Heute Morgen aufgewacht, barfuß auf dem Balkon gestanden und mich gefreut, dass alles so gut geregelt ist gerade, alles, was getan werden muss, im grünen Bereich, seit langem mal kein Grund, sonderlich unentspannt zu sein.
Heute Abend gedacht, wie viel zu erledigen ist, wie chaotisch alles ist, über was ich alles grübeln könnte.
Zwischen diesen beiden Momentaufnahmen hat sich rein gar nichts geändert. Außer offensichtlich irgendwas in meinem Kopf. Total absurd.
Ich wachte heute morgen gegen 5 Uhr auf, weil ein Herr auf der Straße sehr laut "Rivers of Babylon" sang. Man könnte sagen: grölte. Amüsiert schlief ich wieder ein.
Als ich gegen 7 Uhr vom Wecker erwachte, sang er immer noch. Er hatte zwischenzeitlich etwas umgedichtet und sang "Rivers of Offenbach" und sehr oft kam auch "schalalalala" vor. Weiterhin amüsiert stand ich auf, erledigte die Körperpflege, fütterte die Katzen, groß den Balkon und kehrte schließlich in ein Zimmer der Wohnung zurück, das zur Straße hinausgeht. Der Herr sang noch immer. Meine Güte.
Als ich das Haus verließ, hatte er aber aufgehört.
Als ich abends zurück kam, fuhr die Nachbarin von schräg unten drunter gerade in den Hof und rief durch das Autofenster, ob wir wenn sie geparkt habe kurz sprechen könnten. Ich bejahte und ging, während sie in die Garage fuhr, die Optionen im Geiste durch. Müllvergehen hatte ich keine begangen (der Feigenbaum ist noch nicht in der Biotonne versenkt), sowieso ist diese Nachbarin auch keine Müllkontrolliererin, so weit ich weiß. Post hatte ich keine angenommen, auch keine Zeitungen gestohlen, wenn ich Blumen gieße tropft es auf der Seite, auf der ihr Balkon nicht ist, es wurde nicht übermäßig gegrillt, niemand hat geraucht, das Garagentor ist geölt. Hm hm.
Dann stieg sie aus dem Wagen, ich fragte "Wie geht's euch denn?" und sie sprach, mit Leidensmiene: "Völlig gerädert, das ist ja schlimm momentan und besonders heute Morgen!" Sie sprach vom singenden Herrn und von anderen laut sprechenden Herren und manchmal auch Damen, die sich wohl häufig am Kiosk am Eck versammeln und von der Polizei, die sie dann ruft und die immer erst nach einer Stunde oder zwei kommt aber dann mit Martinshorn, so dass man dann auch wieder senkrecht im Bett steht.
Und ich muss leider sagen: außer von dem Babylon-Mann wusste ich von nichts. Ich dachte, der Kiosk habe sowieso aufgrundderaktuellensituation pleite gemacht oder mindestens derzeit geschlossen. Die letzte Ruhestörung, an die ich mich erinnere, war als vor zwei Jahren ebenfalls ein Mann in den frühen Morgenstunden gerne "Angela Merkel ich liebe dich" in Sprechgesang intonierte (ich habe den stimmlichen Verdacht, es könnte derselbe Sänger wie der von "Rivers of Babylon gewesen sein - gesehen habe ich aber beide nicht).
Es ist echt faszinierend, wie unterschiedlich das Empfinden für Lärm ist.
Frau Fragmente sitzt in ihrem Schlafzimmer am Schreibtisch und bloggt, ich sitze an meinem Schreibtisch und blogge über Frau Fragmente. Ich sehe heute zum ersten mal ihre Tischplatte aus der Nähe. Eiche würde ich sagen.
Frau Fragmente trägt heute ein Headset: große Kopfhörer und ein Mikro vor dem Mund. Es sieht sehr professionell aus. Ich selbst bin heute zerrauft, was zum einen daran liegt, dass ich zweimal in den Regen gekommen bin, zum anderen daran, dass ich bis eine Sekunde vor unserem Treffen noch in einer konkurrierenden Videoveranstaltung war und dann sind meine Haare auch noch zu lang. Aber das wird morgen behoben.
