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    Montag, 27. Juli 2020
    Versicherung gegen Tiere (und Duzen, vielleicht)

    Zu gerne wäre ich bei den Sitzungen dabei gewesen, in denen die Allianz Direct beschlossen hat, die Online-Kunden ab sofort zu duzen. Ohne dabei gewesen zu sein, kann ich mir nämlich absolut nicht erklären, wie dieser Irrsinn zustande kam.

    Jedenfalls habe ich heute eine neue KFZ-Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Nicht ausschließlich wegen des Duzens natürlich - wegen des Duzens dachte ich ein paar Tage lang, das Schreiben wäre irgendeine merkwürdige Werbung, aber dann war es doch so dick, dass ich genauer hinschaute und es war eine Kündigung verbunden mit einem neuen Vertragsangebot. Neben der Anrede war darin das Überraschende der Preis. Ich war überrascht und enttäuscht.

    Und wer hätte gedacht, dass es so viel Spaß macht, nach einer neuen Versicherung zu schauen. So viele interessante Themen zu bedenken! Von den rechtlichen Fragestellungen - ist die alte Versicherung schon gekündigt? Offiziell wohl ja, wobei "so eine" Kündigung vermutlich nicht gemeint ist? - bis hin zu persönlichen Präferenzen - planen Sie, in Ihrer Freizeit an Veranstaltungen teilzunehmen, bei denen es darum geht, die Höchstgeschwindigkeit Ihres Fahrzeuges zu erreichen? Nunja. Bisher nicht. Aber wenn man so fragt, vielleicht? Ich wüsste spontan zwar nicht, wozu, aber ich weiß bei vielen Dingen nicht wozu und probiere sie dann einfach mal aus.

    Auch interessant das Thema "Tiere". Manche Versicherungen versichern nur Zusammenstöße mit bestimmten Tieren, nämlich "Haarwild". Ob es das schon gibt, dass Versicherungsnehmer*innen nach einem Unfall mit einem Schaf (kein Haarwild) sich irgendwo noch schnell einen Hasen irgendwo beschaffen, um einen Haarwildunfall zu inszenieren? Das merken natürlich die Sachverständigen. Es ist kompliziert. Aber eben auch spannend!

    Ganz falsch lag ich bei meinen Gedanken über den Abschnitt "Bisse durch Tiere". Nilpferde oder Krokodile stellte ich mir vor und welchen Schaden die anrichten könnten, wenn sie in eine Karosserie beißen. Aber gemeint war Kleinzeugs wie Marder, die Leitungen anknabbern.

    Nunja. Mal sehen, ob die neue Versicherung mich auch duzt.

    Sonntag, 26. Juli 2020

    Ich hatte irgendwas Spannendes geträumt, als heute Morgen der Paketmensch klingelte, aber ich kann mich nicht mehr erinnern. Versuche es immer wieder, es war ein interessanter Traum, vielleicht kann ich ihn heute Nacht weiterträumen.

    Dafür war der Tag komplett ereignislos. Und dafür bin ich aufgestanden.

    Multiszenisch!

    Gestern Abend las ich noch einige Rezensionen zu Nasenhaartrimmern. Das kam durch einen Zufall zustande, nein, eigentlich eher durch einen Algorithmus: ich hatte wohl ein oder mehrere Produkte gekauft, für die sich auch die Käufer*innen von Nasenhaartrimmern interessieren und so wurde mir ein solches Gerät empfohlen.

    Ich gebe zu, ich war nicht uninteressiert. Mein Nasenhaarwuchs ist zwar nicht sonderlich stark ausgeprägt aber ich sah auf den ersten Blick, dass manche*r das Gerät wohl auch zum Trimmen der Augenbraue verwendet. Coronabedingt war ich seit irgendwann Anfang März nicht mehr zum Augenbrauenzupfen und ich sage mal so: ich habe zwar noch keine Monobraue, aber das ist nur meinen widerstrebenden Eigenbemühungen zu verdanken, die mir dazu noch schlechte Laune bereiten.

