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    Mittwoch, 15. Juli 2020

    Heute habe ich eine sehr nette Mail bekommen. Ich hatte bei einem Versandhändler mehrere Kleidungsstücke bestellt und dann zwei zurückgesendet. Gestern kam eine Mahnung für eines dieser Kleidungsstücke und ein Blick in mein Kundenkonto zeigte, dass es nicht als zurückgeschickt markiert war - das andere aber schon. Der ganze Fall wurde zusätzlich verkompliziert, weil zu der Sendung noch ein anderes Kleidungsstück gehörte, dass ich sehr, sehr gerne behalten wollte, aber leider hatte es sich nach dem ersten Waschgang sozusagen teilweise aufgelöst. Das hatte ich reklamiert und eine Gutschrift erhalten. Der Mahnbetrag war also zwar nur sehr gering, in Wirklichkeit hätte ich aber ein Guthaben gehabt, von dem man durchaus schon nett Abendessen gehen kann.

    Darüber zeigte ich mich morgens in einer Nachricht an den Versandhändler "überrascht über die unglückliche Situation". Und das führte dazu, dass ich nur eine halbe Stunde später eine sehr nette Mail von Eva mit vielen Grüßen aus Berlin bekam. Eva machte sich die Mühe, mein Paket noch einmal hervorzuziehen und "manuell zu untersuchen". Tatsächlich fand sie dabei den zweiten Artikel und schrieb mir umgehend den Betrag gut. Von wo Eva das Paket genau hervorzog, schrieb sich nicht. Möglicherweise hat sie sehr lange Arme, denn meine Rücksendung ging nach Süddeutschland.

    Jedenfalls, dieser Vorgang hat mich "überrascht und erheitert". Natürlich hätte Eva auch einfach schreiben können "wir können das alles leider nicht nachvollziehen aber glauben Ihnen als geschätzter Kundin natürlich und erstatten aus Kulanz". Aber, zugegebenerweise: das wäre bei weitem nicht so lustig gewesen.

    Dienstag, 14. Juli 2020

    Und für mich ist es auch ein guter Sommer, der sich schon seit Wochen nach Ferien anfühlt, obwohl ich gar nicht frei habe. Aber weil kein Kind geweckt werden muss und es keinen Badezimmer-Stau gibt, kann ich viel länger schlafen, ich habe ja sowieso keine festen Anfangszeiten. Und weil ich aus März/April (und vorher) so viele Überstunden habe, muss ich, auch wenn ich spät komme, nicht länger bleiben. Und es steht auch überhaupt nichts absolut Dringliches an.

    Ferienstimmung.

    Montag, 13. Juli 2020

    Ich glaube, M hat einen richtig guten Sommer und das liegt an Corona. Normalerweise ist es ja so: es sind 6 Wochen Sommerferien und jede Familie fährt irgendwann 2-3 Wochen (oder auch länger, wenn es Familie im Ausland gibt) weg, dann sind noch 1-2 Wochen für irgendwelche Sport- oder Sprachcamps verplant. Und weil sich diese ganze Pläne eher nach den Verpflichtungen der Eltern als nach den Wünschen der Kinder richten, sind dann die Cliquen über den Sommer auseinandergerissen, weil die Wochen, in denen sich die befreundeten Kinder gleichzeitig zu Hause aufhalten, nicht identisch sind.

    Das ist dieses Jahr anders, eben weil ja so gut wie niemand wegfährt. Dieses Jahr ist sehr viel Badesee angesagt und gemeinsames Abhängen in den verschiedenen Häusern und Gärten und Wohnungen - immer da, wo die Erwachsenen gerade nicht sind. Wenn in irgendeinem Haushalt die Erwachsenen arbeiten oder für ein paar Tage Verwandschaft besuchen oder sonstwie abgängig, sind, dann ist das der Ort, an dem die Teenager zu finden sind. Was sie genau tun ist unklar aber es erfordert in jedem Fall viele Softdrinks, Snacks, häufig ist auch einfach der Kühlschrank leer, wenn man zurückkommt und oft gibt es eine Meldung von Paypal, dass etwas für einen Lieferdienst abgebucht oder eben Badeseetickets bestellt wurden. Komme ich von der Arbeit nach Hause, ist niemand da, aber es war jemand da, das sehe ich an den leeren Flaschen und Chipstüten.