Ansonsten hatte ich heute einen recht entspannten Tag. Es gab wenige akute Fälle und ich hatte Zeit, mich komplexeren Themen zu widmen, mehrere Stunden am Stück in Unterlagen abzutauchen und so etwas. Das führt bei mir meistens dazu, dass ich die Zeit vergesse und mich auch später nicht mehr so genau erinnern kann, was ich gemacht habe. Aber was im Kopf ist, ist im Kopf, darauf wollen wir einfach mal vertrauen.
Frau Fragmente trinkt Cola glaube ich, vermutlich Cola Zero, die trinkt sie nämlich immer. Das erinnert mich daran, dass ich neue Getränke bestellen muss bzw. bestellen möchte, ich muss natürlich nicht, es gibt ja Wasser aus der Leitung, aber ich möchte auch Cola Zero haben. Allerdings kam ich diese Woche an jedem Abend zu spät nach Hause.
Ich trinke alles Mögliche, ich habe nämlich heute eine Aufgabe, die mich quasi am bloggen hindert: ich muss sehr viel aufessen. das liegt daran, dass die Gemüsekiste kam und die ist im Sommer immer viel umfangreicher, als ich es erwarte. Ich bin gedanklich ja noch im März, daher hatte ich mit der Sommerkiste nicht gerechnet. Nun ist diverses Zeug in den Kühlschrank zu packen und anderes muss heraus, außerdem war ein wirklich ganz riesiges Brot in der Kiste, von dem ich die Hälfte einfrieren muss und daher muss auch aus dem Eisschrank etwas raus. Aus dem Eisschrank musste Bananen-Joghurt-Eis raus, das ist schon aufgegessen. Nun habe ich das letzte Glas Apfelsekt (die Flasche musste raus) und eine Schale Ananas mit Melone (war schon essfertig vorbereitet und muss weg), mit Sahne (über das Ablaufdatum) und später sollte es im Idealfall noch Bananenmilchshake (sind sehr braun) geben. Wenn möglich wären zwischendurch noch einige runzlige Äpfel zu essen. Sie sehen, es gibt viel zu tun.
So, was noch? Frau Fragmente hat wieder ein Zöpfchen und hinter ihr steht eine Schublade ein wenig auf, an der Kommode, die möglicherweise Hemnes ist. Warum steht das auf? Hat sie da vorhin etwas rausgeholt? Als ich von meinem Webinar zu ihr wechselte, lief sie noch durch die Wohnung, holte die Tastatur und Ähnliches. Vielleicht ist die Schublade der Aufbewahrungsort der Tastatur. Über der offenen Schublade liegt eine Pappverpackung, es sieht verdächtig nach einer Amazon-Bestellung aus. Dahinter ist etwas Grünes aufgetaucht, auf die Ferne wirkt es wie ein Aufsteller mit Prospekten, aber das hat man in Privathaushalten ja eher nicht.
Meine Güte, Frau Fragmente tippt und tippt und tippt. ich sehe mich gewissermaßen unter Zugzwang, habe aber eigentlich heute echt einen chilligen Tag und will das am Abend nicht aufgeben. Worüber schreibt sie bloß? Ich hatte ja kurz überlegt, über das Thema "Home Office" zu schreiben, irgendwo habe ich dazu sogar ein Textfragment, das ich getippt habe, als ich mich einmal allzu sehr aufgeregt habe. Aber das ist jetzt auch schon wieder ein paar Tage her.
Oh, entweder ist das Bild eingefroren oder Frau Fragmente tippt jetzt einhändig so schnell wie sonst mit 6 Fingern. Mit der rechten Hand kratzt sie sich nämlich gerade am Kopf, die Tippgeräusche klingen aber munter weiter. "Man denkt, man kennt die Leute, aber dann erfährt man so etwas", sagte Fragmente vorhin noch als ich erwähnte, dass ich keine Minze mag. Also ich kann Minze durchaus essen, kein Problem, am Liebsten aber pur, denn ich finde, keine Speise und kein Getränk der Welt werden durch ihre Zugabe von Minze in irgendeiner Weise verbessert. Das hat Frau Fragmente erstaunt. Sie reagierte mit einem speziellen Blick, es ist ein kurzes Innehalten, ein Blickkontakt, der ein paar Millisekungen länger ist als normal, das ergibt ein Gefühl, als würde die Situation eingloggt, bestätigt, einmal Enter gedrückt. Novemberregen mag keine Minze [Blick] [Enter], für alle Ewigkeit gespeichert.