    Ich las also mit mäßigem bis etwa 65%igem Interesse und erfuhr dabei - ich muss sagen, mit sehr großem Erstaunen - dass das Nasentrimmgerät sogar multiszenisch angewendet werden kann. Als Beispiele waren das Bad und das Schlafzimmer genannt, ich bin unsicher, ob damit wirklich die Räume der Wohnung benannt wurden oder ob eher Bade- und Schlafzimmerszenen imaginiert werden sollten. Ich konnte beides, aber das tut hier nichts zur Sache, viel faszinierter war ich von dem Begriff "multiszenisch", für den ich mir gleich noch sehr viel mehr Anwendungsmöglichkeiten vorstellen konnte, als für den Nasenhaartrimmer an sich und beschloss also, es in meinen aktiven Wortschatz aufzunehmen. Gleich am nächsten Tag wollte ich das üben, und zwar drei Mal.

    Heute war der nächste Tag. Ich hatte natürlich alles längst vergessen, sprach aber am frühen Abend beruflich mit einer Person über das Fitness-Studio. Die Person beklagte den Umstand, dass die Vertragsraten, die ich erhandelt hatte, ihr weiterhin kein Handtuch bescheren und sie das Handtuch also weiterhin schon morgens einpacken muss, wenn sie abends nach der Arbeit zum Fitness-Studio geht, was nachvollziehbarerweise eine Herausforderung, wenn nicht gar eine Zumutung darstellt. Das Handtuch habe ich aber aus einer Historie heraus nicht mit hineinverhandelt, diese Historie ist der Person auch bestens bekannt, wir haben schon sehr häufig und sehr lang über Handtücher gesprochen. Ich sagte also gerade "Es tut mir leid, ich kann da nichts für Sie tun, aber wissen Sie, gehen Sie das doch mal mit Ihrer ganz persönlichen überzeugenden Wirkung an, also im Fitness-Studio, das kriegen Sie doch sicher hin, Sie müssen das als Spiel betrachten!" Woraufhin mir die Person beschied, das habe sie ja bereits versucht und sei auch bei einer jungen Mitarbeiterin beinah am Ziel gewesen, ein paar Mal hätte es schon ein kostenfreies Handtuch gegeben, dann sei diese junge Mitarbeiterin aber verschwunden und nun wären da nur lauter junge Männer und die Situation dadurch in höchstem Maße erschwert. Gleich zeigte ich mich hilfsbereit, ich sagte. "Finden Sie dort doch mal heraus, wer der P ist, den kenne ich recht gut. Sie dürfen ihn herzlich von mir grüßen und vielleicht kommen Sie dann ja ins Gespräch über ein Handtuch!" Die Person war erfreut und begeistert, das sei ein guter Ansatz, man könne das durchaus auch mal so versuchen. Und da viel mir das schöne Worte "multiszenisch" wieder ein und ich antwortete: "Das denke ich auch! Sie müssen diese Sache multiszenisch angehen! Das wird schon klappen, berichten Sie mir gerne!" 1/3!

    Später saß ich am Bahnsteig. Viele Menschen trugen Masken, wenige Menschen nicht, auf den Bildschirmen über dem Gleis wurde auf Masken hingewiesen und auf Abstand und die Dame, die mit mir auf einer Bank saß, sagte trübe: "Ich glaube nicht, dass wir das jemals in den Griff kriegen, was glauben Sie denn?" - "Ich glaube, wir haben das schon viel besser im Griff als vor ein paar Monaten, weil wir immer mehr wissen", sagte ich. - "Aber bis zu einem Impfstoff werden wir nichts mehr machen können und ob es einen Impfstoff geben wird ist ungewiss!", gab die Dame zu bedenken. "Das stimmt, wir wissen nicht, ob es einen Impfstoff geben wird - aber das das ist doch nicht das einzige ausschlaggebende, es wird viel geforscht und das wirkt sich auf so vieles aus: wir wissen besser über Übertragung und damit über Schutz bescheid, vielleicht werden hilfreiche Medikamente gefunden oder die Risikofaktoren klarer, es wird nie nur eine einzige Sache sein, auf die es, wir sollten das multiszenisch betrachten!" - Multiszenisch 2/3

    Auf dem Heimweg war ich nachdenklich. Ich plante keine weiteren Konversationen mit Fremden mehr und in einem Gespräch mit Mann oder Kind die dritte Verwendung einzubringen erschien mir wie Pfuschen. Ich holte bei den Nachbarn noch ein Paket ab, der Nachbar war aber kurz angebunden. Auch bei dem Paket, das ich zu späterer Stunde für andere Nachbarn annahm und das sie auch noch abholten, bot keine überzeugende Gelegenheit.

