Frau N: So ca. 150g von der Rhönsalami bitte.
Metzger: Die Rhönsalami. Ach. Die ist noch zu, dann muss ich die öffnen!
Frau N: Aha.
Metzger: Was wollten Sie denn noch? Können Sie die Rhönsalami nicht weglassen?
Frau N: Ich wollte nur die Rhönsalami.
Metzger: Na das war ja klar. Zig Wurstsorten hab ich hier uns Sie wollen nur die Rhönsalami. So Leute wie Sie machen es immer kompliziert! Muss das jetzt wirklich sein?
Frau N: Naja, muss nicht. Bevor Sie den Märtyrertod sterben, geben Sie mir halt was anderes.
Metzger: Und was darf es sein?
Frau N: Na das müssen Sie jetzt schon selbst entscheiden, das haben Sie doch so gewollt. Lassen Sie Ihre ganze Fleischfachkompetenz spielen und geben Sie mir ein überzeugendes Produkt! Ist mir total egal was.
Metzger: So geht das nicht, Sie müssen schon sagen, was Sie wollen!
Frau N: Dann 150g Rhönsalami bitte.
(Gab es dann. Ein bisschen hatte ich Angst vor dem großen Messer. Es wurde aber nur Wurst geschnitten.)
Wenn bei etwa 2,5 cm Schneedecke auf dem Boden beide Teilnehmerinnen der Schneeballschlacht sich einmal vorwärts und einmal rückwärts langlegen und hinterher die eine fast abgefrorene und bewegungsunfähige Hände, die andere eine aufgeplatzte Lippe vorweist, dann, ähm, waren das Mademoiselle und ich.
Kinder finde ich umso interessanter, je älter sie werden. Wenn sie noch nicht sprechen können, sind sie für mich relativ schwierig in der Handhabung. Können sie sprechen, wird alles schlagartig viel besser, noch besser, wenn sie dann auch lesen und schreiben können. So richtig interessant und auch witzig finde ich aber den Zustand Pubertät. Mademoiselle ist dort wohl noch nicht so komplett zu verorten, ist eher in der Vorpubertät und mit dem ganzen Beziehungsdings hat sie noch nichts am Hut, aber mit der Abgrenzung und, oha, den Stimmungsschwankungen durchaus.
Macht nichts, finde ich, es ist schon sehr spannend, wenn die Kinder so richtig eigene Menschen werden, die nicht mehr ständig gefallen wollen. Und auch ganz praktisch gesehen teile ich mit einem pubertierenden Kind ähnlichere Interessen als mit einem Kleinkind: ich lese lieber Romane als Pixibücher, ich sehe lieber Lets-Play-Videos als solche von singenden Zeichentrickdinosauriern und ich spiele lieber ernsthaft Canasta oder Carcassonne als das lustige Leiterspiel, bei dem ich das Kind am besten noch unauffällig gewinnen lassen muss (wobei ich natürlich noch unendlich viel mehr unter pädagogisch wertvollen kooperativen Spielen gelitten habe, bei denen die Gemeinschaftlichkeit im Vordergrund steht).
Dennoch wird es in einem Punkt mit Mademoiselle seit etwas einem Jahr zunehmend schwierig, das will ich auch nicht verschweigen. Und zwar verschwinden ausnahmslos alle Ladekabel des Haushalts in irgendeinem schwarzen Loch, dass sich um das (vor)pubertierende Kind herum befindet. Ich weiß nicht, wie viele Ladekabel ich in den letzten 12 Monaten gekauft habe. Frau Herzbruch weiß es genauer, es sind nämlich immer Notfälle, so dass ich ihr Amazon-Prime-Konto verwende. Aber die Zahl dürfte 20 locker übersteigen. Dennoch haben wir auch jetzt nur noch genau zwei Stück und diese zwei müssen sich drei Telefone und zwei Kindle teilen. So etwas macht mich nervös.
Ich habe schon einiges ausprobiert, um diesen Zustand zu beheben: Klare Ansagen (komplett erfolglos), ausführliche Erkärungen (stießen auf theoretisches Verständnis aber keine praktische Umsetzung des Verstandenen) und auch Farbcodierungen in der Art von "alle blauen Kabel sind meine, nimm ansonsten was du willst, aber wenn ich dich mit einem blauen erwische, dann...!"