    Das Kind kommt bei Einbruch der Dunkelheit heim, das Handy in der einen Hand, mit der anderen winkt es "Hallo" und schiebt mit dem Fuß die Tür zu ihrem Zimmer zu. Später wird die Tür wieder geöffnet und mit dem anderen Fuß (oder auch demselben ) werden viele Handtücher und Badekleidung und auch immer erstaunlich viele fremde T-Shirts vor die Wäschekiste geschoben - nie bis hinein, das geht ja auch mit dem Fuß nicht.

    Wenn ich schlafen gehe, macht sie sich nochmal Essen, wenn ich im Bett liege, videochattet sie, das ist ziemlich laut, viel Lachen, viel Kreischen, viel Fluchen und Schreien und man fällt sich ins Wort, aber für mich immer eine schöne Einschlafgeschichte und außerdem so gut wie die einzige Möglichkeit, etwas über den geplanten Ablauf des nächsten Tages zu erfahren.

    Manchmal wache ich gegen 3 Uhr nochmal auf, weil die kleine Katze durchdreht und denkt, es wäre Morgen, weil nämlich die Dusche läuft. Dann sehe ich auch das Kind noch einmal kurz, um diese Uhrzeit ist es immer ausnehmend gut gelaunt und sehr zugänglich, umarmt mich, gibt mir einen Gute-Nacht-Kuss und verschwindet in ein Handtuch gewickelt und mit tropfenden Haaren im Bett - es wird dann nicht mehr laut telefoniert sondern geflüstert oder leise gesungen oder irgendwie herumgeräumt.

    Wenn ich am nächsten Morgen zur Arbeit gehe, schläft sie noch tief und fest und komplett selbstvergessen und ich streichele ihr über die Haare, die immer noch etwas feucht sind.

    Ja, ich glaube tatsächlich, der Coronasommer ist ein schöner Sommer für die Teenager.

    Sonntag, 12. Juli 2020

    Den heutigen Tag verbrachte ich weitgehend stationär im Sessel. Ich weiß nicht, ob es Ermattung oder Entspannung war, jedenfalls schlief ich immer mal wieder ein und war in den wachen Phasen nicht gewillt, mich zu erheben. Irgendwann schleppte ich mich zum Einkauf, ließ Getränke liefern, machte Abendessen und ließ ein paar Ladungen Wäsche laufen.

    Dann hatte ich von etwa 20 Uhr bis 23 Uhr eine extrem fitte Phase - die ich zwar auch im Sessel verbrachte, aber mit der Überzeugung, dass mir noch der Großteil der Nacht zur Verfügung steht, um ganz außerordentliche Leistungen zu vollbringen oder zumindest ein Bananenbrot zu backen, sehr viel Wäsche zusammenzulegen und 1 - 3 Schränke auszusortieren.

    Statt dessen gehe ich jetzt aber wohl einfach schlafen.

    Samstag, 11. Juli 2020
    Fortsetzung der Corona-Chronik

    Wie ging es weiter mit Corona?

