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    Mittwoch, 4. März 2020

    An meinem Konferenztisch sitzt Frau Fragmente und bloggt, ich sitze an meinem Konferenztisch und blogge über Frau Fragmente.

    Frau Fragmente befindet sich in Bezug auf unser Blogprojekt gerade in der ersten Trotzphase. Seit wir hier sitzen - seit etwa einer Stunde - entwarf sie diverse Szenarien, in denen es ihr möglicherweise trotz vereinbartem Blogtermin nicht notwendig wäre, einen Text online zu stellen. Ich schloss diese Möglichkeit in allen Fällen aus. Sie werden also weiterhin wöchentlich, von einer Urlaubsabwesenheit abgesehen, einen Text von Frau Fragmente online finden und sogar an der Urlaubsabwesenheit arbeite ich noch: möglicherweise ist die Routine bis dahin so etabliert, dass Frau Fragmente auch unbetreut bloggt.

    Kurz tat Frau Fragmente nach meiner Absage hinsichtlich "Ausnahmeregelungen" geknickt, sackte in sich zusammen und ließ den Kopf hängen. Das muss uns aber nicht beunruhigen, es ist eine einstudierte Körperbewegung, einer Geste gleich, die sie laut eigenen Aussagen auch im Büro anwendet, wenn der Chef schimpft. Prompt wechselte sie auch ihre Taktik und zog eine Liste aus der Tasche, nicht etwa mit Blogthemen sondern mit Themen, die sie noch mit mir besprechen wollte und auch Themen, die sie mit anderen besprechen wollte und von denen sie mir mal berichten wollte, bei Gelegenheit, also jetzt. Absurder wird es heute nicht mehr, ich habe sie auf die Heimfahrt vertröstet und jetzt wird endlich geschrieben.

    Frau Fragmente trägt heute eine sehr schöne neue Hose, sie bat mich, das zu erwähnen.

    So langsam kommt sie auch in Schreibfluss, so zielstrebig wie beim letzten Mal ist sie aber nicht. Ungefähr 50% Verteilung zwischen Buchstabentasten und Delete-Taste. Mir selbst fällt das Konferenzraumsetting ein wenig schwer, ich springe bekanntlich normalerweise ständig auf und laufe irgendwo hin, das bietet sich hier nicht an. Würde ich den Raum verlassen, wäre ich ja sofort mitten im Büro und käme vermutlich so schnell nicht wieder zurück. Im Raum selbst ist aber absolut nichts, rein gar nichts zu tun. Die Getränke sind bald leer, da könnte ich Nachschub holen, aber sonst fällt mir beim besten Willen nichts ein.

    Viel erlebt habe ich heute nicht. Im Büro gab es eine sehr lustige Situation. Wie ich schon häufiger berichtete, scharmützelt der Sizilianer in meinem Auftrag recht heftig mit der Hausverwaltung, es geht - natürlich - um Kosten und wer sie trägt, im Idealfall nämlich nicht ich. Um rund 35% hat er die Kosten im letzten Jahr senken können, nun wurde die Hausverwaltung aber immer störrischer und um weitere gute Argumente zu finden, las der Sizilianer den Mietvertrag von vorne bis hinten.

    Unglücklicherweise fand er darin eine Passage, die besagt, dass wir absolut total nicht im Recht sind. Über diese Passage staunten wir heute ein wenig, lachten dann viel, ich schnitzte ihm gestenhaft einen Streifen auf die Schulter, weil er, ohne auch nur im Recht zu sein, so viel erreicht hatte und wir beschlossen, das Thema nun elegant peu à peu einschlafen zu lassen. Man darf nicht überreizen.

    Außerhalb des Büros habe ich mich heute morgen über etwas sehr gefreut. Eigentlich begann die Freude schon letzte Nacht. Das kam so: vor ein paar Tagen postete eine Freundin auf Twitter ein Foto von einem Gemälde, von einem Ausschnitt eigentlich nur, das schaute ich mir an und fand es interessant. Als Hintergrund muss man wissen, dass ich "Probleme" mit Bildern habe. Bilder sind mir immer zu viel und nicht linear genug. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll zu schauen, links oben, von unten hoch, Gesamtansicht und dann reinzoomen? Und dann sind da so viele Details, einmal Pinselstriche und Farben, die dann auf einer anderen Ebene ein Bild ergeben und darüber liegt noch einmal eine weitere Ebene, nämlich die Zeitgeschichte und die Autobiographie des Künstlers, das alles auf maximal ein paar Quadratmetern, das ist mir einfach zu viel. Ich bekomme beim Ansehen von Kunst ein Gefühl im Kopf, das Migräne ähnelt, alles zu viel, kompletter Lockdown. Wenn ich in Kunstmuseen gehe, bekomme ich echte Migräne.

    Dennoch interessieren mich Bilder, ich kann sie eben nur in sehr kleinen Häppchen verdauen. Also was tun?

    Ich habe mir angewöhnt, Twitter zu fragen, wenn ich nicht weiß, was zu tun ist. Damit habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht, vor ein paar Tagen eben auch wieder. Ich fragte nämlich, ob nicht zufällig jemand Lust hätte, einmal pro Woche ein Bild vorzustellen. In kleinen Twitterhäppchen halt. Und tatsächlich hatten Personen Lust, ist das nicht völlig grandios?! Gestern kam die erste Bildvorstellung, Sie können das hier nachlesen, bei dem Bild handelte es sich um Inger am Strand von Edvard Munch, vorgestellt von @fandorin. Wie wunderbar kann das Internet sein! Ich las gestern erst einmal nur, wollte die Beschreibung über Nacht sacken lassen, schaute mir das Bild erst heute morgen an. Und freute mich dann noch einmal, weil ich die Beschreibung im Bild wiederfand, oder das Bild in der Beschreibung, wie auch immer. Schauen Sie einfach selbst.

    Frau Fragmente fragt, wie viel ich eigentlich noch schreiben will. Nicht zielstrebig heute, ich sagte es ja bereits!

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