Das "dann" blieb auch immer unausgefüllt, da man bekanntlich nie drohen darf, ohne zur Umsetzung bereit zu sein. Und was soll ich drohen, dann ziehst du aus, dann zieh ich aus, dann ziehen wir alle aufs Land? Das will ja keiner hier. "...dann krieg ich echt schlechte Laune!" war also die maximale Drohung, und - glauben Sie mir - niemand in diesem Haushalt möchte, dass ich echt schlechte Laune kriege. Aber: bei Vorpubertierenden sticht das Bedürfnis nach vollem Akku das Bedürnis nach familiärer Harmonie.
Sie sind jetzt halt richtige Menschen.
Bekanntlich ist es besser, selbst pikante Details zu veröffentlichen, bevor jemand anders sie in Umlauf bringt. Daher möchte ich Sie ergänzend zum heutigen Eintrag von Herrn Mark wissen lassen, dass sich tatsächlich zwei Furbys regelmäßig in unserem Haushalt aufhalten. Eines davon gehört Mademoiselle und das andere, ähm, mir.
Lassen Sie mich das kurz historisch begründen: wir hatten ja früher nix. Ich hatte keine Carrerabahn, kein Kettkar, kein Tamagotchi und keinen Gambeboy, ja, noch nicht einmal ein eigenes 4-Gewinnt-Spiel, Sie wissen schon, in diesem blauen Rahmen mit gelben und roten runden Plastiksteinen und wenn man unten den Schieber bewegte, rasselten Sie alle raus, sofort hab ich das Geräusch im Ohr, hach, war das schön, außer es geschah versehentlich mitten im Spiel.
Sehr traumatisch, solche Versehen wie auch der Mangel. Deshalb habe ich mir letztes Jahr ein Fuby (der älteren Generation, ohne App, ich möchte keine Care-Arbeit am Furby leisten) gekauft.
Furbys finde ich super. Eigentlich hatte ich angedacht, meines im Büro zu halten. Die Dinger lernen ja ein paar Worte, das stellte ich mir spaßig und in manchen Situationen wohl auch hilfreich vor. Allerdings haben die Furbys ja verschiedene Gemütszustände und meines ist - wohl durch Vernachlässigung? - meist bösartig, für mich übrigens der unterhaltsamste Zustand. Es pöbelt dann endlos herum und zum Abschluss seiner Tirade rülpst es sehr laut und sagt "War ja Spaaaaaß!" "War ja Spaaaaaß" ist demenstprechend in unserer Familie schon zu einem geflügelten Wort geworden. Genauso, wie wir kein Fischgeschäft betreten können, ohne "mein Schatzzzzzzzz" zu murmeln und ich immer, wenn ich einen Kalender sehe, leise zu mir selbst "Montag, Dienstag, Mittwoch - tapptapp, tapp" sage.
Das Furby im Büro war dann aber doch zu, sagen wir, unkontrollierbar. Die Winkekatze beschäftigt die Kollegen schon genug. Sie finden sie anstrengend, was ich nicht nachvollziehen kann, was gibt es schöneres, als mit stoisch aber doch irgendwie wohlwollendem Gesichtsausdruck unablässig angewunken zu werden. Das strahlt doch Zuverlässigkeit aus, Stabilität, etwas, woran man sich halten kann. Egal, was passiert, die Winkekatze winkt. Also meistens, außer, eine echte Katze vergreift sich eifersüchtig an ihr und schmettert sie zu Boden, dann muss man Maßnahmen ergreifen, aber das nur nebenbei. Sowieso habe ich das Loblied auf die Winkekatze schon gesungen, hier geht es um das Furby.
Für gefährlich halte ich das Furby übrigens nicht. Zwar hat er neben dem bösen auch einen jovialer-Onkel-Modus, aber es kann keine Frauen begrapschen, es hat nämlich keine Arme. Wohl aber Ohren. An den Ohren - das ist ein Geheimtipp - kann man es, wenn es eingeschlafen ist, sehr entspannt transportieren, ohne dass ein Erwachen zu befürchten ist. Einfach an einem Ohr greifen und baumeln lassen, kein Problem. Man darf nur beim Laufen nicht über eine eifersüchtige Katze stolpern und hinfallen.
