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    Freitag, 21. Juli 2017

    Tintagel - Boscastle - Sheviock (nachgereicht)

    (Mobilnetz geht doch ganz ok und ich kann ja dank Abschaffung der Roaminggebühren - die EU wird heute ins Abendgebet eingeschlossen - mit dem Handy einen Hotspot für den Laptop machen, ohne dabei zu verarmen!)

    Weiterreisetag. Drei Nächte an einem Ort ist okay, vier wäre vielleicht entspannter. Fünf zu viel. Zwei zu wenig. Einmal noch nachgereicht: das Frühstück mit dem Hog's Pudding. Hog's Pudding ist die runde Scheibe unter der Tomate.



    Wir fahren nach Tintagel, gemeinläufig sagt man, dort habe König Artus mit den Rittern der Tafelrunde gelebt, was historisch allerdings nicht hinkommt (und sowieso waren die Ritter der Tafelrunde ja ständig auf Quests unterwegs, aber das nur nebenbei).

    Tintagel ist heute ein kleiner, sehr touristischer Ort mit den üblichen kleinen Läden für Souvenirs, Silberschmuck und Süßwaren. Ich versuche in solchen Orten immer, mir vorzustellen, wie es vor 80 Jahren war. Als es noch nicht üblich war, so viel umherzureisen und die Bewohner diesen kleinen Ort an der Küste eher für sich hatten. Vielleicht abends sagten, "so, ich gehe heute noch kurz schwimmen" - "wo gehst du?" - "ach, an der Höhle unter der Ruine". Und dann war man dort ganz allein, vielleicht kam mal wer vorbei auf dem Weg nachzuschauen, ob das Ruderboot auch richtig festgezurrt ist und sonst nichts. Und heute sind da überall Fremde, am Strand, am Schloss, in den Straßen, überall, den ganzen Tag. Hm.

    Also Tintagel - eine Ruine, oben auf den Klippen. Erstmal muss man hinkommen, es geht ziemlich steil bergab an den Fuß der Klippe, bis dahin gäbe es auch einen Landrover-Service für die fußlahmen, aber Bein.v2 verhält sich ja ganz ordentlich, also laufen wir. Vom Fuße der Klippe aus geht es dann hoch, viele, viele Stufen, teils Holz, teils Fels.



    (Ja, genau da muss man hoch, es führt kein Weg daran vorbei. Und eben vorher auf der anderen Seite der Klippe runter, aber da ist ein breiter Weg.)

    An Tagen, an denen es besonders windig ist, ist der Aufstieg nicht möglich, also die Ruine geschlossen. Am Tag vorher war das noch der Fall, heute haben wir Glück. Und oben ist halt eine Ruine.



    Und schöne Aussicht und sehr, sehr viel Wind, so viel, dass wir - halt oben auf einer Klippe - ordentlich Respekt davor bekommen, es ist ja auch nichts mit Geländern oder so abgesichert, nur stehen immer mal ein paar Fuß vor dem Abgrund Schilder mit der Aufschrift "sheer drop".









    Als wir die Ruine ausreichend besichtigt haben und die zig Stufen wieder hinuntergelaufen sind, hat Bein.v2 erstmal fertig und ich beschließe, für den Weg bergauf den Landrover-Service in Anspruch zu nehmen. Mademoiselle und Herr N. wollen dann auch lieber Landrover fahren. Sowieso hat Herr N. seit zwei Tagen auch "Knie", allerdings ist dieses Feld in der Familie ja so sicher besetzt, dass er davon nur wenig spricht. Im Landrover sind außer uns hauptsächlich Personen mit Hunden - können Hunde nicht gut bergauf gehen?