    Aber ich hatte Glück! Es kam eine berufliche Mail, auf die ich sowieso noch reagieren musste, wenn ich nicht alles mögliche verzögern und anderen Unannehmlichkeiten bereiten wollte, die Mail befasste sich mit der Frage, wie die Rechnungen, die ich freigegeben hatte, sich mit meiner zuvor eingereichten Kostenplanung zu einer Nullsumme zusammenrechnen würden. Als Spoiler: gar nicht. Aber "mit gutem Gewissen" gar nicht, denn nur nicht, wenn man auf dieses eine spezielle Projekt schaut, das deutlich über dem Budget liegt. Was ich aber in Kauf genommen hatte, weil durch die vorgenommene Änderung drei andere Projekte deutlich unter dem für sie jeweils geplanten Budget liegen, das wäre sonst nicht möglich gewesen. Wenn man also nicht nur auf einen kleinen Teil schaut sondern auf das große Ganze, dann gab es durch die Änderung Einsparungen und das erklärte ich unter der wunderbaren Verwendung der in diesem Moment - vielleicht erfundenen - englischen Übersetzung "we should not simply look at one budget item, it is a polyscenic situation and quite complex". 3/3.

    Und bisher hat noch niemand "bullshit" geantwortet, vielleicht komme ich sogar damit durch.

    Freitag, 24. Juli 2020

    Ok, das heute Donnerstag war erklärt immerhin, wieso der Kühlschrank so leer ist. Und dass der 23. Juli ist erklärt, wieso ich das Gefühl habe, ich könnte gut mal wieder zum Friseur gehen.

    Ich bin ein wenig aus der Zeit gefallen. Ich glaube, es liegt daran, dass jetzt schon so viele Wochen keine fixen Termine sind - die meisten nicht, weil sie schlicht entfallen und die wenigen, die stattfinden sind durcheinander geraten, weil alle anderen auch durcheinander geraten sind. Mit dem Gesangslehrer spreche ich z.B. jetzt die nächste Stunde immer ab und die Putzfrau schreibt jeden Sonntag "wann soll ich nächste Woche kommen" und ich antworte "wann du willst", es ist ein einziges Durcheinander, weil es nie so genau auf einen Tag ankommt, Schule war schon ewig nicht, alles irgendwie fluide.

    Ich werde mir einen Rhythmus erfinden müssen.

    Mittwoch, 22. Juli 2020
    Heute ist Dienstag

    Frau Fragmente sitzt in ihrem Schlafzimmer und bloggt, ich sitze an meinem Schreibtisch und blogge über Frau Fragmente.

    Heute ist angeblich Mittwoch. Ich schreibe das hier mal so hin. Ich persönliche dachte den ganzen Tag über, es sei Dienstag, alle Indizien deuteten darauf hin, ehrlich gesagt bin ich noch immer nicht überzeugt, dass Mittwoch ist, so ein Kalender kann viel behaupten.

    Ich habe dienstags Gesangsstunde und ich hatte heute Gesangsstunde. Morgen kommt die Putzfrau und sie kommt immer mittwochs. Ich sehe Frau Fragmente immer mittwochs und ich habe sie vor exakt 6 Tagen gesehen. Sie sehen, wo ich herkomme mit meiner Ansicht, dass heute Dienstag ist.

    Aber egal. Frau Fragmente hatte einen beschissenen Tag. Dafür wirkt sich aber recht fröhlich und lacht viel. Ich glaube, es gibt sehr unterschiedliche Arten von beschissenen Tagen, nämlich zum einen solche, die das Leben angreifen, die mit Krankheit, Existenzangst, Verlustangst einhergehen. Das sind die wirklich schlimmen Tage, die man den Leuten ansieht: trüber Blick, graues Gesicht, geknickte Haltung.

    Dann gibt es noch die Tage, die das Ego angreifen, an denen man wie ein Depp dasteht, und das vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Die Tage sieht man den Leuten auch an, aber etwas anders, also jedenfalls den guten Leuten, mit denen ich mich zu umgeben pflege. Sie sehen dann leicht gestresst aus aber eben nicht mit der Trauer der wirklich schlimmen Tage in Blick und Haltung, sondern mit der kleinen Portion Irrsinn und Wildheit im Blick und "a ready laugh", denn es kommt ja jetzt echt schon auf nichts mehr an, da kann man auch einfach lachen.

