kapseln), die Frau Herzbruchs Lieblingskaffee anbietet und tranken davon, werden auch nachkaufen, es ist nur ein Genuss für 4 Tage (nochmal: Kapseln). Wir frühstückten beide Oblaten, die von gestern aus dem Supermarkt, Frau Herzbruch fand sie beim Auspacken erst "iih" und dann "zu dick" und dann habe ich nicht mehr zugehört.

    Wir sprachen weiter über wichtige Dinge: Organisationsstrukturen, Waschmaschinen, Pull- und Push-Faktoren, 3 Faktoren der Job-Zufriedenheit, Grenzen der verbalen Kommunikation bei der Problemlösung und eins von vielen möglichen Szenarien, wie es dazu kommen könnte, dass Herr H mich in einem Kühlhaus einsperrt und Frau H über den Schatten ihrer Persönlichkeit springen sollte, meiner Erwartung nach, um mich zu retten. Das Rüstzeug dazu gab ich ihr prophylaktisch an die Hand.

    Ich lackierte meine Fingernägel mit nur mittel zufriedenstellendem Ergebnis, ich glaube, der Lack ist durch, ich habe mir von Frau Herzbruch einen neuen zum Geburtstag gewünscht, sie kündigt an, mich mit diesem Geschenk aus meiner Komfortzone herauszuholen, sofort bin ich interessiert, weil ich meine Komfortzone ja tendenziell etwas langweilig finde, mehr möchte ich aber nicht vorab erfahren. Vielleicht bekomme ich einen dritten Nagellack, bislang habe ich auf dringenden eigenen Wunsch ja nur zwei (1x auffällig, 1x unauffällig). Ich werde 50, da kann man drei Nagellacke haben.

    Jetzt wollen wir langsam mal aufbrechen, wir haben um 13:30 Uhr die nächste Essensreservierung und danach werden wir ja schon wieder immobil auf dem Bett liegen müssen, vermutlich. Frau Herzbruch hat sich die Haare geföhnt, dabei fiel immer ein Teil vom Föhn ab und es klang wie Mega-Randale im Bad, sie warnte mich davor, ich föhnte mir die Haare, es fiel immer ein Teil vom Föhn ab und es klang wie Mega-Randale im Bad. Wir üben den Umgang mit...


    (Teil II des Tages)

    Freitag, 4. November 2022
    4.11.22 - Herzregenreise Tag 1

    Um 4 Uhr ist Frau Herzbruch aufgestanden, also wenn man Übertreibung als Stilmittel abzieht vermutlich gegen 5 Uhr. Die Arme. Sie hat es mir schon ungefähr 27 Mal gesagt, ich habe offensichtlich noch nicht die zufriedenstellende empathische Replik darauf gefunden, also üben wir weiter. Mal sehen wie lang.

    Ich selbst bin um 5:45 aufgestanden, ich wurde wach ohne Wecker, es ist ja meine richtige Zeit jetzt, da werde ich zu solchen Zeitpunkten wach und fühle mich fit. Um kurz vor 7 ging mein Zug, um kurz vor 8 wollte ich in Frankfurt in den ICE mit Frau Herzbruch drin umsteigen, während ich noch in Offenbach am Bahnsteig saß, meldete Frau H "Personenschaden", bei mir selbst gab es kurz darauf "Ungeplanter Halt auf freier Strecke", in Frankfurt wurde mir der Herzbruch-ICE mit "Verspätiung wegen verspätetem Personal aus vorheriger Fahrt" angekündigt und letztendlich ging sich aber alles wunderbar aus. Alles und insgesamt, nur selbstgemachte Eile gab es, weil wir im Gespräch ("Ratschen!" schimpfte der bayerische Zugbegleiter) zwei Um- bzw. Einstiege, auf die wir uns jeweils eine knappe Stunde hätten vorbereiten können, fast verpassten und rennen mussten. Und die Türen blockieren. Und all das. Wie Passagiere des Grauens, die am Vormittag schon mit Bierflaschen unterwegs sind und dann im 6-er Abteil 4 Stunden ununterbrochen reden. Über vieles: über Karl Lauterbach und Christian Drosten, die Jobsituation, Musk, Twitter, Mastodon, Geschenke, Wammerl, Kleidung, diverse gemeinsame Bekanntschaften, Reisen, Geld, Gesprächsstrategien, Telefone, Headsets, Adventsplanung und so weiter.