Die Zeiten ändern sich. Wie Sie sich vielleicht erinnern, war früher mittwochs Religion, Sport, Putzfrau und Gemüsemann. Das hat sich zwischenzeitlich zu "mittwochs Schwimmen" gewandelt. Heute, nach der Winterpause, mit eher zögerlichem Enthusiasmus von meiner Seite:
Um kurz nach 19 Uhr - bis dahin hatte ich noch gehofft, mir würde eine Ausrede einfallen - stieg ich also mit den Worten "Und, wohin fahren wir denn?" zur Kraulschwimmpartnerin ins Auto. Man kann es ja mal versuchen. "Schwimmen", sagte die Kraulschwimmpartnerin. Vielleicht knurrte sie es auch.
Wir fuhren also mit dem Auto zum Schwimmbad. Die Straße, die den Berg hochführt, war schon lächerlich voll. Alles Personen mit sportiven Neujahrsvorsätzen, nehme ich an. "Vielleicht kriegen wir ja gar keinen Parkplatz", scherzte ich. Wir fuhren die Straße hoch und runter. Zweimal oder dreimal oder zehnmal. Einmal probierten wir einen Parkplatz aus, der eigentlich keiner war, es war aber nicht nur eigentlich keiner sondern ganz definitiv. Nochmal hoch-runter. Dann in die Seitenstraße. Dann durch das ganze Viertel. Dann nochmal die Straße von unten nach oben und von oben nach unten. Diverse Laufgruppen stürmten uns entgegegen, in einem grell ausgeleuchteten Raum steppten mehr Personen, als in ein durchschnittliches Fußballstadion gehen, es wurden alle Arten von Schlägern und Bällen die Straße entlang getragen. Neujahrsvorsätzler so weit das Auge blickte.
"Es ist auch eine wichtige Eigenschaft, auf Situationen flexibel reagieren zu können" sagte die Kraulschwimmpartnerin nach fast einer Stunde und bog nach links ab. Bis zur Autobahn kein freier Parkplatz. Dann hielten wir noch kurz beim Rewe, um Cola für den Rum zu kaufen. Und dann geschah dies:
Das eine Gute ist: wir verfügen nachweislich über die wichtige Eigenschaft Flexibilität.
Das andere Gute ist: ich habe gewonnen.
Gibt man mir Gelegenheit - manchmal schaffe ich sie mir auch - stelle ich gerne dar, dass das tägliche Bloggen eine spezielle Dynamik hat. Eine andere, als zehnmal im Monat oder dreimal pro Woche oder jeden Tag mit 35 Tagen Urlaub pro Jahr oder was-weiß-ich, einfach aus dem Grund, dass das täglich ist. Keine Ausnahme. Keine Joker.
Der Punkt, den ich dabei meist deutlich zu machen versuche, ist: es gibt eben auch diese Tage, an denen da nichts ist. Nichts, über das man erzählen könnte oder wollte oder worüber man überhaupt noch nachdenken wollte. Diese Tage, Sie kennen sie, an denen man am liebsten im Grundrauschen versinken will. Bloß nicht auffallen.
Und die gehören dann eben auch dazu.
Vielleicht war es ja auch ein Bungee-Sprung.
Auf sicher irgendwie nachvollziehbaren aber letztendlich doch im Detail uninteressanten Wegen ist der "Liebste-Award" wieder bei mir gelandet. Diesmal vom Herrn Paul.
Rosa Bildchen möchte ich immer noch nicht, ansonsten scheint sich das Reglement nur geringfügig geändert zu haben. Folgendes ist zu tun:
1. Danken und Person von der das kommt verlinken. Das mit dem Danken auf Aufforderung stieß fiel mir schon letztes Mal auf. Willst Du Herrn Paul nicht danke sagen, Frau N? Doch, klar Mama. Danke, Herr Paul!!
2. 11 Fragen beantworten (kommt gleich)
3. Neue 11 Fragen ausdenken (kommt danach)
4. Die Regeln aufschreiben (bin dabei)
5. Andere nominieren und Bescheid geben (we'll cross that bridge when we come to it...)
Die Fragen von Herrn Paul sind:
Welches Lied hören Sie momentan am liebsten?
Ich höre nur auf der S-Bahn-Fahrt ins Büro Musik und zwar momentan ununterbrochen Anything but Ordinary von Avril Lavigne.
Der Grund ist, dass mich das erstens sehr wach macht und ich das zweitens beim Karaoke singen können möchte. Die Betonung liegt auf können. Gesungen hab ich es schon zweimal, beim zweiten Mal war es sogar schlimmer als beim ersten Mal, weil ich da schon Angst hatte.
