Fragmente sitzt in ihrem Schlafzimmer und bloggt, ich sitze im Gästezimmer an meinem Schreibtisch und blogge über Fragmente.
Ich weiß gar nicht, so ich anfangen soll, alles ist so unglaublich gut. Zum Beispiel, dass hier keine TARDIS mehr ist, Fragmente bedauert es zwar, dass daher hier auch kein Headset mehr ist aber ich fühle mich ohne Headset viel wohler. Fragmente bemängelt, dass sie hört, wie meine Gabel über den Teller kratzt (es gibt Nudeln mit scharfer Thunfisch-Soße) und wie der Hubschrauber über das Haus fliegt, ich wende ein, dass ich es an Headsets ja gerade so unkomfortabel finde (neben dem störenden Einfluss auf die Frisur, die ich aber derzeit ja sowieso nicht habe, Friseurin ist erst morgen), dass sie mich von der Umgebung abschneiden und dass sie all diese Geräusche ja auch hören würde, wenn wir uns gegenüber säßen, Fragmente sagt, dann klängen sie weniger künstlich. Wir kommen da nicht überein, ich vermute, die Lösung wird sich ergeben, wenn wir uns einfach wieder live treffen. Das finde ich auch gut.
Ich bin so entspannt, wie seit Monaten nicht, was unter anderem daran liegt, dass mein Berufs- und Privatleben jetzt wieder einer räumlichen Trennung unterzogen sind. Jeden Morgen freue ich mich, das Haus zu verlassen und in Geräuschen zu baden und jeden Abend freue ich mich, nach Hause zu kommen und da nichts arbeitsmäßiges vorzufinden. Ich habe schon immer gesagt, dass mich im Job so gut wie nichts wirklich anficht einzig und allein aus dem Grund, dass ich noch ein zweites, völlig anderes Leben habe. Dass diese zwei Leben plötzlich zu einem großen amöbenhaften Ganzen verschmolzen, war nicht gut für mich.
Eigentlich wollte ich mein Leben noch ein gutes Stück über das Hervorragende hinaus besser machen und heute Abend Erdbeermarmelade kochen. Ich bekam aber keine dazu dienlichen Erdbeeren. Statt dessen ging ich spontan zur Augenbrauenzupferin, weil aus ihrem Studio Vogelgezwitscher vom Band herausscholl, das gefiel mir, und drinnen lief eine Klimaanlage, das gefiel mir noch viel besser, so gut, das sich länger bleiben wollte und auch noch "Oberlippe" machen ließ. Das führte dazu, dass Fragmente mich vorhin im Video fragte, ob ich eine neue Brille hätte. Vermutlich sieht man die Brille, die ich ja seit Dezember habe, nun erstmals richtig, weil sie bislang zwischen Augenbrauen und "Oberlippe" überwuchert wurde.
Weitere Abenteuer heute: ich ließ in der Apotheke ein Impfzertifikat ausstellen und lud es in die entsprechenden Apps, das war sehr unspektakulär und ich weiß nicht so richtig, ob ich es jemals brauchen werde, aber ich wollte es mal ausprobieren. Nach so viel Nicht-Erleben sind mir auch kleinste neue Erlebnisse willkommen.
Fragmente tippt und tippt, ich darf heute auf ihren Bildschirm schauen, er ist zu klein, als dass ich viel erkennen könnte. Aber ich finde es schön, wie ein Absatz nach dem anderen da erscheint.
Die nächsten Tage sind voller Pläne: Friseur, Karaoke, Fragmente treffen, Gesangsstunde, Lesedings. Jetzt setze ich mich in den Sessel und freue mich darauf.