    Gegen Ende der 10-stündigen Zugfahrt wurden wir ein wenig müde, also so die letzte halbe Stunde. Es folgte dann eine weitere halbe Stunde, über die wir nicht sprechen - wir haben uns in dieser halben Stunde gegen einen seriösen, kompetenten und guten Rat entschieden, in vollem Bewusstsein, und daraus etwas gelernt. Danach trafen wir in unserem Apartment ein. Das Apartment ist super, klagen kann man nur auf hohem Niveau, natürlich gelingt uns aber auch das, das Internet ist nämlich nicht so schnell wie zu Hause. Dennoch gelang es uns, sofort zwei Essensreservierungen zu machen, eine für heute Abend, eine für morgen Mittag, wir waren nämlich sehr hungrig, so hungrig, dass wir vor dem Essen auch noch in den Supermarkt gingen und diverse Snacks kauften. Wie unterschiedlich dieselben Menschen zu verschiedenen Zeitpunkten sein können - genau jetzt in diesem Moment können wir uns beide nämlich nicht vorstellen, jemals wieder etwas zu essen, die Reservierung morgen werden wir wohl verfallen lassen und die Lebensmittel, die wir im Supermarkt gekauft haben werden hier im Kühlschrank verrotten. Daran können wir aber nichts ändern, aktuell ist Bewegung unmöglich, Frau Herzbruch hat schon Sekundenschlaf, das kann aber auch von dem Podcast kommen, den sie mit mir hören wollte und als ich sagte, dass ich den ziemlich langweilig findet sagte sie, das habe sie sich schon gedacht, ich sollte ihn eher zu Metazwecken hören. Nunja. Jetzt ist er aus, Der junge Mann, der uns in das Apartment einwies, klärte übrigens höchst elegant die Frage, ob wir in einem Bett schlafen oder in zwei verschiedenen Zimmern, wir ließen uns zwei verschiedene Zimmer einrichten, es kann aber auch sein, dass sich hier heute niemand mehr bewegen kann und Frau Herzbruch aus dem Sekundenschlaf in Tiefschlaf übergeht und ich vor Schwäche von der anderen Hälfte ihres Bettes, auf der ich sitze und tippe, nicht mehr hochkomme. Was vorerst nicht schlimm wäre, gegessen, wie gesagt, wird ja nicht mehr und wir haben so gut wie alle Pläne für diese Reise schon erledigt, müssen eigentlich nur noch Granatringe kaufen, das war es schon, die gibt es sicher am Bahnhof, also kein Problem, wenn wir bis Montagmorgen reglos verharren, denke ich. Vielleicht können wir irgendwen anrufen, der den Sekt aus dem Kühschrank ans Bett bringt.

    Donnerstag, 3. November 2022
    3.11.22

    Der Schallschutz meiner Bürotür sei nicht mehr ganz so in Ordnung und man habe uns im ganzen Gang brüllen gehört, wurde mir gesagt. Interessanterweise habe ich selbst kein Brüllen wahrgenommen. Erhobene und sehr nachdrückliche Stimmen sicherlich, aber es war ein Gespräch mit Inhalt, kein Herumbrüllen.

    Ansonsten: alles ist fertig. Bis auf den Koffer, der ist noch nicht gepackt aber das geht gleich ganz schnell, weil ich ja die ewige Packliste habe. Es könnte sein, dass ich Kleidung mitnehme, die nicht warm genug ist, nach wie vor ist es mir ja seit Monaten nicht gelungen, auch nur zu frösteln. Es könnte sein, dass sich das genau an diesem Wochenende wieder ändert. Aber ich bin mir sicher, dann werden Frau Herzbruch und ich dazu eine Lösung finden, mir fallen schon drei Lösungen ein (Kleidung kaufen, Alkohol trinken im Bett bleiben) und Frau Herzbruch weiß bestimmt noch mehr.

    Ich hoffe, Frau Herzbruch weiß auch, wie wir von Nürnberg nach Schwandorf gelangen, dieser Teil der Reise ist nämlich aus meiner Erinnerung verschwunden, weil wir ja eigentlich sowieso von Nürnberg nach Chleb und von dort nach Prag fahren wollten, aber die Strecke gibt es nicht mehr, nur fahren wir von Nürnberg nach Schwandorf und von Schwandorf nach Prag. Egal, irgendwie wird es sich ergeben, es ist auch noch massig Zeit, herauszufinden, wo man einsteigen muss.

