Einen Tag muss ich mich noch gedulden - hoffentlich nur einen - bis das neue Notebook ankommt und ich mich wieder in normaler Geschwindigkeit durchs Internet bewegen kann. Die Langsamkeit des alten Laptops, den ich im Schrank fand, stresst mich außerordentlich. Und nichts geht gleichzeitig. Sehr anstrengend.
Dieser Tag war um Ausruhen da, zum Runterkommen und zum Heilen der kleinen körperlichen und seelischen Blessuren. Die Gelassenheit ist doch einfach sehr fragil im Moment, schon kleine unerwartete Stöße bringen mich sehr aus dem Gleichgewicht. Genau gesagt ist die absolute Zuversicht eine Show, aber warum auch nicht, es war schon immer ein guter Plan, das Gewünschte und Erhoffte zu spielen, bis es dann irgendwann eintritt. Besser eine gute, unterhaltsame Show als ödes Gejammer.
Das war ein ganz unnötig spannender Tag, aber am Ende war alles gut (bzw. ob die zweite Hälfte gut war sagt mir dann in ein paar Tagen die Corona-WarnApp).
Bekanntlich habe ich Probleme mit der Entspannung, weil es mich nicht entspannt, "nichts" zu machen. Nun habe ich aber herausgefunden, dass es eine Sache gibt, die mich nach einiger Zeit (ca. 1 Stunde) absolut tiefenentspannt: in einem See schwimmen!
Die Tage nehmen schon wieder unglaublich Fahrt auf und das ist schön. Aber ich zähle auch runter bis zum Urlaub - 24 Tage noch, dann drei Wochen frei. Die ich wirklich, wirklich brauche.
Frau Fragmente sitzt an ihrem Schreibtisch im Schlafzimmer und bloggt, ich sitze an meinem Schreibtisch und blogge über Frau Fragmente. Frau Fragmente wird heute meinen Blogwunsch erfüllen und in einem irrationalen Moment sagte ich gerade "dann darfst Du Dir auch etwas aussuchen, worüber ich schreibe, das gehört sich dann ja so". Ich hätte mir sofort hinterher die Zunge rausreißen können, denn nichts hasse ich mehr, als Auftragsschreiben, aber nun ist es passiert: Frau Fragmente möchte, dass ich über die Regeln unseres Blogtreffens hier schreibe. "Gibt es Regeln?" fragte ich einigermaßen frappiert. "Frage an Dich!" erwiderte Frau Fragmente.
Natürlich gibt es Regeln. Ganz voran "Anwesenheit" und zwar regelmäßige. Aber wir haben in der heißesten Coronaphase nicht ausgesetzt, als zumindest ich teilweise kaum wusste, wie ich heiße oder wie ich vom Schreibtischstuhl aufstehen sollte ohne umzufallen. Mir fällt daher derzeit nichts ein, was zu einem Aussetzen führen könnte. Wenn der Reiter des fahlen Pferdes uns unbeeindruckt lässt, dann die anderen drei wohl auch.
Weitere Regel: Pünktlichkeit. Auch an dieser Regel ist das interessante, dass sie zwar sehr wichtig ist, aber im Blogkontext gleichzeitig komplett irrelevant. Denn ich warte zwar mit Sicherheit nie länger als 15 Minuten auf irgendjemanden, aber Frau Fragmente ist mit mindestens derselben Sicherheit immer pünktlich.
Wenn pünktliche Anwesenheit gegeben ist, folgt der Rest von selbst: es muss etwas geschrieben werden. Was ist im Grund egal, dass Frau Fragmente nicht einfach nur "etwas etwas etwas etwas" schreibt ergibt sich schon aus ihrer Persönlichkeitsstruktur.
Ich kann daher generell empfehlen, sich - wann immer es sich einrichten lässt - ausschließlich mit Personen zu treffen, die so sind, wie man es mag. Fish sagte es schon: "The company I choose is solidly singular, totally trustworthy, straight and sincere, polished, experienced, witty and charming". Frau Fragmente bietet all das, wozu braucht es dann Regeln.
Frau Fragmente sieht heute übrigens sehr erholt aus. Sie hat Urlaub und war in der Sonne, man sieht Sommersprossen, wenn sie dicht an die Kamera geht und das tut sie heute häufig. Ist mir sonst noch nie aufgefallen, was macht sie wohl, vielleicht schaut sie meine Frisur genau an, die sitzt heute nämlich hervorragend.
