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    Dienstag, 7. Februar 2017
    Ich als Ortsunkundigenschreck

    Heute morgen lief ich zur S-Bahn und wurde unterwegs von einer Frau angesprochen, die mich nach der Kaiserstraße 30 fragte. Wir standen vor dem Haus Nr. 26 in derselben Straße, also konnte ich ihr schnell den Weg weisen. Sie schüttelte aber den Kopf und zog ein Schreiben aus der Tasche, von einem Amt, das sich dort befinden sollte. Was definitiv nicht der Fall ist, im Haus Nr. 30 ist der eigenartige Briefmarken- und Gesteinsverkäufer, durch dessen überzeugend vorgetragene Erzählungen Mademoiselle ungefähr ein Jahr lang Alpträume von uns im Schlaf erschlagenden Meteoriten hatte.

    Ich schaute mir das Schreiben näher an und sah, dass nicht die Kaiserstraße 30 sondern die Kaiserleistraße 30 gesucht war. Das - und den Fußweg von etwa 25 Minuten - versuchte ich, der Frau zu erklären. Sie nickte und ging in die von mir angezeigte Richtung.

    Ich musste in dieselbe Richtung, hatte aber erst noch in meiner Tasche zu kramen und ging dann hinterher. An der nächsten Ecke überfielen die Frau wohl Zweifel an meiner Redlichkeit, jedenfalls befragte sie einen weiteren Passanten nach dem Weg und hielt ihm auch das Schreiben vors Gesicht. Der Passant unterlag demselben Irrtum wie die Frau und schickte sie, sehr bestimmt, zurück Richtung Kaiserstraße 30, Meteoritenmann. Die Frau dreht also um und kam mir wieder entegegen, als sie an mir vorbeiging, schaute sie konzentriert auf ihre Schuhe.

    Ich dachte mir kurz resigniert "naja alle irre selber schuld" und ging weiter, dann dachte ich mir aber entnervt "meine Güte!" und drehte um und rannte der Frau hinterher. Ich erklärte ihr nochmal die Sache mit der zusätzlichen Silbe im Straßennamen (ersparte ihr aber die linguistische Erklärung der Bedeutung derselben - extra nur für Sie: Ley oder Lei bezeichnet einen Felsen, wie in Loreley), zeigte ihr das Ziel und den Weg auf Googlemaps, die Frau nickte wieder und lief jetzt wieder richtig herum die Straße hinunter.

    Ziemlich zufrieden mit mir ging ich in den Pennymarkt, kaufte neue Notfallschokolade für die Mitarbeiter im Büro, kam aus dem Pennymarkt heraus und wer kam an mir vorbei, berharrlich schon wieder in die falsche Richtung? Natürlich. Die Frau, die zum Amt gehen sollte oder wollte, aber so wie es aussah nicht würde.

    Ich seufzte laut - so laut, dass die Frau sich zu mir umdrehte. Drei Schritte machte ich auf sie zu, da rannte sie vor mir davon. An dieser Stelle habe ich heute mein Vorhaben, ein guter und hilfsbereiter Mensch zu sein einfach aufgegeben.

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