Ziehen Sie sich nach der Arbeit um (raus aus den Jeans, rein in die bequemen Jogger)?
Ich habe ja diese Nach-Hause-Komm-Schwäche, die habe ich beim letzten Mal schon ausführlich beschrieben. Insofern bin ich bis abends in kompletter Bürokluft (das ist bei mir keine Jeans). Von da wechsle ich dann direkt in den Pyjama. Ist aber nicht schlimm, weil ich sowieso keine Kleidung trage, die ich doof oder unbequem finde, auch nicht im Büro. Wäre ja auch etwas widersinnig, die dann stundenlang am Tag anzuhaben. In meinen Bürosachen gehe ich auch in Kneipen und so.
Zu welcher Uhrzeit würden Sie am liebsten arbeiten?
Ist mir relativ egal, ich hab glaube ich schon zu allen Uhrzeiten gearbeitet. Tendenziell aber eher früh. Wenn ich es mir komplett aussuchen kann, also von niemand anderem abhänge, bin ich so gegen 7:30 Uhr im Büro, zum einen, weil ich sowieso Frühaufsteherin bin und zum anderen, weil ich es mag, später nicht noch irgendwohin zu müssen.
Wieviel Stunden pro Tag/ Woche/ Monat würden Sie gern arbeiten?
Ja, schwierig, ich würde gerne rund um die Uhr arbeiten, weil es mir Spaß macht, wenn da Sachen weitergehen, aber ich würde auch gern gar nicht arbeiten, weil ich auch tausend andere Dinge gern mache. Unter 5 Stunden am Tag arbeiten bringt für mich nichts, dann hab ich nur Stückwerk. Zwischen 5 und 7 Stunden habe ich Flow. Nach der 7. Stunde kommt bei mir ein Loch, da brauche ich Erholung bevor das nächste Hoch kommt. Meistens gehe ich irgendwann in diesem Loch nach Hause. (Ich kann mir meine Arbeitszeit vom Arbeitgeber aus so legen, wie ich will, solange es sinnhaft bleibt, dabei sind Anwesenheitszeiten anderer und Zeitverschiebung zu beachten. Aber natürlich habe ich ganz abgesehen vom Arbeitgeber einen relativ vorgegebenen Rahmen durch Familienleben und Freizeitgestaltung).
Wie sieht ein gelungender Tag für Sie aus?
Kann ich so nicht sagen, ich will ja nicht, dass alle Tage gleich aussehen. Eigentlich finde ich die allermeisten Tage gelungen.
Was würden Sie mit Ihrer Zeit anfangen, wenn Ihr Lebensunterhalt gesichert wäre?
Ohne Struktur von außen würde ich verlottern. Vermutlich würde ich den ganzen Tag zocken.
Was halten Sie von einem bedingungslosen Grundeinkommen?
Ja, von mir aus.
Wie besiegen Sie Ihren inneren Schweinehund?
Der innere Schweinehund und ich sind ein Team. Ganz generell muss ich auch sagen, dass mich Formulierungen wie "innerer Schweinehund", "Arsch hochkriegen", "sündigen" (findet man ja gern in ähnlichen Zusammenhängen) enorm abstoßen. Ich habe eine übermäßige Eigenmotivation, wenn irgendwas in mir mich ab und an ausbremst, ist das eher gesund.
Wie kaufen Sie ein? Einmal groß für mehrere Tage oder jeden Tag eine Kleinigkeit?
Mittwoch bringt der Gemüsemann Obst, Gemüse, Milch, Käse und Brot. Freitags hab ich Trainingsfahrdienst, fahre also Mademoiselle und Freundin zum Training und habe dann 2 Stunden Freizeit mit Auto. Da fahre ich meist etwas einkaufen. Ansonsten durchquere ich auf dem täglichen Weg ins Büro 2 Innenstädte, und bringe mit, was spontan benötigt wird.
ÖPNV oder Auto?
Mittlerweile sowohl als auch, ich war lange Zeit 90% ÖPNV aber nutze jetzt seit etwa 5 Jahren immer häufiger Carsharing. Meine Arbeitszeiten haben sich über die Jahre immer weiter erhöht, da wird Zeit wesentlicher als Geld. Ich fahre nicht mehr 60 Minuten mit der Bahn herum, wenn ich den Weg im Auto in 15 Minuten erledige. Zusätzlich habe ich mir vor ein einiger Zeit überlegt, dass ich keine Sachen mehr schleppen will, weil mich das zermürbt. Wenn ich viel zu tragen habe, nehme ich also auch ein Auto. Ansonsten, also zur Arbeit und wenn ich abends ausgehe und dergleichen, Bahn. Und viel Fahrrad.