    So einen Tag hatte Frau Fragmente heute, sie wird darüber schreiben, sie ist aber unzufrieden und hat schon einmal alles gelöscht. Ich bot an, ich könne ja über ihren Tag schreiben und sie über meine Wochentagsproblematik. Beides hatten wir schließlich schon voreinander ausgebreitet. Ich hätte sehr, sehr gerne über ihren Tag geschrieben, der Text wäre höchst unterhaltsam geworden. Mal sehen, ob Frau Fragmente das auch hinkriegt, oder ob sie heute selbst daran scheitert. No pressure!

    Ich selbst hatte heute zwei Erfolgserlebnisse. Zum einen esse ich gerade ein ziemlich leckeres vegetarisches Schnitzel. Schmeckt kein bisschen wie Schnitzel, aber wie Chicken Nuggets und somit ziemlich gut.

    Das zweite ist, dass ich zwei Schränke erfolgreich verschenkt habe. Eine ziemlich lange Geschichte, ich fasse sie kurz:

    M beschloss vor ein paar Monaten, dass sie keine Schränke in ihrem mehr benötigt, ich war höchst verärgert und verbot die Entfernung der Schränke, M beließ die Schränke in ihrem Zimmer aber räumte sie völlig leer, für ca. 4 Wochen Pattsituation.

    Dann sagte ich "okay die Schränke können weg" und M hatte keine Zeit mehr, sich darum zu kümmern (weitere 4 Wochen Stillstand), gestern Abend dann Showdown: M und ich zerren Schränke durch die Wohnung, um sie anderen Bestimmungen in anderen Zimmern zuzuführen, Scheitern auf ganzer Linie, ein Schrank fällt (fast aufs Kind), Ganzkörperschmerzen bei mir am nächsten Tag und der Entschluss, dass die Schränke besser heute als morgen die Wohnung verlassen müssen, denn jetzt reicht es, ich will sie nicht mehr sehen.

    Also kam heute Abend ein junge Pärchen, die ihre erste Wohnung beziehen nach dem Studium (quasi Bilderbuch-Kleinanzeigen-Situation) und holten pünktlich die Schränke ab, freuten sich sehr, M sich auch, sie putzt nun das Zimmer und fragt höflich an, ob sie das Bügelbrett wohl dort aufstellen dürfe. Nicht fragen, lächeln und nicken. Nun wurde ein Bild mittig über dem Bügelbrett ausgerichtet und ich glaube, alles ist gut.

    So. Ich wünsche noch einen schönen Dienstagabend.


    Mittwoch, 22. Juli 2020

    Ich muss mir endlich merken, dass ich das vegetarische Hackfleisch von Dingens Garden komplett abscheulich finde, denn ich habe jetzt schon zum dritten Mal ein Gericht damit gekocht, dass ich so widerlich finde, dass ich es nicht essen kann.

    Herr N und M fanden es aber lecker, immerhin, das Zeug muss nicht weggeworfen werden aber ich habe das Gefühl mir brennen schon beim Riechen die Augen davon und ich möchte das keinesfalls auch nur probieren. Sehr eigenartig. Das hat im Geruch so eine gewisse Note, vor der ich davonrennen will.

    Also muss ich es mir endlich merken: vegetarisches Hackfleisch, grüne Plastikschale mit Papier drum, Garden irgendwas steht drauf, nie wieder kaufen.

    Dienstag, 21. Juli 2020
    Entführung ins Serail

    Die virtuelle Büropartnerin war heute verschollen. Also eigentlich natürlich nicht, aber in meinem Kopf. Das kam so: ich brauchte Hilfe bei der Formulierung einer Trauerkarte und schilderte gerade die Begleitumstände, als sie sich vorbeugte und "Moment, der Kunde kommt gerade, ich bin mal weg!" sagte. Das muss so gegen 14 Uhr gewesen sein schätze ich? Dann war sie weg. Und blieb weg. Erstmal nicht so ungewöhnlich, es war ja ein Arbeitstag, die Mittagspause um, ich wunderte mich nur ganz wenig, eigentlich nur, weil ich "ich bin mal weg" als "ich bin mal eine Weile weg und helfe dir dann umgehend mit der Karte!" interpretiert hatte, aber nicht als "ich bin für den Rest des Tages weg, sieh halt zu, wie du klarkommst". Das hatte ich aber halt einfach falsch interpretiert, dachte ich mir.