    Am 18. Mai starteten wir die erste Rückkehrerwelle ins Büro, komplett freiwillig, nur die, die (aus den unterschiedlichsten Gründen) wollten. Das waren knapp ¼, ich war auch dabei und an den ersten Tagen war ich sehr überfordert von den “vielen” Menschen, von ihrer Körperlichkeit. Es sind mehr Sinneseindrücke, wenn einem jemand gegenübersteht als wenn er in einem kleinen Kästchen zu sehen und zu hören ist. Ich war mehrere Tage sehr angestrengt und sehr müde, besonders vom ständigen Reden, denn alle redeten viel mehr als sonst miteinander. Und ich musste immer und immer wieder über die Covid-Arbeitsschutzmaßnahmen reden, in alle Richtungen: warum dürfen nur 2 Personen in die Küche, die ist doch groß. Warum dürfen 2 Personen in die Küche, um Himmels Willen, das ist doch gefährlich! Müssen wir im Gang Maske tragen, warum müssen wir im Gang keine Maske tragen, warum trägst du eine Maske im Gang, soll ich in deinem Büro die Maske aufsetzen, soll ich in deinem Büro die Maske absetzen, winken wir uns zur Begrüßung zu, dürfen wir Besucher einladen, warum rennt ständig die Putzfrau herum, könnten wir nicht mehr putzen lassen und so weiter. Ich habe in diesen Tagen ganz massiv etwas erfahren, was eigentlich jeder weiß und was man ständig sagt: “man kann es nicht allen Recht machen”. In Bezug auf Corona kann das auf gar keinen Fall, weil hier eine Extremsituation auf die eigenen Vorerfahrungen trifft. Es ist unmöglich, das auf einen Nenner zu bringen, und die Herausforderung ist, die ganz unterschiedlichen Einschätzungen auszuhalten.

    M hat seit dem 18. Mai wieder Schule - also jeweils mittwochs von 7:45 Uhr bis 10:20 Uhr. Sonst nicht.

    Am ersten Arbeitstag war ich mit dem Auto zur Arbeit gefahren, um Akten zu transportieren. 19. Mai fahre ich mit dem Rad. Ich habe beschlossen, nicht S-Bahn zu fahren, weil: viel zu gefährlich. Ich habe auch beschlossen, weiter 2 Tage pro Woche von zu Hause zu arbeiten, um das Kind noch etwas zu beaufsichtigen.

    Am 22. Mai arbeite ich nochmal von zu Hause aus, am 26. Mai auch, danach nicht mehr, weil es mir einfach zu blöd ist. Sollte eine zweite Welle kommen, werde ich sie im Büro aussitzen. Mademoiselle fährt nun auch wieder überall mit dem Bus hin.

    Am 24. Mai treffen Herr N. und ich uns zum ersten Mal seit die Kontaktbeschränkungen begannen mit mehr als einer anderen Person, nämlich mit einer befreundeten Familie. Draußen, im Garten. Jemanden in der Wohnung zu besuchen kann ich mir noch nicht vorstellen.

    Um den 27. Mai herum wird bekannt, dass sich im Umkreis einer religiösen Veranstaltung in Frankfurt über Hundert Personen mit dem Coronavirus infiziert haben. Das ist für mich beruflich der Anlass, das Sommerfest abzusagen. Wir hatten bis dahin überlegt, es ist draußen, vielleicht ist im Juni/Juli mehr möglich. Aber wir wollen nach dem Frankfurter Bethaus nicht der Frankfurter Arbeitgeber sein, bei dem sich alle bei einer Feier infiziert haben. Die Presse kann man sich nicht leisten. Ich sortiere weiter die Arbeitsplätze im Büro auseinander, damit - auch wenn weitere Personen zurückkehren - möglichst jede*r ein einem Einzelbüro sitzt.

    Am 31. Mai besuchen Herr N. und ich eine Freundin in ihrer Wohnung, im Vorfeld fantasieren wir, dass wir natürlich auf dem Balkon sitzen werden aber tatsächlich sind wir die ganze Zeit drinnen.

    Am 2. Juni lassen wir die zweite Rückkehrerwelle ins Büro kommen, immer noch freiwillig. Ich bin über die unterschiedlichen Reaktionsweisen erstaunt: manche, die fußläufig ganz in der Nähe wohnen, möchten lieber noch zu Hause bleiben, während einige Zugreisende unbedingt zurück wollen. Aber wie gesagt, es sind unterschiedliche Einschätzungen aufgrund unterschiedlicher Vorerfahrungen. Das "Richtige" für alle gibt es nicht. Ich fahre ab Anfang Juni wieder ganz normal täglich mit der S-Bahn zur Arbeit.

