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    Montag, 20. März 2017
    Atmen

    Atmen üben soll ich, sagt der Gesangslehrer, Atmen üben. Also richtig atmen. Nicht hektisch flach mit Schultern hoch ziehen, wie man das eben so macht, wenn man angespannt ist. Und angespannt bin ich natürlich immer, wenn ein schwieriger Ton droht, und wenn der dann nicht durchgestützt ist sondern irgendwo aus der Schulter kommt wird es so schrill, dass ich vor Schreck gar nicht mehr atme sondern mich verschlucke.

    Also übe ich Atmen. Morgens wenn der Wecker klingelt versuche ich, das genervte Einatmen nicht in den Nacken sondern in den Bauch zu ziehen. Und an der Bus- oder Bahnhaltestelle stehe ich und schaue nicht auf die heruntertickenden Minuten sondern atme ein - durch die Nase in den Bauch, Bauchmuskeln ganz locker lassen - und durch die Nase aus, ganz langsam. Eeeeeeeeiiiiiiiiiiin - aaaaauuuuuuuuussssss. Eeeeeeeeiiiiiiiiiiin - aaaaauuuuuuuuussssss. Fast schlafe ich wieder ein.

    Wenn im Rapunzelturm der Aufzug kommt, atme ich einmal besonders tief ein. Und dann versuche ich, während der gesamten Fahrt absolut gleichmäßig durch den Mund, mit einem leichten schhhhhhhhhh auszuatmen. Versuchen Sie das mal über 24 Stockwerke. Wenn alle um Sie herum Sie anstarren!

    Im Rapunzelturm klingelt das Telefon. Ich atme tief ein, hole die Stimme von ganz unten, kein bisschen nasal und sage schwingend-sonor "Novemberregen?" "Wer spricht da??!!" fragt der Oberchef genervt. Ich japse schnell in die Schultern und quieke "Ich bin es nur!" Der Oberchef brummelt etwas von nur keine Krankheiten ins Büro tragen. Als er aufgelegt hat hechele ich kurz vor mich hin. Mit offenem Mund, ganz schnell und kurz, aber in den Bauch, die Schultern dürfen sich nicht bewegen. Kurz bevor mir schwindlig wird japse ich einmal tief - auch in den Bauch. Das kann ich noch nicht so gut. Das Hecheln ja, das Japsen nicht. Ich probiere es nochmal, während ich eine Mail im Takt tippe.

    Auf dem Heimweg beim Einkaufen - warten an der Kasse - übe ich das langsame Ausamten wie im Fahrstuhl, nur auf mmmmm. mmmmmmmm. mmmmmmmmmmmmmm. Die Lippen müssen vibrieren dabei, so dass es kitzelt, sonst liegen sie zu fest aufeinander. Die Füße müssen beide fest auf dem Boden stehen, wie dort festgeklebt. Mmmmmmmm. Ich muss lachen. Der Mann vor mir dreht sich um und lässt mich vor. Ich stolpere kurz, weil ich mir so sehr eingebildet hatte, dass meine Füße festkleben.

    So geht es den ganzen Tag. Aus jedem orrr wird ein pfffffffffffff, es hat etwas von Geburstsvorbereitungskurs. Und glauben Sie mir: ich habe einiges zu veratmen derzeit.

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