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    Mittwoch, 10. August 2016
    Die Tücken des Konsums

    Ungefähr Januar: Der beste Rucksack der Welt geht kaputt. Frau N. benötigt einen neuen, pronto. In Ermangelung einer perfekten Alternative wird ein Rucksack bestellt, der hübsch ist, nicht allzu teuer und zu 80% tauglich.


    Ungefähr Juli: Der Übergangsrucksack hat sich mittlerweile als Dauerrucksack etabliert, geht aber nun kaputt und zwar: der Reißverschluss. Frau N. behilft sich irgendwie und fährt in den Urlaub.


    Ungefähr August: Frau N. kehrt voller Tatendrang aus dem Urlaub zurück und beschließt, sich zu empören. Sie sucht die Bestellung des Rucksacks heraus und schreibt dem Versender, dass es nicht okay ist wenn Reißverschlüsse nach 6 Monaten kaputt gehen und dass der ich etwas ausdenken möge.


    1 Tag später: Der Versender bietet Rücknahme an und schickt ein Rücksendeetikett mit chinesischen Schriftzeichen, unfrankiert. Frau N befasst sich näher mit der Frage, wo sie da eigentlich im Januar bestellt hatte. Offenbar in China. Und AGBs nicht gelesen, Rücknahme nur auf eigene Kosten (ca. 40 Euro Porto für ein Paket dieser Größe nach China).

    Frau N. ärgert sich. Stellt dann ethische Überlegungen an, dass es sowieso schlecht ist, einen Rucksack aus China zu kaufen, der um die halbe Welt geschickt wurde, und dass die chinesischen Fabrikarbeiterinnen bestimmt kein gutes Gehalt bekommen, der Rucksack sicherlich voller Chemikalien ist oder zumindest war und sowieso chinaproduktartig-minderwertig. Frau N. fühlt sich schlecht und folglich gerecht bestraft durch den Rucksacktotalausfall. Denkt kurz über katholischen Ablasshandel nach und geht zu Bett.


    1 Tag später: Frau N is heute anders gestimmt, nämlich kommunikativ. Schreibt dem Rucksackverkäufer eine Mail:

    "Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für das Rücksendetikett, das ich aber nicht in Anspruch nehmen möchte. Ich habe festgestellt, dass das Porto für die Rücksendung fast den Warenwert erreicht und finde es deshalb und auch generell nicht sinnvoll, den Aufwand zu betreiben einen kaputten Rucksack herumzuschicken.
    Finden wir nicht eine andere Lösung? Ich könnte Ihnen ein Foto von dem Defekt schicken oder auch ein Video, in dem ich den Reißverschluss ergebnislos zuziehe und dabei traurig gucke. Anschließend könnte ich den Rucksack vor Ihren Augen mit bloßen Händen (oder einer Schere) zerfetzen, damit Sie sicher sein können, dass ich mich nicht bereichere. Wie wäre das? Viele Grüße, Ihre Frau N."

    Frau N. geht in Erwartung einer ablehnenden maschinellen Antwort schlafen, ist dennoch gut gestimmt weil sie sich vorstellt, den Rucksack vor laufender Videoaufnahme zu zerreißen. Hat den Vorfall am nächsten Morgen komplett vergessen und wenig später schon einen neuen Rucksack, von @littlebinf abgekauft, die ihn sonst irgendwohin (Land unbekannt, vielleicht auch China?) hätte zurückschicken müssen.


    Heute: Frau N. erhält die allerniedlichste Service-Mail der Welt vom Rucksackverkäufer, nämlich:

    "Sehr geehrte Dame,

    Vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Es tut mir leid das Sie traurig sind. Jetzt haben wir Ihnen €52.99 vollständig rückerstattet. Das Geld wird auf Ihr Konto zurückkehren. Wenn Sie freie Zeit haben, nicht sehr beschäftigt oder gestresst sind, überprüfen Sie bitte. Es gibt das Foto über die Rückerstattung im Anhang. [Screenshot von einem chinesischen Onlinebanking angehängt].
    Aber die Rückerstattung kann nicht auf Ihr Konto sofort zurückehren! Es wird etwa 3 Tage dauern. Obwohl das Geld nur durch den Computer geht.

    Sie brauchen uns nicht die Ware zurückzuschicken. Aber wir werden alle unsere Artikel überprüfen, sich mit dem Thema beschäftigen und uns verbessern!

    Wir sind traurig über die Unannehmlichkeiten.
    Ich wünsche Ihnen gesund und glücklich die ganze Zeit in Ihrem Leben!

    Ihre Freundin"

    Frau N. geht heute schlafen mit dem Vorsatz, immer nur noch in China zu bestellen, weil man von dort so tolle Mails bekommt.

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