    Am 12. Juni haben wir zum ersten Mal wieder Besucher im Büro. Eine kleine Gruppe und sie kommen abends, direkt über die Tiefgarage, was etwas lustig ist, denn es ist ja nicht der Zugang zum Bürogebäude das potentiell dumme Verhalten, das man verbergen möchte, sondern das Zusammensitzen im Besprechungsraum.

    Am 14. Juni kommt erstmalig seit März wieder Besuch in meine Wohnung - dann auch noch solcher, den ich nicht kenne, es sind Bekannte vom Gesangslehrer, der mein Wohnzimmer für einen Videodreh benötigt. Es ist etwas merkwürdig, nicht zusammenzusitzen aber wir überlassen die Besucher einfach im Wesentlichen sich selbst. Weil er schon einmal da ist, bietet der Gesangslehrer mir auch eine Unterrichtsstunde an, also live, normal machen wir das ja per Video. Ich überlege kurz: Singen scheint ja so ziemlich das blödeste zu sein, das man in Bezug auf Virusverbreitung machen kann. Aber der Gesangslehrer war nun sowieso schon in meiner Wohnung, ich habe große Räume und hohe Decken und eine offene Balkontür. Also machen wir die Gesangsstunde. Zum Karaoke würde ich aber keinesfalls gehen, in so einem kleinen Raum ist das etwas ganz anderes.

    Am 16. Juni installiere ich mir, ganz early Adoptress, die Corona-WarnApp.

    Am 18. Juni gehe ich erstmals wieder in ein Restaurant, zusammen mit Frau Fragmente. Wir sitzen draußen. Und am 21. Juni gehe ich mit einer Freundin in ein Eiscafé, auch da sitzen wir an Tischen draußen.

    Zusätzlich werde ich im Juni zeitweise recht angestrengt. Ich habe keine Bock mehr auf Corona, das ist mir alles zu mühsam, ganz besonders das ständige Gerede über Corona, die ständigen Ausreden augrundderkatuellensituation, ich bin an den Punkt, an dem ich denke “meine Güte ja, es ist, wie es ist, es muss nichts mehr darüber gesagt werden, macht halt und hört das Gejaule auf”. Erfreut stelle ich aber auch fest, dass sich mein Kalender langsam wieder füllt.

    Die nächste und letzte Rückkehrerwelle im Büro kommt am 22. Juni, es sind jetzt nur noch ganz vereinzelte Personen aus individuellen Gründen zu Hause. Wir sind damit in den Frankfurter Bankentürmen eher früh als spät, nicht die allerersten, aber vermutlich unter den ersten 20 %. Das liegt in weiten Teilen an unserer Bürostruktur: ich kann die meisten Personen einzeln setzen und nur sehr wenige sind zu zweit in ihrem Raum. Ich lerne sehr viel über Lüftungsanlagen in Hochhäusern.

    Am 26. Juni fahre ich mit Frau Fragmente Auto. Ich bin ganz erstaunt, dass sie das anbietet, schließlich ist das eine Begegnung auf recht engem Raum. Wir fahren zusammen zum Badesee, der seit ein paar Tagen geöffnet hat und natürlich herrscht auch dort Abstandsgebot und Maskenpflicht (an Ein- und Ausgängen und Verkaufsständen, im Wasser natürlich nicht). Abends gehen Herr N und ich mit einer Freundin in ein Lokal, um zu essen und zu trinken, aber wir haben einen Sitzplatz draußen reserviert.

    Am 27. Juni gehe ich zum Karaoke, mit Frau Violinista. Anschließend übernachtet sie bei mir. Neben mir sitzen möchte sie die ganze Zeit aber nicht, was ich ganz und gar eigenartig finde, denn nachdem wir 4 Stunden gemeinsam in einem ca. 6 qm kleinen Raum zusammen gesungen haben denke ich, auf den Abstand kommt es jetzt wirklich nicht mehr an. Aber auch hier gilt: jeder bewertet das Risiko anders und das muss man aushalten können.