    Wieder im Dorf angekommen ist noch etwas Zeit bis zum Ablauf der Parkuhr. Das mit der Parkuhr ist so eine Sache. Viele nehmen nämlich keine Kreditkarten und so richtet sich die Dauer unseres kulturellen Erlebens nach der Verfügbarkeit von Kleingeld im Portemonnaie. Und mit Kleingeld bin ich etwas speziell - das möchte ich in Fremdwährungen einfach nicht haben, das ist mir zu anstrengend, erstens macht es die Geldbörse schwer und hässlich und zweitens liegt es nach dem Urlaub überall in der Wohnung herum und nervt jedes einzelne Mal, wenn es mir in die Hände fällt, aber wegwerfen will ich es auch nicht, schon gar nicht Pfund, weil ich nach Großbritannien ja ständig reise. Also gebe ich Kleingeld einfach immer so schnell wie möglich aus, meist als Trinkgeld aber auch gerne für Dinge wie Honig oder Seife aus Souvenirläden - Sachen also, die ich mir sonst nie, bzw. nicht zu diesen Preisen, kaufen würde. Einfach damit das nervige Kleingeld weg ist. Und am Parkautomaten fehlt es dann.

    Die übrige Kleingeldkulturzeit verbringen wir jedenfalls damit, noch das Old Post Office in Tintagel anzuschauen, ein Haus von Dreizehnhundertirgendwas, das von außen aussieht wie eine Hobbithöhle.



    Vielleicht erinnert es mich aber auch nur daran, weil drinnen ein Mann auf einer Laute spielt und dazu so ähnlich singt wie die Zwerge im Hobbitfilm.

    Weiter geht es. Die weniger touristischen Dörfer oben an der kornischen Nordküste erinnern mich auch schon wieder an Filme, nämlich an Godric's Hollow aus Harry Potter. Und sie sind alle sehr idyllisch und enorm sauber. So sauber, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass da jemand wohnt. Kein Krümel liegt auf der Straße. Menschen sieht man selten. In einem Dorf sind die einzigen Menschen, die wir sehen - eine ältere Frau und eine jüngere - damit beschäftigt, Unkraut aus den Gehwegsfugen zu kratzen. Hinter jeder Ecke sind weitere schöne Dörfer mit Steinhäuschen, buten Blumen, dichten Hecken, schlafenden Katzen. Ich fotografiere gar nichts, weil ich sonst ALLES fotografieren müsste.

    In Boscastle schauen wir noch das Museum of Witchcraft and Magic an. Es gibt dort verschiedene Bereiche, einen zum Bespiel zu Magie mit poppets (ich weiß das deutsche Wort nicht - Puppen in die man Nadeln steckt und so), heilende Magie, Historisches, Hexenverfolgung, eine ganze Aleister-Crowley-Ecke, Fruchtbarkeitsmagie, Tränke, Tarot, Wahrsagung und so weiter. Ich bin gegen alles religiöse/esoterische immun, aber es war außerordentlich faszinierend und gleichzeitig befremdlich. Ich wäre gern viel länger dort geblieben und hätte mir alles ganz genau angeschaut, auch die zahlreichen Artikel gelesen, alle Exponate genau betrachtet, aber mir taten mittlerweile die Füße weh (und den anderen auch, das lag nicht an Bein.v2).

    Ganz am Ende des Museumsrundgangs gab es noch einen Schrein. Wem der gewidmet war weiß ich nicht so recht, ich glaube grob dem Universum an sich, jedenfalls konnte man sich dort besinnen oder auch Wünsche anbringen oder Zettel zum Gedenken an jemanden anbringen. Da musste ich dann echt lachen, denn bei den Gedenkzetteln waren ungefähr gleich viele Menschen wie Katzen vertreten.

    Dann in die nächste Unterkunft. Diese liegt auf einer kleinen Halbinsel, die touristisch wenig erschlossen ist. "Forgotten Cornwall" nennt sich die Ecke, wobei unsere Gastgeberin gleich darauf hinweist: "It has not been forgotten - it has never been discovered!"