Frau Fragmente schreibt noch eifrig, aber mir reicht es für heute. Sowieso dachte ich ja über Nacht, mein Blog sei voll. Also vollgeschrieben, fertig, Ende. Weil die Einträge sich plötzlich im Header zeigten, es lief also über. Es hatte eine ganz andere Ursache, aber da ich mich nun eine Nacht darauf eingestellt hatte, vielleicht noch ein paar Tage unter sparsamer Verwendung von Buchstaben im Header weiterzuschreiben bis dann gar nichts mehr geht, bin ich mental noch nicht ganz von dem Thema weg und möchte heute nicht übertreiben.
Ich muss noch etwas schreiben, sonst kann ich nicht schlafen, denn ich habe gerade einen Brief vom Finanzamt geöffnet, "Rückfragen zu Ihrer Einkommenssteuererklärung 2018" und nun bin ich furchtbar freudig aufgeregt, denn ich kann alle Fragen sofort und aus dem Stehgreif beantworten. Nicht nur das: ich weiß sogar ohne zu schauen, wo die Unterlagen sind, die das belegen. Ich könnte Sie sogar - also genau Sie - anweisen, die bei mir zu finden: gehen sie ins Arbeitszimmer, setzen Sie sich an den Schreibtisch, linker Hand unter dem Schreibtisch steht ein Karton, darin ein graues Ablagekörbchen. In dem Körbchen sind jeweils Plastikhüllen betitelt "Steuererklärung 2020", "Steuererklärung 2019", "Steuererklärung 2018", "Steuererklärung 2017". Umgekehrt chronologisch, 2020 liegt ganz oben. Nehmen Sie also 2018 heraus, unter den ersten 10 Blättern im Stapel ist die erste geforderte Unterlage und die zweite müsste etwa mittig sein, wenn nicht ganz mittig so tendenziell noch in der ersten Hälfte.
Ich kann es gar nicht erwarten, das dem Finanzamt alles genau mitzuteilen, selten war ich so enorm gut vorbereitet, ich fühle mich wie manche der Kinder im Home Office, nein, Home Schooling, die alle Aufgaben und alle Zusatzaufgaben ganz und gar selbständig gemacht haben und nun hören, dass einfach durchweg alle versetzt werden - ich hoffe, das Finanzamt enttäuscht mich nicht in ähnlicher Weise.
Weil ich die Freude, zu antworten noch aufschiebe (ich soll bis zum 3.7., nächster Stapel-des-Grauens-Termin ist aber deutlich vorher, ich werde overperformen!), überlege ich derweil meine einleitenden Sätze für das Schreiben:
"Sehr geehrte Damen und Herren, besten Dank für Ihr Schreiben vom 15.06., das mich überrascht und enttäuscht" - nein, natürlich nicht, "überrascht und erfreut"? Aber Überraschung wäre zu viel, so überraschend ist es ja nicht, dass das Finanzamt nachfragt. Vielleicht "Ich freue mich über Ihr Interesse an meiner Einkommenssteuererklärung"? Das würde mir die Möglichkeit geben, wenn für 2019 auch noch etwas angefordert wird, zu schreiben "Ich freue mich über Ihr auch in diesem Jahr fortgesetztes Interesse an meinen Unterlagen". Aber es könnte sein, dass die Finanzbeamt*innen das falsch verstehen, am Ende noch ironisch auffassen. Naja, ich habe ja noch Zeit, darüber zu reflektieren. Weiß gar nicht, ob ich jetzt gleich zum entspannten Einschlafen Drosten höre oder über weitere Möglichkeiten des ersten Satzes im Schreiben nachdenke.
Über die Grußformel am Ende werde ich mir auch noch Gedanken machen, das übe ich derzeit in der beruflichen Korrespondenz mit Frau Fragmente und ich bin schon recht gut, die Ideen fließen, man muss nur einmal richtig loslassen, dann macht der Körper von selbst, das sagt auch der Gesangslehrer.