    Am 29. Juni wollten Herr N, M und ich nach England fiegen, um Ms Austauschfamilie für da Schulhalbjahr ab September kennenzulernen. In Großbritanninen herrscht aber noch eine 2-wöchige Quarantänepflicht für Einreisende. Die Lufthansa streicht zum Glück die Flüge und so können wir die Reise kostenfrei stornieren.

    Im Juli werde ich mit der Maske nachlässig. Ich erwische mich dabei, wie ich sie gedankenverloren beim Einpacken der Einkäufe schon abnehme (weil ich die Handtasche schließen will), nicht erst am Ausgang des Geschäfts. Einmal setze ich sie an der Bahn auf, steige ein und setze sie dann ab, so, wie man eine Jacke ablegt. Einmal vergesse ich sie morgens gleich ganz zu Hause. Jedes Mal korrigiere ich mich hastig. Ich halte das für eine ganz normale Fehlerreaktion: wenn etwas ganz neu und aufregend ist, achtet man sehr darauf, wird es dann zur Routine und die Aufmerksamkeit lässt nach, kommt es zu Zwischenfällen, bis diese Routine sich endgültig eingeschliffen hat.

    In den ersten Julitagen gehe ich auch erstmalig wieder in ein Restaurant drinnen. Das ist so nicht geplant. Ich bin mit zwei Kolleginnen unterwegs und wir hatten uns verständigt, draußen zu sitzen. Nun ist es aber so, dass Sitzplätze draußen nur in der prallen Sonne verfügbar sind und deshalb gehen wir doch nach drinnen gehen. Dort ist es auch sehr leer. Allerdings nur für ca. 15 Minuten, dann bricht die kollektive Frankfurter-Bankenviertel-Mittagspause über uns herein und es wird voll. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, nicht ganz angenehm.

    Am 9. Juli gehe ich abends mit einem Kollegen aus und vergesse Corona erstmals für mehrere Stunden ganz komplett. Weil es einfach keine Rolle spielt an dem Abend. Ich bin danach unglaublich erholt. Zusammen mit Corona vergesse ich an diesem Abend auch zum ersten Mal seit dem 12. März den täglichen Anruf bei meinen Eltern.

    Am 10. Juli wird der (für Anfang August geplante) Flug meiner Schwester von Schottland nach Deutschland gestrichen. Sie nimmt das als Anlass, die Reise komplett abzusagen. Das ist einerseits schade, andererseits waren wir alle schon in Sorge um den Schutz meiner Eltern, bei denen Sie während ihres Aufenthalts gewohnt hätte - es ist vielleicht so die bessere Lösung.

    (to be continued)

    Freitag, 10. Juli 2020

    Ich hatte heute einen Abend wie ohne Corona und ich glaube, das hat mich mehr entspannt als alle anderen Entspannungsversuche bisher. Ich war mit einem Kollegen verabredet und wir schlenderten in die Stadt, um irgendwo draußen einen Tisch mit nicht allzu vielen Leuten drumherum zu finden. Dann saßen wir da, aßen, tranken und unterhielten uns. Das Besondere (und heute eben besonders entspannende) an den Unterhaltungen mit dem Kollegen ist, dass wir - aus einer Tradition heraus - jeweils zu Beginn des Treffens jeder ein Thema nennen, das keinesfalls erwähnt werden darf. Das war anfangs schwierig, mittlerweile sind wir darin recht gut geworden. Mein Thema war "Corona" und so hatte ich einen zumindest in Bezug auf die Unterhaltung komplett coronafreien Abend.

    Sowieso war es vor dem Irish Pub auch leicht, die Pandemie zu vergessen, das Ganze Szenario wirkte wie ein Sommerabend, aus dem aus unerklärlichen Gründen mal wenig los ist - so, als ob es vielleicht Montag wäre oder früher Morgen statt Abend. Die meisten Tische waren nicht besetzt, nur wenige Personen in Sichtweite, auch wenige Spaziergänger oder Radfahrer. Alles natürlich relativ zu sehen, normal ist die Innenstadt an einem Donnerstagabend eben rappelvoll, die S-Bahn auch und der Bahnsteig sowieso. Alles nicht der Fall. Das fühlte sich etwas ungewohnt an, aber nicht unangenehm.

