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    Freitag, 29. Mai 2015
    Blogging November - 1299

    Etwas, das mich so richtig aus der Haut fahren lässt ist, wenn eine Person jemand anders völlig grundlos verunsichert, ihnen einen Schreck einjagt, sie einschüchtert - meist aus einer irgendwie gearteten Machtposition.

    Neulich zum Beispiel stand ich mit einer anderen Mutter in der Schule, der Kita-Streik hatte gerade begonnen und er betrifft im Nachmittagsbereich auch unsere Schule. Die Mutter ist alleinerziehend und musste nachmittags arbeiten, sie fragte, ob ich ihr Kind mitnehmen könnte. Ich konnte nicht, weil ich selbst ja auch nicht da bin nachmittags, aber ich bot ihr an, ihre Tochter könnte mit Mademoiselle nach Hause gehen und beide dann eben bei uns irgendwelche Sachen machen, was Kinder halt so tun. Die Mutter war unsicher, ihr Kind ist normalerweise nicht allein zu Hause, aber mit einer Freundin zusammen wäre es ja auch nicht wirklich allein, außerdem wären sowohl sie als auch ich den ganzen Nachmittag telefonisch erreichbar und wir haben zusätzlich haben wir sehr nette Nachbarn, zu denen Mademoiselle immer gehen kann, wenn irgendwas ist.

    Gerade waren wir so weit, als die Lehrerin irgendeiner anderen Klasse in das Gespräch grätschte: Man dürfe Kinder unter 12 gar nicht allein lassen. Das ginge nicht. Da gäbe es ein Gesetz, ansonsten müsse man sich hinterher verantworten, wenn etwas passiert.
    Mal abgesehen davon, dass ich mich immer hinterher irgendwo verantworten muss, wenn meinem Kind etwas passiert, ist das natürlich absoluter Quatsch. Es gibt kein Gesetz, in dem steht, ab welchem Alter ein Kind wie lange allein bleiben darf. Die Mutter war aber so verunsichert, dass sie dem Plan nicht mehr traute. Eingeschüchtert. Wie sie das dann gelöst hat, weiß ich nicht, ich musste schnell weggehen, wegen von 0 auf 180, man möchte das in der Schule ja nicht so ausleben.

    Heute war im Rapunzelturm eine Brandschutzübung, dabei evakuieren wir einmal komplett den gesamten Turm. Für jedes Stockwerk gibt es Etagenbeauftragte, deren Aufgabe es ist, eine kleidsame grellorangefarbene Weste zu tragen und zu schauen, ob alle das Büro verlassen. Dann läuft man 25 Stockwerke treppab und begibt sich zur Meldetafel der Feuerwehr, an der für jedes Stockwerk eine kleine Metallmarke hängt. Die Marken hängen zunächst auf "rot", wenn ein Stockwerk als komplett geräumt gemeldet wird, dreht ein Feuerwehrmann die Marke auf "grün". Wird gemeldet, dass noch jemand im Stockwerk ist, verbleibt die Marke auf "rot".

    In unserem Stockwerk blieben 3 Mitarbeiter oben, ich ging also mit einer neuen Kollegin zur Meldetafel und wir meldeten "rot - noch 3 Personen oben". "Warum das?", wollte die Feuerwehr wissen. Nun, weil sie halt nicht runtergegangen sind. Der eine hat ein kaputtes Bein und die anderen beiden fanden ihre Arbeit zu wichtig. "Na, das ist dann arbeitsrechtlich Ihre Verantwortung!", befand der Feuerwehrmann, und zapp - von 0 auf 180 - sagte ich: "Moment. Die Verantwortung der Stockwerkbeauftragten ist, Ihnen zu sagen ob noch jemand oben ist oder nicht. Und Ihre verantwortungsvolle Aufgabe ist es, ein Metallschildchen umzudrehen. Und an dieser Stelle beenden wir das Gespräch."
    Die neue Mitarbeiterin war trotzdem irritiert. Wäre es ihre Verantwortung, Leute aus dem Büro zu coachen oder sogar mit Gewalt herauszuschleifen, wenn es mal brennt? Macht sie sich sonst für irgendwas haftbar? Oder kriegt sie anderweitig Ärger? Alles natürlich nicht, sie muss sich nur mit einem blöden Hansel an einer Tafel mit Metallplättchen auseinandersetzen, aber das reichte schon - die Kollegin möchte jetzt doch lieber nicht Stockwerkbeauftragte sein. Eingeschüchtert.

    Später spielte Mademoiselle mit einer Freundin im Hof und die Frisbee-Scheibe flog in einen Baum und steckte fest. Man kann in den Baum klettern, indem man erst auf eine Mauer klettert, die entlang balanciert, dann kurz über ein Garagendach läuft und dann eben noch ein paar Äste hochklettert. Dann war die Frisbee-Scheibe wieder unten, alles gut, außer, dass ein Mann hinter der Mauer auftauche und "Na, das hab ich aber alles genau gesehen. Das wird aber so richtig Ärger geben!" sagte. Verunsichert kamen die Kinder zu mir in die Wohnung und fragten, was das denn für Ärger geben würde. Ich konnte sie beruhigen, es gibt natürlich überhaupt gar keinen Ärger, eine Frisbee hängt im Baum fest, man klettert auf eine Mauer und läuft über ein Dach und steigt auf einen Ast und holt sie runter, das ist das normalste auf der Welt. Kein Ärger, kein Problem. Weiterspielen wollten sie trotzdem nicht mehr. Weil es ja sein könnte, dass der doofe Mann wieder kommt. Eingeschüchtert. Erst als ich sagte, ich würde mich sehr freuen, wenn der wiederkäme, mit dem hätte ich nämlich ein Hühnchen zu rupfen, gingen sie wieder nach draußen. Und ließen mich mit meinem 180er Puls allein zurück. Und der Mann kam nicht mehr.

    Manchmal, wirklich. Menschen. Was treibt sie?

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