Insgeheim neidisch bin ich aber auf eine Grußformel der virtuellen Bürokollegin, die ich nie anwenden können werde. Sie lautet "Gruß, [Nachname]", zu verwenden als ultimativer Tadel am Ende eines schmallippigen Schreibens. Man muss dazu den richtigen Nachnamen haben, meiner ist nicht richtig, er ist zu lang und zu umständlich für einen knappsten Gruß. Ich kann Ihnen natürlich keine weiteren Hinweise auf den Nachnamen der virtuellen Bürokollegin geben, aber seien Sie versichert, dass die Emotion absolut rüberkommt wie ein Peitschenhieb. Wie gesagt, diese Möglichkeit steht mir nicht zur Verfügung jedenfalls nicht bis zum 3.7. (allzu weit in die Zukunft zu blicken habe ich mir 2020 gründlich abgewöhnt), aber ach fast schon wieder vergessen, ich wollte ja nett schreibejn, gar nicht tadelnd sondern freundlich-begeistert-aber-nicht-merkwürdig.
Das Lustiges ist, dass M momentan dienstags immer um Punkt 10 im Bett liegt und, wenn ich frage "gehst du schon schlafen?" empört sagt: "Ich habe morgen Schule!"
So, also ob sie nicht die letzten Jahre jeden Abend erst gegen oder nach Mitternacht geschlafen hätte, obwohl sie da immer am nächsten Morgen Schule hatte.
Wie es jetzt dazu kommt, dass ich montags schon so müde bin als wäre eine 100tägige Woche gewesen, erschließt sich mir nicht. Aber es ist so.
Vor ein paar Tagen ging mein Laptop kaputt, wobei man vielleicht auch sagen könnte, dass er schon vor ein paar Wochen kaputt ging, da fiel nämlich die ä-Taste ab und ließ sich nicht mehr befestigen. Nach ein paar Tagen der Eingewöhnung hat mich das nicht mehr gestört.
Dann brach aber eines der Gelenke am Bildschirm ab, der Laptop lässt sich also nicht mehr zuklappen und auch nur noch schlecht herumtragen, wurde also in der Benutzung sehr unkomfortabel. Und zum Schluss war noch der Stromanschluss so ausgeleiert, dass ich das Kabel beim Laden festhalten musste, sonst bekam es keinen Kontakt mehr. Auf Dauer keine gute Situation.
Erst wollte ich ein neues Gerät kaufen, fand dann aber ein von Mademoiselle abgelegtes Notebook in einem Schrank, es ist metallic-rot, das gefällt mir sehr gut. Allerdings ist es auch sehr langsam, was mich irritiert, denn ich habe alle Programme runtergeworfen außer Chrome. Mehr brauche ich ja nicht. Was kann da noch langsam sein?
Momentan (wir sind an Tag 3) habe ich noch die Hoffnung, dass das Gerät ständig irgendwelche Updates im Hintergrund zieht. Es war zwischen 2018 und letztem Freitag nicht eingeschaltet, vielleicht dauert da manches etwas länger. Sollte das alles so langsam bleiben, sehe ich keine große gemeinsame Zukunft für mich und Rot-Metallic. Dass es kein Bluetooth hat kann ich noch so gerade verschmerzen, aber langsam geht halt einfach gar nicht.
Wenn ich sehr viel neue Dinge höre oder erlebe, sehr viel sehe, sehr viel Input bekomme, kommt mir die Zeit im Rückblick unendlich vor.
So ein Tag war heute. In meiner Wohnung fanden Dreharbeiten statt mit größtenteils fremden Menschen, zwei Räume wurden erst komplett ausgeräumt und dann etwas umgeräumt, Geräte für Licht und Ton wurden hineingetragen, Markierungen erstellt, Szenen diskutiert, das war alles enorm spannend.
Als ich 10 oder 12 Jahre alt war, habe ich mit einer Freundin ein Hörspiel geschrieben und aufgenommen, allerdings kamen wir nie über die erste Szene hinaus. Die enthielt nämlich Pferdegetrappel und in Ermangelung eines echten Pferdes fanden wir immer neue und bessere Möglichkeiten, das Geräusch zu erzeugen. Dann waren wohl die Ferien oder das Wochenende oder was es auch immer war vorbei und damit auch das Hörspiel.
So ähnlich war es heute, es gab auch immer wieder neue und bessere Ideen, aber immerhin war man nach zwei Stunden schon bis Szene 2 gekommen. Das Ganze verlief insgesamt natürlich deutlich professioneller als mein Hörspiel und wurde daher auch fertig - sogar etwas vor der geplanten Zeit.