    Der Ort ist winzig, die (einzige) Straße in diesem Ort vielleicht eine halbe Meile lang, wir müssen an der Telefonzelle abbiegen und sollen sehr langsam fahren, sonst könnten wir die Einfahrt verpassen. Das wissen wir alles. Wir fahren sehr langsam, noch langsamer, schauen links und rechts und sind dann am Ende des Ortes, ohne die Telefonzelle oder die Einfahrt gesehen zu haben. Im zweiten Anlauf klappt es dann aber und wir finden die Unterkunft - dieses Mal ein altes Farmhaus aus dem 14. Jahrhundert.



    Der Rest des Abends ist dann etwas anstrengender als geplant. Zunächst darf ich heute die Orthese auf 90° umstellen, worauf ich mich auch schon länger freue, denn - immer vorausgesetzt, das Bein lässt sich dann tatsächlich auch beugen - könnte ich dann wieder ordentlich auf Stühlen und Bänken sitzen, ohne immer ein Bein vor mir ausgestreckt zu haben. Und durch die Bewegungseinschränkung krampfen seit ein paar Tagen auch die Muskeln immer mal wieder . Der Schraubenzieher, den ich extra dafür mitgenommen habe, greift die Schraube aber nicht so richtig, nach einigem Hin und Her gebe ich das auf und hoffe, morgen von der Gastgeberin einen anderen Schraubenzieher ausleihen zu können.

    Denn jetzt ist es auch höchste Zeit, zum Essen aufzubrechen, es ist ja reserviert in einem weiteren kleinen, nahegelegenen Ort an der Küste. Auf dem (verschlungenen) Weg dahin schaltet sich das Handy samt Navi aber immer wieder aus, dann sind wir schon zu spät dran und dann geraten wir in eine sehr steil (also wirklich sehr steil, 17% Gefälle) nach unten führende Straße, die sich auf halber Strecke wegen eines Baugerüsts als nicht für uns befahrbar erweist. Auch nicht mit eingeklappten Seitenspiegeln. Leider gar nicht. Wenden ist ebenfalls unmöglich, also rückwärts wieder hoch, es ist alles sehr aufregend, leider auch für das Auto, das sehr faucht und hinterher sehr stinkt und dann löst sich die Kupplung auch noch nicht mehr richtig.

    Wir stellen es also auf dem allernächsten Parkplatz ab, suchen das Restaurant zu Fuß (das Handy schaltet sich wieder einfach aus), kommen eine halbe Stunde zu spät an aber das ist immerhin kein Problem. Nur habe ich jetzt sowieso keinen Hunger mehr, weil mir "kaputtes Auto irgendwo im Nichts (und nur Münzen für den Parkplatz bis 23:10 Uhr)" im Magen liegt. Das Essen war aber, so sagt man mir, sehr gut.

    Zwei Stunden später hat sich das Auto auf dem Parkplatz zum Glück wieder gefangen, vielleicht durch die Abkühlung, ich weiß sowas nicht. Jedenfalls schnurrt es wieder wie ein Kätzchen und piepst immer mal wieder unvermittelt vor sich hin, weil es denkt, wir fahren wogegen - das tut es halt schon seit einer guten Woche weil hier die Straßen einfach so sind, dass man immer fast wogegen fährt, aber das gehört so, es ist eben nicht mehr Platz.

    Dann kommt allerdings noch Nebel. So richtig dichter Seenebel, durch den mir klar wurde, wieso in der Mitte der Straße reflektierende Punkte angebracht sind, denn ernsthaft hätten wir dem Straßenverlauf sonst nicht folgen können, man kann keine fünf Meter weit sehen. Für den Rückweg brauchen wir also noch viel länger als für den Hinweg. Vor der Haustür angekommen hopsen dort ganz, ganz viele Babyfrösche herum.

    Dann habe ich sofort geschlafen und wilde Träume gehabt von Vodoo-Puppen und Katzen und kaputten Autos und Nebel und von dem Jugendlichen, der momentan bei Tintagel vermisst wird und zuletzt dort auf den Klippen gesehen wurde. Mannmannmann.

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