    Nun war ich aber am Abend nochmal privat mit der virtuellen Büropartnerin verabredet, zusammen noch mit der Dritten im Bunde, zur Bearbeitung des Alltagsstapels. Nun muss man wissen: die virtuelle Büropartnerin ist da so ein bisschen die Großmacht. Immer schon ein paar Minuten vor dem Termin schickt sie den Zugangslink, man fühlt sich immer ein wenig in Zugzwang.

    Heute aber waren wir anderen zwei allein, bzw. erstmal war niemand da, ich schickte fragende Nachrichten, die ohne Antwort blieben, dann waren wir zu zweit und so perplex, dass wir beschlossen, das zu tun, was in Schocksituationen das beste ist: erstmal was essen. Wir vertagten uns auf eine Stunde später.

    In dieser Stunde überlegte ich genau, was geschehen sein könnte. Ich hatte dazu sehr, sehr viele Ideen und möchte nur die wahrscheinlichste hier teilen: Der Kunde kam, er wurde mir bisher als durchaus seriös beschrieben, man weiß aber ja, was Corona mit den Leuten macht. Vielleicht hatte er Furcht vor dem nächsten Lockdown, den er ohne kompetente Unterstützung verbringen müsste, und hatte sich daher für Kidnapping entschieden. Wenn man genug Geld hat ist das ja einfach umzusetzen und kann schnell wie eine rationale Lösung erscheinen, insbesondere, wenn man für angenehme Verhältnisse sorgt (Suite, Pool, weitläufiger Park etc.), die die Freiheitsberaubung nicht ganz so schwerwiegend erscheinen lassen. Das konnte ich mir sehr gut vorstellen. Vielleicht würde man der virtuellen Büropartnerin sogar das Handy zurückgeben, wenn sich in ein paar Tagen ein kleines Stockholmsyndrom manifestiert hätte - wer glaubt schon an Entführung, wenn Bilder mit Schirmchendrink an Gewässer oder grünen Wiesen mit Alpacas auf Instagram zu sehen sind?

    Ich jedenfalls schmiedete schon Pläne, wie man die Wahrheit herausfinden könnte ("Wenn du nicht jederzeit da weg kannst, trag im nächsten Post einen pinkfarbenen Bikini oder sag in die Kamera, dass der Limoncello dort viel besser schmeckt als dein eigener!") und auch, wie man eingreifen könnte (Rekrutierung der Twitter-Followerschaft der virtuellen Bürokollegin). Ich selbst hätte im Hintergrund durch kluge Rückschlüsse ihr Gmail-Passowort gehackt, um den genauen Standort des goldenen Käfigs ausmachen zu können.

    Ja, genau so, war das allerwahrscheinlichste Szenario in meinem Kopf. In Wirklichkeit war es dann einfach nur Arbeit und ein bisschen Stau. Schade.

    Montag, 20. Juli 2020

    Es gedeiht nichts auf dem Balkon in diesem Jahr. Einfach gar nichts. Weder die Pflanzen, die ich im Treppenhaus überwintern ließ noch die kleinen Pflänzchen, die ich neu kaufte und einsetze und auch aus den zwei Packungen Blumensamen (alle essbar) kam so gut wie nichts hervor, jedenfalls nichts, das sich zu essen lohnen würde.

    Der gekaufte Lavendel sieht vertrocknet aus, obwohl es an Wasser nicht gemangelt hat und Lavendel doch sowieso Trockenheit verträgt. Im Kasten daneben blüht eine Pflanze, die ich über den Winter gerettet habe, blass und irgendwie welklich vor sich hin. Daneben, das ist der größte Witz, ein Blatt Aloe Vera, das M aus Spaß hineinsteckte und das tatsächlich Wurzeln geschlagen hat. Total absurd. Die Rosentags-Rose hat dafür nicht eine einzige Blüte bekommen und die Kapuzinerkresse in diesem Kasten sieht aus, als hätte irgendwas Nukleares den Erbcode zerstört.

    Die Walderdbeere, die ich seit über 10 Jahren habe und die immer zuverlässig trägt, hat mir bisher 5 halb vertrocknete Beerchen geliefert. Die Minze, die ich sonst händeweise ausreiße (ich mag ja keine Minze) besteht aus 5 mageren Stilen mit wenigen Blättern. Keine einzige Blüte an den Duftbegonien, die "normalen" Begonien sehen merkwürdig ausgedünnt aus, die Margeriten wirken verbrannt. Sogar das Katzengras ist eingegangen. Schon zum zweiten Mal.