Und obwohl ich selbst gar nicht beteiligt war, habe ich so viel gesehen und gehört, dass ich mich an gestern schon nicht mehr erinnern kann. Da war ich wohl im Büro? Das kommt mir vor, als sei es mehrere Wochen her.
Frau N: Ich habe gehört, Sie feiern Corona-Party in meinem Büro?
OC: Naja, ach Frau N., man kann es sich nicht aussuchen aber es sind nur wenige Personen.
Frau N: Ich hörte von 10?
OC: Nein, nein, das habe ich nur gesagt, damit wir genug Platz haben. In Wirklichkeit sind es nur maximal 7.
Frau N: Also das geht so nicht. Wenn Sie mir sagen 10, dann plane ich mit 15 weil man weiß ja nie und lasse Ihnen einen Raum für 30 fertigmachen wegen Platz.
OC: Also eigentlich sind es maximal 5. Ich wollte nur vorsichtig sein.
Frau N: (schweigt)
OC: Ich wusste ja nicht, dass ich mit Ihnen sprechen darf. Ich dachte, ich muss mit IRGENDWEM sprechen.
Frau N: (schweigt)
OC: Eine andere Sache. Wer kann mir denn abends helfen?
Frau N: Wann abends und wobei?
OC: Wenn niemand mehr da ist, falls ich etwas brauche.
Frau N: Wenn niemand da ist, kann Ihnen niemand helfen, also sagen Sie mir lieber, bis wann jemand da sein sollte, damit diese Situation nicht entsteht.
OC: Ich habe gehört, dass Sie einen sehr filigranen Besetzungsplan haben und mir wurde dringend geraten, keine Unordnung in diesen Plan zu bringen.
Frau N: Ich habe von Ihnen gelernt, dass man sich immer entscheiden muss, was man am allermeisten will. Möchten Sie am allermeisten Unterstützung oder möchten Sie am allermeisten, dass ich glücklich bin?
OC: Ich möchte dazu nichts sagen.
Frau N: Also passen Sie auf, die Frau K sollte bis fast Mitternacht da sein, ich kann mit ihr absprechen, dass sie zur Not aushilft. Aber die ist aus einem ganz anderen Grund da, wir haben ein paar Umzüge, die Frau K wird also nicht für Meetings gekleidet sein sondern, naja, halt für Umzüge.
OC: Das macht gar nichts, das macht gar nichts. Wenn sie dann in das Meeting kommen sollte kann sie ja vielleicht die Maske abnehmen.
Frau N: Wieso soll sie ausgerechnet die Maske abnehmen, wenn sie ins Meeting kommt? Wenn sie allein Umzüge macht braucht sie die nicht, wenn sie aber zu ihrer Corona-Party rein soll eher. Da hat jeder momentan ganz eigene Sensibilitäten, ich verbiete hier garantiert niemandem, eine Maske zu tragen. Inderaktuellensituation!
OC: (fast erstickt vor Lachen) Ach Frau N., so eine Maske, und solche Umzüge, das war ein Missverständnis. Wenn ich an Sie denke, denke ich immer an Karneval!
Gestern schrieb Frau Fragmente folgendes:
„Warum machen wir das eigentlich?“, frage ich Novemberregen, und sie macht unverbindliche Laute und beißt in ihre Schlangengurke. „Darauf weißt du auch keine Antwort, hm?“ sage ich, und wir nicken und fangen an zu tippen.
Ich habe darüber natürlich noch weiter nachgedacht. Manche Dinge müssen bei mir erst einsickern, sich einen Weg zu Antwortkörnchen suchen, die dann zusammentragen und daraus ergeben sich größere Krümel, bruchstücke, eine Idee, die ich weiter verfolgen kann und irgendwann auch eine Antwort.
Bei einer Antwort bin ich noch nicht, aber ein paar Krümelchen habe ich zusammengetragen wie ein fleißiges Nagetier:
Ich schreibe schon immer Sachen. Seit ich mich erinnere. In Notizbücher, teilweise Tagebücher, lange Jahre Taschenkalender. Ich schreibe Sachen auf, die ich noch nicht bereit bin, zu vergessen. Gedanken über Bücher, Erlebnisse, Formulierungen, Öffnungszeiten, Einkaufszettel, Rezepte, Songtexte, Ideen, Pläne, Listen.