    Was ich zusätzlich noch nicht weiß: wer ich in Prag überhaupt sein will. Ich habe schon herausgefunden, dass ich jemand mit bequemen Schuhen sein will, aber will ich auch jemand mit Kontaktlinsen sein oder lieber jemand mit Brille? Das kommt ein bisschen drauf an, ob es regnet oder nicht, die Wetter-App ist unschlüssig und ich bin unschlüssig, ob ich nur für den Fall von Regen 500ml Kontaktlinsenflüssigkeit in den Koffer packen soll. Denn ich bin ja definitiv auch die Person, die nichts tragen will, die bin ich immer, dieser Teil meiner Persönlichkeit ist nicht flexibel. Ich habe aber auch das Gefühl, Frau Herzbruch und ich haben nicht gut abgesprochen, wer wir sein wollen, am Ende geht es so aus, dass wir nicht zueinander passen in den nächsten 4 Tagen. Dann wird es anstrengend, ich habe gerade geschaut, ob wir eigentlich zwei Haustürschlüssel bekommen oder nur einen, aber das steht da nicht. Mir fällt gerade auf, dass ich mir die Unterkunft überhaupt nie richtig angeschaut habe, bei Buchung war das alles noch so weit weg und irreal und plötzlich ist der 3. November. Ich sehe nun gerade, dass es Internet gibt, das ist gut, aus zwei Gründen, erstens, weil es Internet gibt und zweitens, weil ich sonst sehr an mir gezweifelt hätte, ich erwarte von mir, in jedem Geisteszustand darauf zu achten, dass eine gewählte Unterkunft Internet hat. Hat sie aber ja. Alles ist gut, der Puls kann sich wieder beruhigen. Einen Föhn gibt es auch, das ist auch gut und wir haben getrennte Schlafzimmer, ich habe noch nie mit Frau Herzbruch ein Schlafzimmer geteilt, ich muss nochmal kurz überlegen, ob das wirklich stimmt, aber ja, ich habe mit ihrem Hund schon das Bett geteilt aber mit ihr selbst noch nie beim Schlafen dasselbe Zimmer.

    A propros Schlafen, das wäre jetzt eine gute Idee, noch 8 Stunden bis der Zug abfährt. Aber erst noch schnell packen.

    Mittwoch, 2. November 2022
    2.11.22

    One day to go. Ich bin so gut wie fertig, muss morgen noch von 2 - 3 Personen Dinge eintreiben und noch einmal ausgeschlafen über alles drüberschauen, dann ist alles erledigt. Währenddessen hat Herr N. eine Fahrprobe abgelegt und darf nun (wieder) Autofahren und M hat aus zwei Klausuren 15 Punkte (jeweils) mitgebracht. Wir waren also alle sehr umtriebig heute.

    Dann habe ich gekocht, auch unter Benutzung des Backofens und: alles in Ordnung. Er heizt hoch bis zur gewünschten Temperatur, hält diese dann und nach dem Ausschalten kühlt er ab und dann ist alles gut. Ich weiß nicht, was für ein Problem ich da am Montag angenommen hatte. Vermutlich war nichts mit dem Backofen sondern was mit meinem Kopf. Da könnte man jetzt sagen, ohje, dann doch lieber was mit dem Backofen. So unterkomplex ist meine Welt aber nicht, da hat nichts zwei Seiten sondern alles ist eher so ein D120. Dass an meinem Kopf etwas war lässt sich möglicherweise auch viel einfacher beheben als etwas am Backofen, nämlich durch eine gute Mütze Schlaf. Ach ja, heute Nacht wachte ich mit Migräne auf. Egal.

    Ich habe Frau Herzbruch immer noch nicht verraten, was für Kleidung ich für Prag einpacke. Mal ganz dahingestellt, ob ich mir darüber schon Gedanken gemacht habe, vordergründig eher nicht aber so ein Gehirn tut ja zig Dinge im Hintergrund, ich nehme an, da ist schon irgendwo eine Entscheidungsvorlage, die mir Donnerstagabend nach vorn ins Bewusstsein angereicht wird. Bis dahin halten wir alles geheim, ich weiß nämlich nicht, warum Frau Herzbruch das wissen möchte, auch da kann ich mir ungefähr 120 Seiten vorstellen. Beim letzten Urlaub in Venedig war es ja so, dass sie mir vorher Kleidung nach Hause liefern ließ und am Ende waren wir dann exakt gleich gekleidet. Bei kleinen Kinder mag das niedlich sein, bei uns war es glaube ich eher furchterregend. Ich weiß nicht, ob sie wissen möchte, was ich in Prag tragen werde, weil sie dann genau dasselbe anziehen will oder extra etwas anderes oder etwas, das meine Kleidung aufgreift und zu einem perfekten Zweiergesamtbild ergänzt. Alles ist ihr gleichermaßen zuzutrauen.