    Corona-Handbuch

    Heute war ich zum ersten Mal seit Corona an einer Autobahnraststätte und als ich aus dem Auto stieg, auf dem Parkplatz, fiel mir auf, dass ich noch gar nichts über die Konventionen dort wusste. Erstaunlich viele Menschen saßen nämlich draußen auf Bänken, dem Asphalt oder im Gras und aßen und tranken. Darf man es drinnen nicht? Nicht, dass ich das überhaupt hätte tun wollen, ich wollte nur aufs Klo. Und trägt man auf dem Weg zum Klo eine Maske? Ist das bundeslandabhängig? Nicht, dass ich gewusst hätte, in welchem Bundesland ich mich gerade befand, wer achtet denn auf sowas.

    Dass man Masken tragen soll wurde gleich an der Tür klar, ein Herr "oben ohne" wurde nämlich abgewiesen. Ich bot ihm eine Maske an aber er wollte lieber schimpfend davonlaufen.

    Als ich wieder herauskam, stand ein junger Mann da mit einem Pappschild in der Hand und er wollte genau dahin, wo ich hinfuhr. Nimmt man während Corona Anhalter mit? Also vorausgesetzt, man nimmt generell welche mit.

    Es ist alles sehr kompliziert. Ich brauche ein Handbuch, dann könnte ich nachschlagen: R - Raststättencompliance. T - Tramper. Und so weiter. Das ständige neu einordnen ist anstrengend.

    Samstag, 18. Juli 2020
    Wespenfutter

    Ich habe versehentlich eine Wespenfutterstation auf dem Balkon installiert.

    Bzw. eigentlich sind die Vögel schuld. Im Frühjahr fraßen sie Rosinen ohne Ende, ich kaufte extra einen Sack Futterrosinen, die dann so gut schmeckten, dass ich den Hersteller anschrieb um zu erfragen, ob Menschen sie auch essen dürfen - ich habe keine Antwort erhalten. Also jedenfalls musste ich morgens und abends Rosinen nachlegen und jetzt, in den letzten Tagen, wurden die einfach nicht mehr gefressen. Und die Erdnüsse auch nicht.

    Ich dachte, ich warte mal ab, vielleicht sind Elstern in der Nähe oder sonst irgendwas - wegen der Katzen blieben sie jedenfalls nicht weg, die Katzen verbringen schon seit März den Tag auf dem Balkon und das stört die Vögel überhaupt nicht, die Futterstelle ist außerhalb des Katzennetzes und das haben sie, glaube ich, recht schnell begriffen.

    Dann war es regnerisch und heute schien die Sonne und dann waren die Wespen sehr erfreut. Die Rosinen waren aufgequollen und aufgeplatzt, rochen noch aromatischer als sonst und viele, ziemlich viele Wespen tummelten sich um die Futterstelle.

    Der Kater hat interessanterweise Angst vor Wespen, obwohl er meines Wissens nie gestochen wurde. Motten und Fliegen jagt er, vor Wespen läuft er davon.

    Mir waren es tatsächlich auch einige Wespen zu viel (30? 40?), also schloss ich heute am frühen Abend die Balkontür und wartete ab bis gerade eben. Die Wespen sind jetzt schlafen gegangen. Ich habe die Futterstelle gesäubert, die zermatschten Rosinen sind jetzt weg. Die Blumen habe ich bei der Gelegenheit auch gewässert. Ab morgen herrscht wieder Ordnung auf dem Balkon und die Vögel, naja, weiß ich auch nicht. Bestimmt gibt es jetzt einfach genug Insekten und Würmer. Sollen sie die fressen, die Rosinen halten noch bis zum Winter - schöner natürlich wäre, der Hersteller würde mir nett zurückmailen, dass ich sie selbst essen kann.


    Freitag, 17. Juli 2020

    Frau Fragmente sitzt an meinem Küchentisch und bloggt, ich sitze auch an meinem Küchentisch und blogge über Frau Fragmente. Keine 1,5 Meter Abstand zwischen uns. Frau Fragmente trinkt Cola Zero. Die Zeit macht hier einen kleinen Loop, ich bin ein wenig verwirrt und unsicher: haben wir Februar oder haben wir Juli? Das Wetter verrät es auch nicht. Aber nur ein paar Monate Pandemie und Frau Fragmente und ich können schon wieder gemeinsam an einem Tisch sitzen. Geht schon, alles.

