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    Mittwoch, 15. April 2020

    Frau Fragmente sitzt an ihrem Homeoffice-Esstisch-Wohnzimmertisch und bloggt. Ich sitze an meinem Homeoffice-Schreibtisch am am Gamer PC und blogge über Frau Fragmente.

    Heute habe ich wieder eine leicht andere Perspektive. Ich sehe die Tischplatte, darauf ist das Blogging-Setup (Ipad auf einem Ständer mit Bluetooth-Tastatur), im Hintergrund zu sehen: ein Ring oder Kronkorken (undeutliches Bild), eine rot-durchsichtige Hülle von irgendwas, ein externer Akku mit Ladekabel, zwei weiße Dingsdas (Fernbedienungen?) und eine schwarze Tastatur auf ein paar Papieren. Ein weiterer Reil des Raumes spiegelt sich in der Glasscheibe, die Spülmaschine jedoch nicht.

    Frau Fragmente hat heute eine ganz andere Perspektive, ich habe als Hintergrund nämlich eine Herde Alpakas gewählt. Diese Idee hatte ich heute Nachmittag und geriet dann in einen Hintergrundbildstrudel, aus dem ich erst nach mehr als einer Stunde wieder auftauchte (ich habe ja heute Urlaub). Dafür habe ich jetzt aber Hintergründe für alle Videokonferenzgelegenheiten: intelektuelle, nüchterne, lokale, phantastische und so weiter. Die Sicht aus meinem Bürofenster habe ich auch hochgeladen, wenn ich diesen Hintergrund verwende, sieht man mich eigentlich ganz genauso, als käme man gerade in mein Büro. Den werde ich beruflich verwenden.

    In Bezug auf die Videokonferenzhintergründe kann Corona also jetzt noch ein wenig dauern. Frau Fragmente hat sich mit ihrem Home Office jetzt (laut eigenen Worten) eingegroovt, von ihr aus kann es also auch noch etwas dauern. Insgesamt bin ich aber dezent genervt.

    Wie gesagt, dezent. Mir ist ja klar, dass es mir sehr gut geht und mich einer höchst entspannten Situation erfreuen kann - keine Erkrankungen im Umfeld, keine kleinen Kinder, Job läuft derzeit auch. Mir fehlen eigentlich nur die zufälligen Begegnungen mit Menschen, so auf Dauer. Die drei Leute, die mir mit im S-Bahn-Vierer sitzen, die Leute, denen ich im Supermarkt und auf der Straße begegne. Im Grunde also die Personen, auf die alle anderen eh wenig Wert legen, ich aber schon, denn ich mag ja Menschen, sie geben mir Input, ich habe Spaß an ihren Merkwürdigkeiten und Eigenarten. Ich werde noch gedulden müssen. Und auch können, natürlich.

    Bin gespannt, was Frau Fragmente schreibt, sie ist heute irgenwie schnell, schon bei 75% sagte sie eben leicht vorwurfsvoll. Ich glaube, sie hat bemerkt, dass ich nebenher andere Dinge getan habe: erst für das Kind eine Konsole bestellt, dabei festgestellt, dass das Kind mir einen Fake-Shop empfohlen hat, daher kurz Erziehungsaufgaben absolviert: wie gehe ich bei einer Bestellung eines mir bis dahin unbekannten Shops vor? Wie kann ich ihn überprüfen?

    Dann musste ich noch eine berufliche Videokonferenz einrichten, das hatte ich delegiert aber vergessen, dass der Kollege nur ein normales Account hat und da ist die Zeitdauer begrenzt. Wir wollen aber eine Art Stammtisch machen, da reichen 40 Minuten vermutlich nicht, also musste ich das nochmal von meinem Account einrichten.

    Und dann hatte ich meine allabendliche Frage auf Twitter nicht gestellt, das musste ich auch noch tun und werde ich wohl ebenfalls noch eine Zeit lang machen - ich weiß gar nicht mehr seit wann und ich weiß auch nicht mehr, wie es dazu kam, aber seit ein paar Wochen (?) frage ich allabendlich auf Twitter "was habt ihr heute gemacht?" (in wechselnden, aber mangels Kreativität immer ähnlichen) Formulierungen. Die Antworten interessieren mich sehr, jede einzelne, vielleicht sind sie für mich ein bisschen der Ersatz-Input, der mir an zufälligen Begegnungen im Alltag derzeit fehlt? Wobei ich nach den ersten 8 oder 9 Tagen, als mir klar wurde, dass ich diese Frage nun vorerst dauerhaft stelle, etwas Angst bekam. Was, wenn über uns wirklich die ganz große Welle hereinbricht mit vielen, vielen Kranken und Toten, wenn jeder jemanden in der Familie oder im Freundeskreis hat (so wie meine KollegInnen in New York momentan), was mache ich dann, wenn diese Antworten auf meine Frage kommen? Dazu viel mir nichts, ein, außer, dass nicht fragen auch nichts ändern würde und dass es immer besser ist, das Schlimme zu benennen, als es nur zu erahnen.

    Das war heute wenig über Frau Fragmente, aber eine Sache fällt mir noch ein: zum einen wird sie noch über ihre Kerzen bloggen, aber nicht heute - ah, und jetzt sie mir noch die offene Spülmaschine gezeigt - und zum anderen hat sie einen kritischen Kommentar bekommen und mich gefragt, ob sie ihn freischalten soll. Natürlich soll sie das! Ich fand ihn auch gar nicht so kritisch, eher fragend, aber das ist jeder anders, ich persönlich liebe kritische Nachfragen, das zeigt, dass der/die andere mitdenkt. Vielleicht fehlt mir nicht nur der Input der anderen Menschen draußen, sondern auch die Reibung mit ihnen, fällt mir bei dieser Gelegenheit ein. Das kann schon sein.

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