    Ich bin jetzt sehr, sehr ausgeruht.

    Donnerstag, 9. Juli 2020

    Frau Fragmente sitzt in ihrem Schlafzimmer und bloggt, ich sitze an meinem Schreibtisch und blogge über Frau Fragmente. Wir haben heute im Schlafzimmer eine andere Perspektive, sie zeigt in den Flur. Ich dachte mir erst nichts dabei doch gerade sagte Frau Fragmente beiläufig "ich hole mir noch was zu trinken -murmelmurmel-ohwartemal-nicht-dass-du-den-falschen-Bildaussschnitt-siehst." Höchst verdächtig. Ich schreibe schnell auf, was ich sehe, nun wo die Kamera sich etwas gedreht hat: Das halbe Bett, darauf ein großer Zalando-Karton und zwei kleine New Balance Kartons, huch, jetzt hat sich das Licht ausgeschaltet, oh jetzt ist es wieder an aber sie hat die Kamera weggedreht. Nunja. Jetzt sehe ich den Schreibtisch mit dem üblich Setup (iPad, Klapptastatur, Lichterkette, Cola Zero mit Eiswürfeln) und einen Wäschekorb, darin eine weiß-gelb-rote Schachtel, Details nicht zu erkennen. Die gerade eben noch vorgeführten rot-orangefarbenen Schuhe stehen im Hintergrund mitten im Weg; Frau Fragmente ist ein kleiner Schludri.

    Was gibt es zu berichten? Eigentlich sehr viel, wenig davon aber aufschreibgeeignet. Die Tage sind wieder voll und lang derzeit, viele Gespräche, viele komplexe Situationen, viele Strategien, die aufgehen oder vielleicht auch nicht. Die Räume sind sehr weit offen, würde man im Fußball glaube ich sagen, die möglichen Optionen, in die sich die Situationen entwickeln können, liegen vor mir wie ein Netz, ich liebe es, dieses Netz zu navigieren, mein Kopf ist voll von diesen Überlegungen aber die Gedanken dazu sind noch zu breit, zu wenig konsolidiert, als dass ich sie äußern könnte. Das hat man hier in den letzen Tagen bemerkt.

    Ich muss mich daher an die kleinen Dinge halten. Im Bad ist die Fenstergardinenstange abgestürzt. Ich habe von der Freundin mit Garten Zucchini, Kohlrabi und Sommeräpfel bekommen. Die Kohlrabi ist noch unangetastet, die Zucchini ganz vorzüglich mild-nussig, die Sommeräpfel hab ich zu einem Kuchen verarbeitet und dabei habe ich das Backpulver vergessen. Mein Kopf ist voll von Netzen, Situationen und Optionen, wer kann da an das Backpulver denken?

    Huch, jetzt ist Frau Fragmente verschwunden. Also nicht nur sie selbst sondern das ganze Bild. Genug Spaß für heute? Ich sehe jetzt plötzlich mich selbst, gleich mehrfach, weil sich der Bildschirm in der Balkontür spiegelt und darin dann wieder der Bildschirm,der sich in der Balkontür spiegelt etc. Ich muss schon wieder zum Friseur, glaube ich? das kann doch gar nicht sein, ich war schon zweimal seit Corona! Ich würde in meinem Kalender schauen, nur habe in den in den letzten Monaten nicht gepflegt, erst, weil man ja sowieso keine Termine hatte und dann, weil ich aus der Übung gekommen bin. Ah, da kehr Frau Fragmente zurück und sie verlinkt jetzt irgendwas mit Musik. Wird das eine Art Kunstprojekt, ihr Blogeintrag, oder was? Ihr Glas ist jetzt auch plötzlich halb leer, wer weiß, was sie in der Zeit, in der das Bild weg war, alles gemacht hat? (Spoiler: den Schuh aufgeräumt nicht!)