    So, jetzt muss ich schlafen, ich habe Migräne, viel gearbeitet, viel erlebt, verreise in 32h 34 min und in 8h 07 min ist die Waschmaschine fertig.

    Dienstag, 1. November 2022
    1.11.22

    November, alles ist gut. Außer, dass man beim Leben immer so unglaublich viele Dinge benötigt und die muss man herumschleppen. Ich hasse es, Sachen zu schleppen, ich hasse es so sehr, dass ich sogar in Online-Spielen immer versuche, möglichst wenig Items zu haben. Ich bin häufig die Frau ohne Handtasche, daher immer Kartenzahlung und wenn endlich die Möglichkeit besteht, sich einen Chip irgendwo einbringen zu lassen, mit dem man alle Türen öffnen und alle Dinge bedienen kann wäre ich sofort bereit, von mir aus könnte man mir auch an irgendeiner Stelle, die ich nicht so oft brauche, ein USB-Kabel einbauen und durch Essen würde ich die Energie zum Aufladen vom Handy direkt über meinen Körper bereitstellen, ja, dazu würde ich mich hergeben, besser wäre es noch, wenn ich gar kein Handy bräuchte sondern der Bildschirm in meine Brille eingebaut oder direkt auf meine Netzhaut gehen würde und in den Ohren auch irgendwas, Sie verstehen, wo die Reise hingeht, ich möchte immer die Hände frei haben und kein Gepäck an der Seite oder auf dem Rücken oder sonstwo. Statt dessen scheint es in meinem Leben so zu sein, dass ich immer unendlich viel schleppe, sogar M war nie ein Kinderwagenbaby sondern ein Tragling und dauernd werden irgendwelche Sachen für die Familie angeliefert, die ausgerechnet bei mir landen und ich trage sie dann die Treppe hoch. Zusätzlich trage ich noch die Last der Verantwortung, aber das ist ein ganz anderes Thema.

    Ich habe vergessen, worauf ich hinauswollte. Also erzähle ich etwas Tolles: Ich habe heute mein Kind gesund gemacht. So wie bei dem Bären und dem Tiger - ich mach dich gesund, sagte der Bär. Und so sagte ich, naja, ich schrieb per WhatsApp dem Kind aus dem Büro, wir leben ja nicht irgendwo hinter Panama, also sprechen wir nicht sondern schreiben. Das Kind schrieb mir, es habe Fieber und alles täte weh und wann ich komme, ich sagte gegen 19 Uhr und dann mache ich dich gesund. So war es, ich kam gegen 19 Uhr, ich beschnupperte das Kind an Stirn, Hals und Händen, weil ich mir einbilde, am Geruch feststellen zu können, ob eine Krankheit ernstzunehmen ist oder nicht - das Kind lachte mich aus, egal, ich habe meine Erfahrungen gemacht und Papa N. konnte das auch. Ich stellte jedenfalls fest, dass kein Grund zur Sorge besteht, das Kind roch nur ganz wenig krank, eher erschöpft und nach Schlaf und Unterzucker. Also gab es zwei Sorten Essen, Tee, zwei Sorten Süßigkeiten und Eis und viertelstündiche Betüddelung, jetzt ist das Fieber weg, die Gesichtsfarbe wieder gut und es wird am Rechner gezockt. Ich bin zufrieden.

    Sowieso bin ich zufrieden. Am Donnerstag endet ja meine Deadline, ich werde vermutlich morgen fertig weil ich alle ausreichend genervt habe, dass sie lieber verfrüht geliefert haben als sich weiter mit mir auseinanderzusetzen, also kann ich dann Donnerstag nochmal scharf nachdenken, ob ich irgendwas übersehen habe und dann ist es auch gut. Also für ein paar Tage, dann kommt das nächste große Ding, so geht das jetzt bis kurz vor Weihnachten. Aber erst einmal fahre ich nach Prag. Frau Herzbruch will wissen, welche Jacke ich anziehe, ich hatte aber noch keine Gelegenheit, mich mit den Prager Wetterverhältnissen am Wochenende vertraut zu machen, weiß auch nicht, ob ich das noch schaffe, denn immer wenn ich an "Wetter Prag" denke, denke ich sofort danach "Prager Frühling" und dann bin ich so unglaublich genervt, dass ich das denke, dass ich vergesse, nach dem Wetter zu schauen. Das darf als Aufforderung verstanden werden.

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