Ansonsten habe ich uns gerade zwei Karten für den Badesee gekauft. Das kann man online, Tageskarten, wir werden also Freitag am frühen Nachmittag schwimmen gehen, Frau Fragmente und ich. Ich habe für meine Verhältnisse viel gekauft in letzter Zeit. Falls Sie sich erinnern, eigentlich kaufe ich seit dem Jahreswechsel 2018 auf 2019 ja gar nichts Dingliches mehr, weil ich schon zu viel habe. Nun waren aber ein paar Sachen zu ersetzen, unter anderem Sneakers, denn Frau Fragmente schätzt es ja nicht, wenn ich Schnürschuhe zur Ankle-Length-Hose trage. Die Sneakers, die ich noch besaß, scheinen an den Zehen durch, das lenkt mich beim Gehen ab. Ich fand dann online neue, bin aber ehrlich gesagt sehr unsicher, ob Frau Fragmente sie den Schnürschuhen vorziehen wird, denn sie sind nicht unauffällig.
Frau Fragmente pflegt eher ein gewisses Understatement. während ich gerne mal einfach einen Aufschlag mache, nur so aus Spaß. Das ist ein fundamentaler Unterschied zwischen uns. Frau Fragmente hat Pläne und Ziele, ich hingegen nutze Gelegenheiten. Dass die Gelegenheiten sich bieten, führe ich teilweise selbst herbei, allerdings keine vorab definierten Gelegenheiten, sondern allgemein irgendwelche Gelegenheiten. Ich breche einfach Strukturen auf und schaue dann, was da so herumliegt und was ich daraus machen könnte. Deshalb mag ich Veränderungen so an sich, als Prinzip. Frau Fragmente hingegen sagt "change is never good!"
Das sieht man auch bei unserem Blogtermin. Wenn ich mich an den Rechner setze, mache ich als erstes Kamera und Ton an und dann gehe ich nochmal eine Schlangengurke holen, kratze mir die Nase, trinke was, streichele die Katzen, schaue was auf dem Handy. Wenn Frau Fragmente sich einloggt, sehe ich sie erst nicht und höre sie nicht, nach einiger Zeit spricht sie dann und sagt Dinge wie "ich mache gleich das Video an, ich bereite hier nur noch etwas vor" - "Was um Himmels Willen bereitest Du vor??" frage ich und sie sagt "Ich lege meinen Notizblock bereit und dergleichen". Auf dem Notizblock hat sie, das erwähnte ich schonmal, ihre geplanten Blogthemen. Ich habe weder Notizblock noch Themen (außer manchmal), ich setze mich halt vor die Kamera, schaue was ich sehe und schreibe, was mir dazu einfällt.
Das ist aber natürlich keine Regel unseres Treffens sondern nur ein Ausdruck unserer Persönlichkeiten. Ob sich das durch eine Regel umgestalten ließe, bezweifle ich. Würde Fragmente sagen "du musst aber ab jetzt immer einen Notizblock mit Thema haben" wäre ich vermutlich mittwochs um 20:30 bald leider verhindert. Der fünfte Reiter, der mich aus dem Spiel kickt, trüge einen grauen Anzug und wäre verbeamtet. Wenn ich hingegen Frau Fragmente Notizen verbieten würde oder die Regel "als erstes Kamera ein!" aufstellen würde, müsste sie sich wohl bald mittwochs abends um ihre Mutter kümmern; der Fünfte reitet bei ihr auf einem Chamäleon.
Was können wir daraus mitnehmen: Regeln brauchen wir erst da, wo wir uns die Personen nicht mehr aussuchen können.
Heute festgestellt, dass ich meine Aufmerksamkeit anders steuern muss. Ich starre dauernd auf Masken. Ich zähle sie und ordne sie ein. zwei schwarz, zwei weiß, drei OP, einmal rosa Blümchen, einmal blaue Streifen. Das summe ich dann den halben Tag im Kopf umher, bis ich abends in der Bahn neue Masken sehen und einen neuen Text im Kopf habe. Im Büro kann ich zu jeder Person sagen, welche Art von Maske sie trägt. Unterschiedliche natürlich an unterschiedlichen Tagen. Das muss umgehend aufhören, ich werde ab sofort nichts mehr über Masken schreiben und dann auch hoffentlich nichts mehr über Masken denken. Es gibt sie, man trägt sie, es gibt nichts darüber zu sagen, es gibt nichts zu sehen.
