Ich war heute mit Mademoiselle in einer Drogerie und sie wollte dort gerne einen Klostein kaufen. Heißt vermutlich heute nicht mehr Klostein, was ich meine, ist ein durchdesigntes Dings in mindestens zwei Farben mit irgendeinem fancy Duft, das man unter den Toilettendeckel hängt, wo es vom Wasser umspült wird. Klostein halt.
Ich reagierte zögerlich. Mademoiselle war vehement. Es erschien ihr sowieso schon seit langem verdächtig, dass sich in unserem Haushalt kein solches Utensil findet, das doch für Hygiene wie Wohlbefinden gleichermaßen unabdingbar ist. Ich fragte sie, wozu wir wohl aufgeschäumtes und parfümiertes Wasser im WC benötigen würden. Mein Kind verwies darauf, dass das super sei: sie habe das im Fernsehen gesehen. Und - legte sie nach, weil sie weiß, dass ich Fernsehen nicht ernst nehme - auch irgendwo davon gelesen.
Über das Thema Werbung müssen wir sicher nochmal genauer sprechen. An mir selbst fiel mir aber auf, dass ich nicht so sehr über die offensichtlich erfolgreiche Werbekampagne des Henkel Konzerns amüsiert war, sondern generell über die Idee, man könne an irgendetwas fest glauben, weil es im Fernsehen kommt oder in der Zeitung steht. Oder von mir aus im Internet. Auch wenn ein Politiker was sagt, hat das für mich kein Gewicht. Experten hinterlassen mich gleichermaßen skeptisch, was weiß ich denn, wer dieser Experte ist, wer ihn bezahlt und wer ihn überhaupt Experten nennt?
Es ist nun nicht so, dass ich glaube, selbst alles besser zu wissen. Ich glaube eigentlich gar nichts. Alles, was irgendwer sagt oder schreibt, halte ich in erster Linie für Meinung. Mal fundierte, mal weniger fundierte, mal interessant formuliert, mal weniger, aber: Meinung. Nix Genaues weiß man nicht. Insofern gehöre ich nie zu den Leuten, die völlig erstaunt oder verletzt sind, wenn eine vermeintlich abgesicherte Expertenmeinung dann ein paar Jahre später doch wieder gekippt wird. Im Ausgleich dafür befinde ich mich aber in einem permanenten Schwebezustand, in dem es keine Wahrheit gibt.
Woher diese Haltung stammt und wann sie begann, überlegte ich. Zu Hause hatten wir früher durchaus eine Tageszeitung und man nahm an, dass das, was darin stand, stimmte und auch die 20-Uhr-Nachrichten wurden täglich geschaut und als sichere Informationsquelle über die Lage der Welt betrachtet. Wann ist das gekippt? Mir ist kein Zeitpunkt bewusst.
Vor ein paar Jahren, ungefähr, als ich Mutter wurde, habe ich Mama N. mal nach ihren Erziehungsgrundsätzen gefragt - also, ob es solche gab, und wenn ja, welche. Beim ersten Kind habe sie sich noch sehr von anderen beeinflussen lassen, sagte sie mir, und habe Sachen gemacht, die ihrem Gefühl eigentlich widersprachen. Bei mir - dem jüngsten Kind - habe sie sich komplett auf ihr Bauchgefühl verlassen. Vorbild und Liebe. Und sie habe versucht, uns so zu erziehen, dass keine von uns sich je von irgendwem würde einschüchtern lassen, nur weil diese Person eine wichtige Position hat oder eine Autorität ist.
Möglicherweise sind wir mit letzterem etwas über das Ziel hinaus geschossen. Aber ich beobachte auch in meinem Umfeld, dass alles - alles - mit einer gewissen, mit einer gesunden, aber vielleicht auch mit einer größeren Portion Misstrauen betrachtet wird. Stand in der Zeitung? Nunja, haha. Gibt es eine Studie? Chrchr, wer hat die in Auftrag gegeben. Ich kenne wen, der? Mhm, ich kenne wen, der genau anders.
Vielleicht müssen wir uns aber auf irgendeine Wahrheit einigen, damit es weitergeht. Wenn jeder jede Situation neu bewertet, anders bewertet, bindet das doch viel zu viel Energie. Und ich kann natürlich gar nicht alles für mich selbst herausfinden, das mich intereressiert. Ich kann nicht in alle Krisenregionen dieser Welt fahren und schauen, wie es dort wriklich ist. Ich kann nicht alle Forschungen selbst durchführen, jedes Produkt bis zum Ursprung zurückverfolgen, jeden von irgendwas Betroffenen selbst befragen.
Aber wie geht das mit der Wahrheit? Zwischen Vertrauen (haha!) und Verdrängen (nunja) sehe ich nicht viele Möglichkeiten.
Den Klostein haben wir übrigens gekauft. Im Verdrängen bin ich super.