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    Freitag, 10. Mai 2013
    Blogging November - 556

    Immer dann, wenn ich etwas angestrengt bin, wenn alles etwas viel ist und wenn mir alle Sachen um mich herum zu viel sind, zu viel Unordnung, zu viel Krempel, zu viel Unnützes, dann möchte ich die Maus von Herrn Maus suchen.

    Herrn Maus habe ich auf einer Familienfeier kennengelernt, etwa im Grundschulalter. Welche Feier es war, weiß ich nicht mehr, in meiner Erinnerung gab es ständig Feiern unglaublich alter Leute die eine merkwürdige Sprache sprachen, die ich nicht verstand (einen westfälischen Dialekt), die Männer trugen alle Kappen und Spazierstöcke, die Frauen trugen Oberteile, die über den Busen spannten und von dort kerzengerade nach unten fielen. Wenn die Frauen spülten - und das taten sie oft - trugen sie geblümte Kittelschürzen. Die Feiern fand ich meist langweilig und vor den Leuten hatte ich ein bisschen Angst, um Mitternacht gab es allerdings meist Eis so viel man wollte, das war gut. Später schlief man in kleinen Pensionszimmern, die nach Dorf rochen und in denen alles merkwürdig knarrte und sehr, sehr dunkel war, Papa schnarchte Laut und Mama kotzte einmal nachts aus dem Fenster.

    Auf einer dieser Feiern flog Papa ein großes Insekt ins Ohr (Papa hat große Ohren - ich auch, ich habe die von ihm geerbt), das wussten wir aber nicht, es stellte sich erst etwa zwei Wochen später nach diversen Ärztlichen Untersuchungen beim Ohrenausspülen heraus, ich glaube, es war eine Hummel. An dem Abend wusste man aber nur, dass ihm schwindlig wurde und es knatterte komisch in seinem Kopf, so dass meine Mutter mit ihm vor die Tür ging, für frische Luft.

    So saß ich dann in diesem Raum - meistens waren es Gemeindesäle oder Bürgerhäuser oder so etwas, und die Tische waren in U-Form und mit Tischdecken und Tischdeckenfesthaltklipsen, und ich war müde und verängstigt, weil ständig alte, bekappte Männer mit wässrigen Augen zu mir sprachen oder Frauen mich an ihre überpafümierten großen Busen drückten und ich kein Wort verstand.

    Dann kam Herr Maus. Herr Maus stand plötzlich vor mir und sagte klar verständlich: "Hallo, ich heiße Herr Maus, damit die Leute, die ich kennenlerne, sich das besser merken können, schenke ich ihnen immer eine kleine Maus. Darf ich dir auch eine Maus schenken?" Ich bejahte und Herr Maus schenkte mir eine kleine Maus aus Ton oder so ähnlich, die auf einem Ansteckpin befestigt war. Dann war Mitternacht und Herr Maus sorgte dafür, dass ich genug Eis bekam und dann kamen meine Eltern zurück und wir gingen im dunklen, knarrenden Pensionszimmer, das nach Dorf roch, schlafen.

    Die Maus von Herrn Maus hütete ich lange wie einen Schatz, sie lag immer in derselben Schachtel, zusammen mit einem Indianerbild, das ich an meinem ersten Kindergartentag bekommen hatte, einem Foto von meiner Katze, meiner ersten Geldbörse, später einem Stück "Mammutzahn" und schließlich meinen Milchzähnen.

    Die Schachtel habe ich noch, aber die Maus von Herrn Maus ist weg, schon recht lange. Wie lange genau und wie das kam, weiß ich nicht, das erste Mal habe ich kurz vor meinem Auszug zu Hause intensiv danach gesucht, dann mehrmals in meiner Studenten-WG, in der alten Wohnung hier auch ein paar Mal, in der neuen bisher noch nicht, denn in dieser neuen Wohnung wohne ich ja immer mit Kind, so dass ich - auch wenn ich von der psychischen Verfassung her gern eine großangelegte Suchaktion nach der Maus von Herrn Maus starten würde, dazu überhaupt keine Zeit hätte. Kinder sind gut gegen Zwangshandlungen.

    Irritierenderweise hab ich aber heute auf einem unserer Kühlschrankmagnete eine Maus wahrgenommen, klein und aus Ton oder so ähnlich, die auf dieses Magnet ganz offensichtlich mit Sekundenkleber aufgeklebt ist, und das nicht in einer Form, wie man es im Laden kaufen könnte. Ich habe diese Magnetmaus schon öfters gesehen, aber nie bewusst. Wo kommt diese Magnetmaus her? Ist das die Maus von Herrn Maus, die ich vielleicht doch irgendwann nochmal wiedergefunden und zur Sicherheit dort aufgeklebt habe? Man weiß es nicht, Phasen der Herrmausmaussuche sind keine Phasen, an die man sich später im Detail erinnert.

    Morgen haben wir ein größeres Familientreffen. Ich werde dort herumfragen, wer eigentlich Herr Maus genau war, ob ihn noch jemand kennt, ob es ihn noch gibt, ob er noch Mäuse verschenkt, ob jemand eine Maus hat und wenn ja, ob ich die mal sehen könnte.




    Heute vor zig Jahren:

    Die Schule hat zwei Russinnen beschafft, die die Klassenstreberin und mich auf diesen Sprachwettberwerb vorbereiten sollen. Ich hab da ja nicht so Bock drauf, die Bücher sind auch alle total langweilig. Um 14 Uhr kommt Pe2 und wir labern so. Um 16 Uhr Spanischklausur, um 18:30 Uhr zu Hause, morgen Englischklausur.

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