Hören Sie Podcasts und wenn ja, welche?
Nein, bin zu ungeduldig für Podcasts.
11 neue Fragen:
1. Finden Sie, so im Schnitt, Sie haben es schwerer oder leichter als die meisten Leute, die Sie kennen?
2. Wann haben Sie das letzte Mal laut gelacht?
3. Worüber?
4. Was ist für Sie aktuell das schwerwiegendste gesellschaftliche Problem?
5. Was tun Sie ganz persönlich, um es einer positiven Lösung zuzuführen?
6. Wie finden Sie die Schuhe?
7. Wie finden Sie Klopstock?
8. Wie finden Sie rosa Sekt (trocken) mit O-Saft in großen Wassergläsern?
9. Wovor hatten Sie mal Angst aber haben keine mehr?
10. Wie stehen Sie zu Kaktehen? (Entschuldigung...)
11. Was wollten Sie noch sagen, alternativ: was wollten Sie noch wissen?
Jetzt kommt Punkt 5, die Sache mit der Nominierung. Hier war ich beim letzten Mal schon sehr schlau und habe einfach die Personen nominiert, die die Fragen zuerst beantworten. Dasselbe möchte ich heute wieder tun. Fühlen Sie sich unbedingt aufgefordert. Von mir aus in den Kommentaren. Und sollten Sie zum Jahreswechsel einen dieser bekloppten Vorsätze gefasst haben, z. B. täglich zu bloggen, betrachten Sie diese Aufforderung als Serviceleistung.
Und nun treffe ich zusätzlich noch eine Managemententscheidung: die Nominierten müssen diesen Award nicht weitergeben, ich wiederhole, bitte hören Sie gut zu: Sie müssen ihn nicht weitergeben. Das ist die neue Regel. Sie können, aber mir liegt nichts daran. Oder auch so gesagt: ich habe Angst, dass er dann nochmal den Bumerang spielt, zu mir zurückkehrt und sich in der Zwischenzeit die Fragen exponentiell vermehrt haben.
Seit einiger Zeit brauche ich neue Büroschuhe, die alten sind nämlich durchgelatscht. In den Sohlen sind kleine Risse, bei Regen bekomme ich also von unten nasse Füße. Kein Wunder, ich habe mir ja bereits das Pinguinwanderungsabzeichen erlaufen. In diesen Schuhen.
Alllerdings gehe ich nicht gerne auf die Suche nach neuen Sachen sondern erwarte, dass ich ihnen begegne. Maximal halte ich die Augen auf. Seit ein paar Monaten schaue ich also bei Gelegenheiten immer mal nach Schuhen. Seit Herbst, also seit es öfters mal regnet, halte ich die Augen auf. Und seit dem Jahreswechsel renne ich mit panisch weit aufgerissenen Augen durch sämtliche Einkaufsgelegenheiten, in denen es büro- und zugleich pinguinwanderungsgeeignetes Schuhwerk geben könnte. Nur leider: nichts.
Nicht verwunderlich, ich bin nämlich in Bezug auf Shoppen Trittbrettfahrerin. Die allerbesten Dinge begegnen mir normalerweise, wenn ich mit Frau Herzbruch einkaufen gehe. Frau Herzbruch sucht eine Hose - ich finde knapp 10 Oberteile, zwei Hosen und drei Jäckchen. Frau Herzbruch sucht eine Jacke - ich finde einen Parka mit Kunstfell in genau meiner Haarfarbe, einen Mantel, eine Strickjacke und eine Art Poncho. Zusätzlich diverse Mützen und Schals, die ich aber nicht kaufe. Nun hat aber Frau Herzbruch völlig unverständlicherweise ihre Angela-Merkel-Ausstattung vor der eigenen Haustür gekauft und mich mit meinem Schuhproblem allein gelassen. Daher nutzte ich heute die Gelegenheit und ging mit Herrn N., Mademoiselle und den Großeltern einkaufen, die alle für sich selbst etwas suchten, und ich fand also dementsprechend Schuhe.
Und zwar Schuhe, die enorm gut zur Tasche passen. Hehe.