Irgendwann kam es dann so, dass ich häufiger an einem Computer saß als an einem Tisch mit Stift und Papier. Da hatte ich dann eine Internetseite, auf der ich zusammentrug und ich schickte mir selbst Mails. Dann war ich irgendwann in einem amerikanischen Lesezirkel und dort war es üblich, die Gedanken über die Bücher in einem Blog festzuhalten. Auf diese Weise, ganz grob, entstand dieses Blog.
Manchmal blogge ich ja längere Zeit auch nicht. Das heißt aber nicht, dass ich nichts schreibe. In den Blogpausen schreibe ich woanders. Nicht schreiben kann ich nicht, weil ich ja weiterhin bei manchen Sachen noch nicht bereit bin sie zu vergessen. Wenn ich phasenweise nicht blogge schreibe ich mir Mails, meist bleiben sie im Entwürfe-Ordner (Hauptsache, sie sind irgendwo), oder ich schreibe in ein Googledoc oder habe dann tatsächlich auch mal ein Notizbuch oder unordentliche Post-its.
Aber im Grunde ist es so, dass ich unendlich viel schneller tippe als ich mit dem Stift schreibe. Ich schreibe um die 600 Anschläge in der Minute, die Verbindung vom Kopf in die Finger ist ganz unmittelbar, das ist nicht immer gut, aber es erklärt, warum Papiernotizen für mich nicht mehr in Frage kommen. Viel zu umständlich und nie von überall so unkompliziert verfügbar wie eine Online-Lösung.
Dass es dann aber meistens das Blog ist und eben nur phasenweise Mail-an-mich-selbst oder Googledoc liegt daran, dass ich eine "Kontaktperson" bin: ich funktioniere zwar auch alleine, aber was mich wirklich anregt, beflügelt, pusht ist der Kontakt zu anderen. Ich mag Austausch, den Input, die andere Sichtweise, die Erweiterung des Horizonts. Ich schreibe nicht wegen des Austauschs, denn wie gesagt, ich schreibe sowieso. Aber ich ziehe - meistens - das Blog den privateren Lösungen vor, um dem Austausch eine Tür aufzulassen. Ich lasse immer Türen auf, meine Bürotür ist auch immer auf, zu Hause sind alle Türen immer auf, würde ich in einem Einfamilienhaus wohnen, stünde vermutlich die Eingangstür auf.
Und das sind die Puzzlestückchen, die ich als Antwort auf Frau Fragmentes Frage zusammengesammelt habe:
Ich schreibe weil ich noch nicht bereit bin, Sachen gedanklich ganz loszulassen. Und ich schreibe das in das Blog, um eine Tür zur Welt aufzulassen.
Frau Fragmente sitzt in ihrem Schlafzimmer am Schreibtisch und bloggt, ich sitze in meinem Büro und blogge über Frau Fragmente. Eigentlich hatte ich vor, den ganzen Eintrag heute in der dritten Person von mir zu schreiben, aber dann war es in echt nicht so witzig wie in meinem Kopf. Und wie ich heute schon jemandem mailte: Aufwand und Nutzen müssen sich die Waage halten. Was man anderen anweist, muss man natürlich selbst auch machen. Bzw. nicht immer. Aber das ist ein anderes Thema. Auch ein spannendes natürlich.
Es gibt lauter spannende Themen heute. Noch eins wäre eines, das ich Frau Fragmente offenbar zu Beginn ihrer Berufstätigkeit verklickert habe. Ich konnte mich null erinnern aber sie hat es mir vorhin berichtet und ich lauschte mit meiner ungeteilten Aufmerksamkeit. Schlaue Idee, erzähle ich vielleicht ein andermal oder vielleicht tut sie das ja auch.
Was mich eigentlich heute umtreibt ist die Frage: warum wird so wenig gefragt. Ich stelle das in allen möglichen Sachverhalten fest, gerade aber auch beruflich. Inderaktuellensituation, die eben viel Unsicherheit bringt und dann wir ganz viel spekuliert statt gefragt.