    Wir sind arg verzögert, ich noch mehr als Frau Fragmente, dafür tippe ich natürlich schneller. Das liegt daran, dass wir zunächst Steak essen waren. Auch da waren wir glaube ich schon der Zeit hinterher, weil wir uns kurz wegen eines besonders starken Regenschauers unterstellen mussten, ich wurde heute schon mehrfach von Kopf bis Fuß nass und auf ein weiteres Mal hatte ich keine Lust. Dann das Steak. Wir saßen draußen, weil es drinnen nicht vertrauenserweckend aussah, das hatte ich mir schon so gedacht, deshalb waren wir warm angezogen. Also ich natürlich nicht, ich friere ja nicht, aber Frau Fragmente. Wir waren die einzigen Gäste draußen, zunächst, erst viel später kamen noch andere. Der Service war außerordentlich schlecht. Vermutlich aufgrundderaktuellensituation, Kurzarbeit oder sowas, ich bin mittlerweile nur noch enttäuscht aber nicht mehr überrascht darüber, dass alles, was es an Servicementalität mal gab offenbar von Corona (oder vom HomeOffice) dahingerafft wurde. Aber das ist ein anderes Thema. Das Steak war erfreulich. Nicht so grandios wie sonst aber es kann natürlich auch nicht immer gleich grandios sein, sagten wir einander gespielt verständnisvoll. Demnächst werden wir mal eine andere Location ausprobieren. Vielleicht können die immer gleich grandios sein.

    Dann kamen wir zurück und ich machte kurz den Abendanruf bei meiner Mutter, die hatte aber ein Computerproblem, das verzögerte den Ablauf weiterhin. Sie hatte sich aus einem Account ausgesperrt, das eine meiner Schwestern eingerichtet hatte und das mir vorliegende Passwort war das vorvorletzte (oder so), die Wiederherstellungsmail aber die der Schwester, die schon schläft um diese Zeit und die Wiederherstellungstelefonnummer in Schottland, alles sehr mühsam, Mama will doch Wordfeud spielen! Glücklicherweise sind meine Schwestern mit den Passwörtern nicht allzu kreativ und ich konnte es mir nach einigen Fehlerversuchen erschließen und auf Mamas Wunschpasswort ändern. Lustigerweise hätte das ganze auch notfalls nur zwei Tage warten müssen, dann sehe ich meine Eltern nämlich (erstmalig seit Karneval) wieder. Aber das wissen sich noch nicht, es wird eine Überraschung und daher konnte ich natürlich nicht vertrösten. Man macht was mit.

    So. Was sonst. Frau Fragmente hat ihr kleines iPad inklusive Ständer und Dings hintendran und ihre Klapptastatur dabei, neben ihr steht die Cola Zero (ohne Eis, ich hätte Eiswürfel, aber wegen der Verzögerung litt die Gastfreundschaft, ich stellte ihr einfach nur eine Flasche vor die Nase, während ich schon am Telefon war), auf der anderen Seite die iPad-Hülle und die Autoschlüssel. Der Autoschlüssel, es ist natürlich nur einer, warum sagen man so oft "die Autoschlüssel"? Das fällt mir jetzt gerade auf. Ansonsten ist Fragmente büromäßig gekleidet, sie war ja auch im Büro. Selbst ihr Schirm war seriös. Meiner war weiß mit bunten Punkten.

    Unterwegs dachte ich kurz, Fragmentes Schirm würde ein merkwürdiges Geräusch machen. Als wir uns in einem Hauseingang vor dem Regen untergestellt hatten. Nein, erst dachte ich, sie hätte sich gegen eine Klingel gelehnt, die weit im inneren des Hauses ein Zirpen macht. Fragmente sagte aber, es sei der Schirm, sie schlug ihn gegen die Stufen und sagte, "das war das Geräusch". Damit meinte sie das Klopfen, das meinte ich aber ja gar nicht, ich meinte eine Schwingung und dachte, sie meint, die Gräten vom Schirm (das heißt nicht Gräten, oder? Streben?) würden diese Schwingung erzeugen, weil sie genau in diesem Moment wieder auftrat. Es war aber nicht der Schirm, es war etwas anderes. Was fanden wir nicht heraus, der Regen prasselte zu laut.

    Donnerstag, 16. Juli 2020

    Frau Fragmente schreibt heute über Narbengeschichten - wir bloggen heute nicht zusammen, das wird morgen stattfinden, aber ich schreibe nun einfach auch über Narbengeschichten.

