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    Mittwoch, 22. April 2020

    Frau Fragmente hat sich den zweiten Tag in Folge nicht die Haare gewaschen. And so it begins.

    Oh, ich fange ja immer anders an, Entschuldigung, geht schon wieder: Frau Fragmente sitzt an ihrem Wohnzimmer-Ess-HomeOffice-Tisch und bloggt, ich sitze an meinem Schreibtisch und blogge über Frau Fragmente.

    Heutiges Set-up: sie trägt Pferdeschwanz und eine sehr dicke Jacke, sie sagt, sie friert, was sich mir nicht erschließt, es ist sauwarm, ich bin kurzärmlig und barfuß. Hoffentlich wird sie nicht krank? Der Tisch, an dem sie sitzt, wirkt heute filigraner als sonst. Was so eine Perspektive alles ausmacht. Blogging Set-up wie immer: Bluetooth-Klapptastatur und iPad Mini (oder sowas), dann hat sie eine Büchlein mit Ringbindung und den Finepen vom letzten Mal (den sie natürlich nicht aus meinem Büro geklaut hat) neben sich, ich weiß, dass in diesem Büchlein Notizen für den heutigen Blogtext sind. Einmal so vorbereitet sein, wie Frau Fragmente! Oder vielleicht auch lieber nicht, wo ist da der Spaß? Please discuss.

    Neben dem Notizbuch das Handy, schräg darüber die Tastatur, Laptop, Zeugs, großer Bildschirm, goldenes Licht, es wirkt fast wie ein Stockfoto "Business Woman lässt per Mail die Puppen tanzen". Keine belastbaren Daten zur Spülmaschine, vor der Fensterfront steht allerdings eine Kleiderstange (ohne Kleidung), ich habe dieselbe auch. Über der Heizung hängt ein Lappen, vielleicht wurde geputzt? Es sieht definitiv sehr sauber aus.

    Ich für meinen Teil mache hier heute einen auf locker, habe Gurke und Dosenbier, etwas besseres gibt es ja kaum.

    Ansonsten bin ich heute tiefenentspannt. Das ist auf der einen Seite verwunderlich, auf der anderen aber dann auch wieder nicht. Verwunderlich ist es, weil ich derzeit, also seit ca. 6 Wochen, die mit Abstand anstrengendste und herausforderndste Phase meines beruflichen Lebens habe, die bisher zwei Peaks aufwies, einen um den 18.3. herum und den zweiten seit letztem Freitag. Aber dieser zweite Peak ist seit gestern über den ersten Gipfel und seit heute über den zweiten und jetzt wird langsam ins Tal gerollt, ich habe also zwar heute bis 17 Uhr gearbeitet wie eine Besessene, aber seit 17 Uhr weiß ich: es ist geschafft. Und jetzt antizipiere ich bereits die Entspannung, die das bringen wird. Es sind ja jetzt nur noch die Aufräumarbeiten abzuschließen (7776 ungelesene Mails zum Zeitpunkt des Feierabends um 19:00 Uhr heute) und danach kann ich ganz normal arbeiten. "Ganz normal arbeiten" wird nach den letzten 6 Wochen vermutlich wirken wie Urlaub, Feiertag und Wochenende zusammen. Deshalb bin ich so entspannt.

    Nachdem heute der zweite Gipfel überwunden war, habe ich auch gleich noch ein bisschen gestritten. Endlich wieder Kapazitäten dafür! Ich glaube, alle haben das vermisst, eine E-Mail dazu lautet sogar "Ich mag den Home Office nicht, im Büro hätte ich mir diese Antwort persönlich abgeholt, das wäre lustiger gewesen." Ich bin also nicht nur entspannt, sondern auch noch gut gelaunt (nicht, dass Sie diesen Text ironisch lesen, das ist er nicht). Weiter werde ich auch noch gedanklich damit klarkommen müssen, dass sich die Zusammenarbeit mit dem neuen Oberchef komplett gewandelt hat. Dazu brauche ich aber noch ein bisschen.

    Zurück zu Frau Fragmente. Sie hat sich warm geschrieben und zieht nun die Strickjacke aus. Jetzt ist sie auch kurzärmlig. Ich habe mir in der Zeit - ich glaube, von ihr unbeobachtet - noch ein paar Schokoladenostereier geholt. Die habe ich im Schlafzimmer wiedergefunden, hatte ich total vergessen, aber so gehört es mit Ostereiern ja auch. Gerade war eins mit roter Grütze gefüllt, ich habe noch Marzipan und Sahnetrüffel. Passt fast so gut zu Dosenbier wie Gurke.

    Sie denkt heftig nach - also Frau Fragmente. So mit Lippen einsaugen meine ich, bin unsicher, ob ich das je schonmal bei ihr gesehen habe.

    Achso, noch etwas Lustiges ist mir heute passiert: ich habe zum zweiten mal eine Maske getragen und sie zum zweiten mal falsch getragen. 2 von 2 falsch. Unglaublich. Geht es anderen auch so? Woher soll ich wissen, wie man eine Maske trägt? Zum Glück gibt es hilfreiche Menschen, die Videoanleitungen schicken. Und sowieso auch Masken, sonst hätte ich ja gar keine.

    Vielleicht habe ich diese Maskenproblematik auch, weil ich einfach nicht so ein richtiges räumliches Vorstellungsvermögen habe. Das hat sich auch gestern wieder gezeigt - gestern habe ich mit Freundinnen einen Escape-Room gespielt und gleich nach ein paar Minuten fiel mir auf, dass es ein Problem dabei geben könnte: ich kann ja nicht gut Piktogramme erkenne. Ein Kasten war abgebildet, ich hatte keine Ahnung, ob es vielleicht ein Radio ist oder eine Brotdose (weiß es bis jetzt nicht, es war aber auch egal) und später hätten wir einen Code fast nicht geknackt, weil ich ein Fernglas für Handschellen hielt und eine Taschenlampe für eine Rakete (oder umgekehrt, weiß ich nicht mehr). Geben Sie mir Zahlenreihen, die kann ich mit einem Blick fortführen, oder Zahlencodes, die man in Buchstaben umwandeln soll, die kann ich fast so lesen wie normalen Text, aber Brotdose und Radio kann ich nicht unterscheiden. Das Gehirn ist echt ein komisches Ding.

    War aber eine lustige Sache und wir haben das Rätsel innerhalb der Zeit gelöst. Das war uns bei unserem ersten (damals noch live) Escape Room nicht gelungen und das kratzt bis heute an meinem Selbstverständnis.

    Frau Fragmente seufzt. Es schien mir aber noch kein handlungsabschließendes Seufzen zu sein, klang eher wie ein "so, zwei Absätze noch"-Seufzen. Wir werden sehen. Für mich reicht es aber heute, ich werde jetzt ablenkende Konversation betreiben, bis das wirkliche handlungsabschließende Seufzen kommt.

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