    "Ich habe gar kein Thema", sage ich zu Frau Fragmente. "Ich schon!" antwortet sie. Ich habe in Wirklichkeit ganz viele Themen, aber sie sind mir dieser Tage alle zu viel, ich müsste ihnen einen größeren Teil meiner Aufmerksamkeit widmen, als ich momentan abends noch frei verfügbar habe.

    Frau Fragmentes Glas ist jetzt zu Dreivierteln leer, ich habe sie wieder nicht trinken sehen, wie um alles in der Welt macht sie das? Und ist das Bloggen beendet, wenn das Glas leer ist, ist das ein heimliches Signal, dass ich noch nie beachtet habe bisher? Heute werden wir es erfahren. Also ich, Sie nicht, ich höre nämlich an dieser Stelle auf.

    Mittwoch, 8. Juli 2020

    Schlafen hilft. Ich habe jetzt zwar noch viel mehr zu tun als vorher, aber jetzt erscheint es wieder alles interessant und unterhaltsam.

    Dienstag, 7. Juli 2020

    Heute ist mir alles zu anstrengend und zu kompliziert, aber das liegt nur daran, dass ich immer noch nicht richtig geschlafen habe. Ich bin mir ganz sicher, nach 8 Stunden Schlaf löst sich alles in Wohlgefallen auf.

    Gute Nacht.

    Sonntag, 5. Juli 2020
    WmdedgT 7/2020

    (Alles zu WmdedgT hier.)

    Miserabler Schlaf, ich fuhr weiter Achterbahn und duckte mich vor Weltallgeschossen. Um 5 Uhr wie schwer verkatert aufgewacht, dann nochmal komatöser Schlaf bis 9:30 Uhr, immer noch bleimüde aber keine Lust mehr, weiter Zeit mit Schlaf zu verschwenden.

    Die Küche sah aus wie weiß ich nicht und ich weiß auch nicht warum. Ich war doch gar nicht da? Hatte ich abends noch irgendwas da gemacht? Offenbar. Um in den Tag zu finden, begann ich, Kirschen zu entsteinen. Vielleicht gab es auch Frühstück? Ich bin wirklich nicht sicher.

    Die Bestandteile des Vormittags bis 15 Uhr in mir nicht mehr gegenwärtiger Reihenfolge waren jedenfalls: Kirschen entsteinen (in Etappen immer mal wieder), Spülmaschine ausräumen, Duschen und ankleiden, Kistenzeug sortieren, mit Laptop im Sessel sitzen und an der Geschwindigkeit erfreuen, Kleidung sortieren, Fenster wegen Sturm schließen (mehrfach), Fenster wegen Luftbedürfnis öffnen (mehrfach).

    Ab 15 Uhr bekam der Tag Struktur. Da hatte ich nämlich Gesangsstunde, es lief heute generell ganz gut aber nach 30 Minuten war plötzlich und unerklärlich die Stimme weg. Also: fast ganz weg. Sehr befremdlich. Nach viel Wasser und Isla-Moos ging es zum Sprechen wieder, zum Singen weiß ich nicht, ich habe es seitdem nicht ausprobiert.

    Dann war online Kaffeeklatsch, ein paar Dinge erledigte ich nebenher und schwupps, schon Abend. Am Abend kochte ich die Kirschmarmelade und Bolognese und wartete dann ab, damit es dunkel wird und ich das Haus verlassen kann. Das war gerade vorhin der Fall und so fuhr ich einen Kofferraum voll mit Paketen zur Packstation, machte einen Schwenk über den Briefkasten und bedauerte, dass der Hermes und DPD-Store nicht geöffnet hatten - ein andermal die beiden dann.

    Jetzt sitze ich im Sessel, habe immer noch ganz leichte Gehirnschmerzen und mache gar nichts mehr.

    November seit 6606 Tagen

    Letzter Regen: 23. April 2024, 22:57 Uhr