Langsam füllt sich der Kalender wieder und das ist schön, aber auch unglaublich anstrengend.
Wie war das bloß damals, als ich mich fast jeden Abend Verabredungen oder Kurse hatte, wie habe ich das zeitlich hinbekommen, war ich da nicht dauermüde (nicht, dass ich es jetzt nicht wäre)? Es ist fast unvorstellbar, aber nur ein paar Monate her.
Ich kann noch immer nicht glauben, dass die Sommersonnenwende schon stattgefunden hat. Normalerweise jammere ich zu diesem Zeitpunkt schon seit etwa einem Monat über Hitze. Jetzt sind 1/3 der für mich nervigen Monate schon rum, ohne, dass ich es bemerkt hätte.
Was aber schön ist am Sommer: dass meine Sonnengläser nachts immer leuchten (ok, ich könnte sie auch per USB aufladen, aber das ist was anderes). Und dass die Amsel abends so schön singt.
Eins der Themen, die meiner Ansicht nach völlig unterkomplex betrachtet werden, ist: Home Office: hat ja gut geklappt, warum machen wir da jetzt nicht immer? Achso, weil der Arbeitgeber misstrauisch denkt, man arbeitet da nicht. Deshalb jetzt bitte gesetzliches Recht auf Home Office für alle!11
Ich finde eher, Home Office funktioniert nicht rein dadurch, dass alle nun von zu Hause arbeiten. Sicher ist der physische Aufenthaltsort das offensichtlichste Merkmal, aber die Thematik hat sich dadurch noch nicht erschöpft (dass das ganze Konstrukt sowieso nur einen Brucheil der Erwerbsarbeitenden betrifft und davon nochmal nur für einen Bruchteil räumlich in Frage kommt, lasse ich mal außen vor).
Was muss - außer der reinen physischen Präsenz und der (technischen) Befähigung, die Aufgaben von einem anderen Ort auszuführen - noch alles bedacht werden?
Einmal ganz praktische Fragen, da gibt es eine Vielzahl, mir ist bestimmt (zu Hause) nur ein Bruchteil an Fragen eingefallen, die es zu beantworten gälte.
Ganz vorne dabei: wie ist es mit der Vertraulichkeit? Ich gehe viel mit Personaldaten um, mein Arbeitgeber befasst sich insgesamt viel mit Insiderinformationen (in Bezug auf Börsenhandel, keine Geheimagenten, leider). Was mache ich mit Akten oder Ausdrucken, wo kommen die hin, brauche ich abschließbare Schränke? Schließlich sind weitere Familienmitglieder anwesend, manchmal hat man auch Besuch (zu Coronazeiten natürlich eher nicht). Was ist bei vertraulichen Gesprächen, Telefonaten, Videokonferenzen, muss ich da das Fenster oder die Balkontür schließen, muss ich die Tür zum Arbeitszimmer schallsichern, wie hellhörig sind die Wände, wer überprüft das? Was mache ich mit Papiermüll? Welche Haftungsfragen ergeben sich?
Von der Arbeitsplatzsicherheit (und Überprüfung derselben) will ich gar nicht anfangen, das ist jederzeit anstrengendes Thema. Aber was ist bei Kündigung oder langer Krankheit, geht dann wer in die Privatwohnung und holt Unterlagen da heraus, wie würde das funktionieren?
Dann die zwischenmenschlichen Fragen: wie mache ich es mit der Kommunikation? Gerade mit der informellen, die sonst zwischen Tür und Angel passiert oder während man auf jemanden wartet oder im vorbeigehen was fragt oder gemeinsam in die Mittagspause geht oder was man bei offener Tür so an Flurfunk mitbekommt. Was man nicht hört sondern sieht und manchmal auch nur spürt. Diese informelle Kommunikation braucht Räume, sie ergeben sich bei räumlich verteiltem Arbeiten nicht (oder nicht so schnell) von selbst, sie müssen bewusst geschaffen werden.