Ich habe neulich überlegt, ob man ein Unternehmen völlig transparent machen könnte, also in der Art, dass jede/r Zugriff auf alles hat (Lesezugriff natürlich nur). Auf das komplette Buchhaltungsssytem, auf die gesamte Kommunikation, einfach auf alles. Mir würde das sehr gut gefallen, zum einen natürlich, weil ich ja total neugierig bin, zum anderen aber auch, weil ich dann immer sagen könnte "na guck dir halt die Details und Zusammenhänge an und komm dann nochmal mit einer Meinung wieder".
Ich glaube, ich habe an meinem Standort etwa 80% Überblick über alles. Das ist schon recht viel. Etwa ein Jahr habe ich gebraucht - also neben meinen sonstigen Tätigkeiten - um die finanzielle Struktur zu verstehen. Als ich Anfang 2019 neu in meiner Position war, hatte ich ja mal jemanden um Hilfe gebeten und gefragt, was im Bereich Finanzen eigentlich so genau von mir erwartet würde. Die etwas spöttische Antwort war, dass ich "jede einzelne Bewegung in den Büchern" verstehen sollte. Und da ich recht kompetitiv auf Herausforderungen reagiere, hatte ich somit ein paar Tage später alle Zugriffsrechte und habe angefangen, mich damit vertraut zu machen. Ich darf behaupten, dass ich alle Bewegungen im Jahr 2019 gesehen und verstanden habe.
Hier sind wir dann aber auch gleich bei einer der Schwierigkeiten der völligen Transparenz: wer hat denn dafür die Zeit? Es kann ja nicht jede/r ein Jahr lang jeden Tag einen Zeitraum freiräumen, um Buchungen zu studieren, zumindest nicht, wenn das nicht zum eigentlichen Aufgabengebiet gehört.
Weltweit in meiner Organisation habe ich, schätze ich mal, 10% Überblick. Tendenz steigend, weil ich halt dauernd etwas frage und irgendwo reingucke. Die anderen machen das nicht so, das verstehe ich nicht, es ist doch alles so spannend! Genauso verstehe ich nicht, wieso nicht jede/r an den Videokonferenzen mit dem Chef von Allem teilnimmt. Natürlich sind nicht alle Einzelheiten spannend und er sagt selbst immer mal "sorry for being preachy" aber man will doch wissen, wer der Boss ist, wie der aussieht, wie er auf dem Stuhl zappelt, welche Mimik er hat und natürlich auch was er sagt. Ich finde immer, je mehr ich weiß, desto besser kann ich Zusammenhänge verstehen, mir Fragen beantworten, Probleme vorhersehen. Ich möchte im Grunde wirklich einfach alles wissen.
Und deshalb wundere ich mich auch, wie wenig ich gefragt werde. Klar, ich kann nicht alles teilen, weil es eben keine völlig transparente Organisation ist, aber vieles natürlich doch, viele Zusammenhänge klarer machen, viele Linien verdeutlichen.
Was mich auch noch wundert: viele Leute, die was wissen möchten, fragen jemanden, den sie gern fragen möchten. Aber nicht die Person, die mit ziemlicher Sicherheit die richtige Antwort hat.
Nunja. Vielleicht ist das Ziel auch Gerede oder Gejammer und nicht Durchblick, was weiß ich schon.
Frau Fragmente jedenfalls hat heute ein lustiges Zöpfchen. Außerdem trägt sie ein Nachthemd, das ich aber für ein Büro-Oberteil mit Perlenstickerei hielt. So ein schickes Nachthemd hätte ich auch mal gerne, ich trage immer übergroße T- und Sweatshirts mit Aufdrucken vom Techniktagebuch und alle haben Löcher an den Schultern, weil sich die Katzen da hineinkrallen, wenn ich sie herumtrage.
Frau Fragmente hat heute übrigens auch eine unglaublich lange Blogliste. Zig Themen, ich wüsste echt gern, wann sie die Liste erstellt hat. Heute über den Tag? Aber war sie immer in der Nähe dieses Notizblocks? Oder hat sich sich nach dem Abendessen geordnet hingesetzt und "So. Jetzt schreibe ich meine Themenliste!" gesagt? Was macht Frau Fragmente, wenn wir nicht zuschauen?
Vielleicht verrät sie es uns ja in ihrem Blogeintrag.