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    Mittwoch, 19. August 2020
    Lunch

    Frau Fragmente sitzt mir am Tisch gegenüber und bloggt, ich sitze in Frankfurt auf der Terrasse eines Restaurants, dessen Namen ich auf ausdrücklichen Wunsch von Frau Fragmente nicht nennen darf und blogge über Frau Fragmente. Wir hatten gerade ein Business Lunch und jetzt noch eine halbe Flasche Wasser und jede einen Cappuccino, dazu umschwirren uns Wespen und Geschäftsleute, es ist ein bisschen heller, als ich es mag und es ist - natürlich - zu warm.

    Ich hatte beschlossen, bei hochsommerlichen Temperaturen nichts zu schreiben. Es gibt dann schließlich nichts zu sagen außer "alles Scheiße" und ich langweile mich beim Schreiben ungern, so eine ständige Wiederholung x Tage hintereinander wäre mir definitiv nicht unterhaltsam genug. Habe sicherheitshalber gerade auf mein Handy geschaut und es hat - angeblich - nur 23 Grad Celsius heute. Nunja. Da es mich einem Rechtfertigungszwang enthebt, nehme ich es einfach mal unkommentiert zur Kenntnis.

    Frau Fragmente ist ganz in schwarz gekleidet, nur auf dem Shirt hat sie einen ganz kleinen weißen Fleck, weil da ein Spritzer vom Sauerrahm gelandet ist, der auf der Lasagne war. Das sage ich ihr gleich noch, ich lasse sie aber erst in Ruhe schreiben, sie ärgert sich sonst und kommt aus dem Fluss. Sehr ärgern wird sie sich aber nicht, es passiert ihr nämlich genau an dieser Stelle sehr häufig, wir sprechen oft darüber.

    Die Wespen laben sich gerade an Frau Fragmentes übrigem halben Dessert. Fragen Sie mich nicht, warum das übrig ist, es war ganz ausgezeichnet. Ich nehme auch an, sie wird es noch essen, möglicherweise praktiziert sie gerade irgendwas mit Belohnungsaufschub, die Leute kommen ja auf die allerunmöglichsten Iden, gerade, wenn es heiß ist.

    Frau Fragmente seufzt und schaut auf und über ihren fragenden Blick muss ich so lachen, dass ich eine Portion Cappuccino eingeatmet, ich hatte gerade die Tasse vor dem Mund. Ich muss sehr viel Lachen derzeit, was daran liegt, dass ich gerade ziemlich viele Dinge entscheide. Genauer: ich hatte einige Monate, in denen ganz verschiedenste Themen alle in der Schwebe hingen. Keine ausschließlich schlimmen Themen, eher ein ganz gemischter Strauß, aber allein durch ihr massenhaft ungeklärtes Vorhandensein ergaben sie ein ziemliches Gedankengewicht.

    Die Ungeklärtheit war meist nicht durch mich verursacht, eher durch länger dauernde Abläufe, fehlende Informationen, unfertige Gedanken. Sowas staut sich auf, es hängt dann irgendwann wie eine Wolke, nein, nichts gegen Wolken, wie eine schwere Einkaufstasche am Arm und man bewegt sich nicht so leicht wie sonst. Derzeit sortieren sich die Dinge aber, werden klarer und können daher einer Entscheidung zugeführt werden. Entscheiden kann ich gut, ich mache also zipp und zapp und zupp und schon ist die Einkaufstasche so gut wie leer und man muss nicht mehr an der Häuserwand herumschleichen sondern kann Treppen hinaufspringen.

    Durch die zunehmende und noch ungewohnte Leichtigkeit bin ich, glaube ich, derzeit manchmal eine anstrengende Gesprächspartnerin. Weil immer etwas drüber, etwas zu schnell, etwas zu ungestüm, wie soll man auch anders sein, wenn man plötzlich die Hände frei hat und ein Gewicht los ist? Man hat ja die ganze Zeit dagegen angestrampelt und wendet daher jetzt viel mehr Energie auf, als notwendig wäre. In diesem Zusammenhang erwarte ich übrigens auch Großes, wenn wir alle die Masken wieder los sind. Neulich bin ich mit aufgesetzter FFP2-Maske einer Bahn hinterher gerannt, durch einen Bahnhof und diverse Treppenfluchten hoch. So einen Trainingseffekt hatte ich lange nicht mehr! Und wie deutlich wir dann alle sprechen werden! Das wird toll.

    Frau Fragmente sitzt jetzt halb in der Sonne, gut, dass ich den anderen Platz gewählt habe. Ich war erst unschlüssig, ich sitze nämlich mit dem Rücken zum Rest der Terrasse. Aber was soll schon passieren. Dass mir jemand ein Messer in den Rücken rammt wohl eher nicht und dass jemand hier mitliest ist - angesichts der Tatsache, dass dieser Text im Internet steht - natürlich komplett egal. Ich befürchte aber, die Sonne kommt bald rum. Was aber andererseits auch wieder egal ist, denn Wespen wie Geschäftsleute sind schon davongeflogen und ich muss auch bald zu meinem nächsten Termin.

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