Was ich mich in der Rolle des Arbeitgebers auch fragen muss: wie weit gehe ich denn den Weg? Sollen alle generell immer von woanders arbeiten (das wollen glaube ich gar nicht mal so viele) würde das bedeuten, dass ich das meiste Equipment nur einmal brauche und dass ich die "offizielle" Bürofläche auf ein Minimum reduzieren kann. Wenn ich aber eine Mischform habe, brauche ich einige Sachen mehrfach (oder die Bereitschaft der Mitarbeiter*innen, immer recht viel zu tragen - kommt also vielleicht auch auf die Art der Anreise an den Arbeitsplatz an, Autofahrer*innen möglicherweise schlepp-bereiter als ÖPNV-Nutzer*innen?) Und wie gehe ich dann mit den Büroflächen um? Ich halte ja nicht für jeden ein schickes Einzelbüro vor, wenn die Hälfte die Hälfte der Zeit nicht da ist, das ist völlig ineffizient. Da würde ich dann doch eher mit flexibler Platzwahl und Desk Booking Tool arbeiten - und wie groß ist dafür dann die Toleranz? Das ist natürlich auch überall unterschiedlich, aber in meinem Umfeld denke ich, diejenigen, die ich durch Flexibilisierung des Arbeitsortes gewinne verliere ich andersherum wieder an der Stelle, an der sie ihre Diplome nicht mehr an die Wand hängen und keine Pflanzen mehr aufstellen können.
Verwaltungskrempel wäre zusätzlich zu berücksichtigen: wer hat den Überblick, wer wann wo ist (gibt sicher eine technische Lösung), wie viele Getränke und wie viel Klopapier muss ich im Büro vorrätig halten.
Überlegungen für mich persönlich: mir fehlten zu Hause die Dehnungsfugen des Alltags. Der Fußweg zur Bahn, das Lesen in der Bahn, die Kollegin, die mich zum Essen abholt, Menschen sehen, draußen sein (in der Pandemie natürlich nochmal verstärkt, weil ich während der Home Office Zeit ohne konkreten Anlass nicht rausgegangen bin, das wäre normal natürlich anders).
Wichtig ist: all diese Fragen kann man natürlich klären, Regelungen und Lösungen finden. Technische Lösungen, Lösungen durch Aufmerksamkeit für das Problem, durch Schulungen, durch Beratung, durch Veränderung einer Kultur., durch Arbeit an mir selbst. Aber halt nicht “mal so eben”; ich denke, das ist eher ein Projekt.
Als Arbeitgeber muss ich mich natürlich fragen: will ich mir dieses Projekt leisten (das kostet ja Geld, irgendwer muss auch bezahlt werden, um sich darum zu kümmern und zwar aus verschiedenen Bereichen: IT, HR, Leute die Schulungen machen, Leute die Compliance machen und so weiter)? Was bringt mir das?
Weitere Überlegung - jetzt speziell für mein Büroumfeld - wäre: was bedeutet das für die Personenstruktur? Wir sind z.B. so organisiert, dass es einen Teil an Leuten gibt, die durch ihre Arbeit Geld reinbringen und damit einen anderen Teil querfinanziert, der Geld kostet - zum letzteren Teil gehöre natürlich auch ich. Der zweitgenannte Teil ist also nur sinnvoll, wenn er massiv dazu beiträgt, das “Geldreinbringen” des ersten Teils zu fördern. Alles, was kein Geld bringt, soll der Geldreinbringteil einfach gar nicht machen, auch wenn er es natürlich könnte.
Wenn ich jetzt also z.B. eine Geldreinbringerin im Home Office habe, wie ist das dann, wenn sie einen Kaffee will? Holt sie sich selbst klar, kann sie ja, meine Güte, erwachsener Mensch, wird sich wohl Kaffee holen können, muss man nur richtig erziehen. Bringt sie in der Zeit Geld rein? Nein, tut sie nicht. Betrag x verloren, Betrag x steht also weniger für die Querfinanzierung des unterstützenden Bereichs zur Verfügung. Übertragen Sie Kaffee auf alle anderen Sachen, die eine Geldreinbringerin im Home Office selbst macht, weil sie es ja auch kann und weil es sonst auf physische Distanz zu umständlich, zu kompliziert, zu langsam wird.
Natürlich lässt sich ein Büro auch ganz anders organisieren, es ist einfach ein Frage von “wie stelle ich mich auf” mit den entsprechenden Konsequenzen für den Personalbedarf.
Wie gesagt, das kann man alles überlegen, abwägen, diskutieren, technisch oder strukturell oder kulturell einrichten aber: es ist nicht mit dem reinen “zu Hause sein” getan. Und nun schlicht ein etwas schräges Lob auf das Home Office singen und dabei in Moll die Klage anführen, dass “der Arbeitgeber” ein Kontroletti ist, übersieht die Komplexität des Themas.