Heute morgen in der S-Bahn sah ich eine Frau, die es sich sehr gemütlich machte. Wenige ziehen ja im Berufsverkehr die Jacke komplett aus (erstaunlich wenige öffnen sie - das mache ich ja fast immer, ich lege auch immer den Schal ab) - sie tat das aber. Jacke aus, an einen Haken, Schal zusammenfalten (ich knülle), Handschuhe ordentlich am Haken zusammenhaken und in die Tasche legen (ich lass meine Handschuhe in der Bahn an - gerade, seit ich touchscreenfähige Handschuhe habe - was mehrere Gründe hat: erstens, ich bilde mir ein, weniger Erkältungskrankheiten einzufangen, zweitens, ich habe im Winter extrem trockene und daher oft sehr stark eingecremte Hände, was ich eklig finde, und wenn ich Handschuhe trage, merke ich es nicht, drittens, ich bilde mir ein, ich könnte vielleicht auch, wenn nötig, plötzlich als Geheimagent tätig werden, weil ich ja keine Fingerabdrücke hinterlasse). So weit, so gut.
Dann zog sie die Schuhe aus. Das ist im oberen mittleren Bereich ungewöhnlich - Mademoiselle macht das aber manchmal auch. Und dann wurde es richtig gemütlich: sie nahm nämlich ein kleines Spitzendeckchen aus der Tasche und legte das auf den kleinen S-Bahn-Mülleimer, an dem sie saß. Hatte sie das Deckchen extra genäht? Vermutlich, oder? Auf das Deckchen legte sie eine Serviette, dann nahm sie eine Tasse aus der Tasche, goss aus einer Thermoskanne Kaffee ein, legte eine Serviette daneben und auf die Serviette ein belegtes Brot.
Dann schloss sie eine Station lang die Augen, die zweite Station aß sie das Brot, eine dritte Station lang trank sie den Kaffee und danach räumte sie alles wieder ein, zog sich wieder ihre Wintersachen an und stieg an der nächsten Station aus.
Das fand ich das Allerunglaublichste - es sich gemütlich machen, schön. Aber für eine Handvoll Stationen?! Das wäre mir zu anstrengend!