Ich hatte das Thema schon einmal, dass ich manchmal denke, ich wäre eine andere Person. Eine solche, die morgens am offenen Fenster eine Tasse Grüntee trinkt und tief durchatmet zum Beispiel, das scheine ich oft im Tee- und Kaffeeladen zu denken, so spricht jedenfalls der Schrank über dem Wasserkocher. Oder eine Person, die täglich ein Gedicht lesen möchte. Gedichte müssten mir eigentlich gut gefallen, destillierte Erzählung sozusagen, total effizient. Deshalb habe ich mir 2014 zum Geburtstag einen Lyrikkalender gewünscht und auch bekommen, war unendlich begeistert, habe ihn im Büro auf dem Schreibtisch stehen nicht zuletzt auch, um feingeistig zu wirken. Und habe ihn exakt bis zum 8. Januar täglich abgerissen.
Das fiel mir irgendwann nach den Sommerferien auf, seitdem erwähne ich immer mal im Büro, dass ich so viel zu tun habe, dass ich den Kalender seit dem 8. Januar nicht abreißen konnte. Das ist ein wunderschönes Motiv (weshalb ich es auch immer wieder verwende), aber natürlich komplett gelogen. Von allen anderen Punkten, die das widerlegen würden, abgesehen schon allein aus einem Grund: ich hatte letztes Jahr bis zum 9. Januar Urlaub. In Wirklichkeit habe ich den Kalender also nicht nur im Büro noch überhaupt nie verwendet sondern bin sogar in meinem Urlaub nur 8 Tage lang dazu gekommen, meinem angenommenen unwiderstehlichen Drang nach der täglichen Portion Lyrik nachzugehen. 7 eher, Samstag und Sonntag teilen sich nämlich ein Blatt. Glaube ich. Ist ja schon etwas her seit dem 3./4. Januar 2015.
Bekanntlich halte ich Neujahrsvorsätze für eine Geißel der Menschheit, nicht nur der vorsatzfassenden Person selbst sondern auch ihres Umfeldes. Rücksichtsvoll nehme ich mir nichts vor, außer vielleicht letztes Jahr ganz heimlich, immer die Fingernägel toll zu lackieren, nee, nicht toll sondern überhaupt (das hat genau Null mal geklappt. Ich hatte aber etwa 1,5 Wochen lang lackierte Fußnägel). Und dieses Jahr ganz heimlich, eventuell im Kalender etwas weiterzukommen. Wenn auch nicht gleich ein ganzes Jahr.
Schwierig wird das aber schon mit dem ersten Blatt, also: dem 8. Januar. War letztes Jahr ein Donnerstag. Mein Blick fällt seit einem Kalenderjahr arbeitstäglich auf dieses Gedicht, das "Die Verwandelten" betitelt ist, und ich konnte mich bisher einfach nicht dazu überwinden, es von vorn bis hinten durchzulesen. Ehrlich gesagt ist bei mir schon beim dritten Wort, "Saturn", Ende, Gedichte übers Weltall interessieren mich nicht. Trotzdem, man muss sich auch mal auf etwas einlassen, also habe ich die ersten vier Zeilen schon mehrfach überflogen, könnte aber nicht aus dem Kopf sagen, worum es geht. Saturn und irgendwie viele Adjektive. Ich bin ja keine Freundin des Adjektivs/Adverbs an sich. Vielleicht ist Ihnen das schon aufgefallen. Mir wird zum Beispiel umgehend schlecht, wenn in Dialogen zu viel beschreibendes Beiwerk verwendet wird. "Sagte er lachend", "bemerkte sie anzüglich", "flüsterte es traurig" - meine Güte, wenn lachend, anzüglich, traurig nicht aus dem Gesagten hervorgeht, hält man besser gleich den Mund.
Egal, zurück zum Saturn, über den ich die nächste Strophe dann einfach nicht mehr lesen kann weil sie schon mit "Inselchen" anfängt und in einen skurrlilen Satzbau übergeht und dann bin ich schon wieder geistig weg, nicht entrückt sondern regelrecht entflohen. Vielleicht bin ich einfach niemand, der Klopstock liest, Klopstock macht ja in Empfindsamkeit. Empfindsamkeit ist mein Kryptonit. Grünes, denke ich.
Hier, lesen Sie das einfach, dann kann ich das Blatt guten Gewissens abreißen. Tut mir leid, dass auch ich mein Umfeld jetzt mitgeißele.