    Ich habe, glaube ich, nur sehr deppige Narben (also von den üblichen am Knie, die vom Hinfallen stammen, abgesehen - okay möglicherweise sind auch die deppig.)

    Die erste, an deren Entstehung ich mich erinnere, ist eine waagerechte Narbe an der Nasenwurzel. Wie es zu ihr kam ist eigentlich absolut unerklärlich, ich versuche es trotzdem. Es war im Schwimmbad, im tiefen Becken, wir versuchten, bis zum Boden zu tauchen, es war schwierig für uns aber ich wollte es unbedingt schaffen. Also holte ich tief Luft und tauchte los mit so viel Kraft, wie ich aufbringen konnte. Ich konnte unten dann nicht rechtzeitig abbremsen und "knallte" (wie ist das im Wasser möglich?) mit dem Kopf, also mit der Stelle zwischen Stirn und Nase (wie ist das möglich? Meine Nase ist nicht sehr flach) auf den Boden vom Schwimmbecken, als ich wieder auftauchte, war alles voll Blut, ein Rieseneklat im Schwimmbad, zu Hause wurde diskutiert, ob man das jetzt Nähen lässt oder nicht und dann eben für "nicht" entschieden. Seitdem ist da die Narbe.

    Die nächste, vielleicht die deppigste Narbe habe ich am Oberschenkel. Ich habe mir ein Messer ca. 3 cm tief hineingestochen, nicht absichtlich natürlich. Über den tatsächlichen Grund habe ich so viele unterschiedliche Geschichten erzählt über die Jahre, dass ich ihn tatsächlich nicht mehr weiß. Diese Narbe musste genäht werden. Ich dachte erst nicht, hatte alles mit Heftpflaster gut verklebt aber es blutete dann doch durch alles durch und dann rief jemand den Krankenwagen.

    Dann habe ich zwei Narben an den Fingerknöcheln. Die eine stammt von der Entfernung einer sehr kleinen Warze und ist größer, als die Warze je war. Die andere stammt von einem Sturz von einer Mauer in betrunkenem Zustand.

    Noch eine enorm deppige Narbe, allerdings über die Jahre so verblasst, dass man sie nur noch sieht, wenn man danach schaut: eine kreisrunde Brandnarbe mitten auf der Wange (ich weiß auswendig nicht, auf welcher und bin zu faul, nachzuschauen). Da hat mir meine beste Freundin bei einer trunkenen Umarmung eine Zigarette ins Gesicht gedrückt, versehentlich natürlich. Behandlung durch a) Brandsalbe und b) Ingorieren.

    Eine weitere Narbe habe ich am Handgelenk, Innenseite. Die stammt von einem Rattenbiss. M hatte ja einige Zeit lang Ratten und eine davon bekam einen Tumor, wir ließen sie operieren - das hat sich gelohnt, sie lebte danach noch über ein Jahr sehr zufrieden. Allerdings biss sich das dumme Tier nach der Operation die Naht immer wieder auf und so musste man ihm zweimal täglich den Bauch spülen mit Betaisodona-Lösung. Das findet eine Ratte nur recht begrenzt witzig und einmal hatte ich den Schutzhandschuh eben nicht korrekt angezogen. Der Biss war etwas gruselig, er ging recht tief, so dass ich etwas in meinem Handgelenk sah, das ich als "Hülle" meiner Pulsader interpretierte, weil es halt pulsierte. Vielleicht war es aber auch etwas ganz anderes, ich habe in Wirklichkeit keine Ahnung, wie Adern aussehen. Auch hier stand "Nähen" im Raum, aber ich hatte erst zu viel zu tun und als ich später im Krankenhaus anrief wurde mir gesagt, dass man Tierbisse nur sehr frisch näht, weil sonst die Infektionsgefahr zu hoch sei.

    Die letzten zwei Narben sind die kleinsten, aber stammen von meiner spektakulärsten Verletzung (bisher und hoffentlich für immer!), die ich mir beim Kampfsport zuzog, als ich mir jemanden auf mein eigenes Bein warf. Das resultierte in einem Kreuzband-Innenband-Meniskusriss, der in diesem Blog aber schon mehr als ausreichend besprochen wurde (Einträge dazu zwischen dem 21. Juni 2017, OP-Termin und 29. Juli 2017, Abnehmen der Orthese).

    November seit 6601 Tagen

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