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    Samstag, 6. Dezember 2014
    Blogging November - 1130 (Wmdedgt 12/2014)

    Die übrigen Wmdedgts sind hier.

    In Bezug auf den heutigen Tag konne ich schon frühzeitig absehen, dass von mir Einsatz als Elternteil gefordert würde, der sich mit einer Berufstätigkeit nicht vereinbaren lässt, und deshalb hatte ich Urlaub genommen. So begann der Tag mit dem Wecker um 6 Uhr und einem Glasschälchen, das auf dem Küchenfußboden in eine Milliarde Splitter zerbrach. Die erste halbe Stunde des Tages putzte, fegte und saugte ich also die Wohnküche, danach hatte ich Kreislauf.

    Irgendwie gelang es aber trozdem, alle Familenmitglieder um 7:30 Uhr abfahrtbereit zu haben. Mademoiselle und ich schwärmten aus Richtung Schule, und zwar Mademoiselle, wie der Stammleser weiß, zu "freitags Religion" und ich mit drei Sorten vorbereitetem Plätzchenteig und Zubehör wie Nudelholz, Backpapier, Mehl etc. ins Elterncafé. Herr N. fuhr währenddessen das Auto betanken, was zwingend notwendig war, da ich das Auto später am Tag benötigte und die Taktung es keinesfalls zulassen würde, dass ich mich auch noch um technische Details kümmere - das bin ich vom Carsharing sowieso auch anders gewohnt.

    Im Elterncafé buk ich mit drei anderen Müttern Plätzchen, Herr N. stieß wenig später dazu, nachdem er getankt und das Auto vor der Schule abgestellt hatte. Auch das war zwingend notwendig, da ich es am Nachmittag um exakt 15:15 an der Schule haben musste, man dort aber eigentlich überhaupt nie parken kann und es daher die sichere Wahl wahr, sich einen Parkplatz Stunden im Voraus zu verschaffen - auch wenn das damit einhergeht, alle zwei Stunden etwas in die Parkuhr werfen zu müssen.

    Um 9:05 zogen Herr N. und ich zum Treppenhaussingen in den ersten Stock um - Mademoiselles Schule veranstaltet an allen Adventsmontagen eine musikalische Veranstaltung, bei der etwas 20 Orff-Kinder und ca. 50 Chorkinder im Treppenhaus der Schule für die übrigen Kinder (und Eltern, wenn die Zeit haben), Weihnachtslieder vorführen. Warum das jetzt heute auch stattfand, führt zu weit zu erkären.

    Nach dem Treppenhaussingen trennten sich die Wege von Herrn N. und mir. Ich kehrte ins Elterncafé zurück und packte Plätzchen in Tüten und um 10:00 Uhr war Parkuhr-Zeit. Von der Parkuhr aus ging ich zur Post, um ein Paket mit Geschenken abzuholen, die ich morgen benötige und zusätzlich ins Einkaufszentrum, um noch zwei andere Geschenke zu kaufen. Dann nach Hause, Taschen packen für a) den Nikolausmarkt am Mittag, b) das Bouldern am Nachmittag, c) die Wochenendreise am Abend.

    Um 12:00 Uhr war wieder Parkuhr-Zeit, ich fuhr mit dem Fahrrad und 5 Taschen, in denen alles außer Wertsachen und Elektronik war, zum Auto, dann wieder zurück nach Hause. Bis zur nächsten Parkuhr-Zeit um 14:00 Uhr schaffte ich es, alle Geschenke zu verpacken, drei Dinge für den Nikolausmarkt auszudrucken, die Katzenklos sauberzumachen und die Wohnung so herzurichten, dass die Katzensitter nicht denken, jemand habe eingebrochen. Und dann hatte ich sogar noch eine Viertelstunde, um etwas zu Essen!

    Um 13:58 Uhr war ich mit einem optisch deutlich als "selbstgebacken" zu erkennenden Kuchen wieder an der Parkuhr und pünktlich um 14:00 Uhr auf dem Nikolausmarkt der Schule. Es gab wieder Gesang und dann wurden Dinge verkauft, nämlich die Plätzchen, die wir morgens gebacken hatten und zusätzlich verkaufen alle Kinder mit ihren Klassen gebastelten Weihnachtsschmuck zu horrenden Preisen. Natürlich fordern alle Kinder ihre Eltern auf, das von Ihnen gebastelte zu erwerben (ein äußerst perfider Plan!), weshalb ich mit einem Teelicht auf einem goldenen Pappstern (€ 1,50), einem Duftteller (Pappteller mit aufgeklebten Gewürzen, € 1,50) und einer paillettenbesetzten Styroporkugel (€ 2,00) aus dem Gewühl hervorgehe. Und ich kann noch froh sein, dass Mademoiselle nicht zu der Gruppe gehörte, die Windlichter aus Marmeladengläsern zum unglaublichen Preis von € 5,00 verhökerte!

    Ganz und gar freiwillig kaufte ich noch eine Orangen-Ingwer-Kardamom-Marmelade und eine kleine Seife in Tannenbaumform, an der das herstellende Kind (eine mir unbekannte Iffrah) einen Zettel mit "Frohe Sauberkeit!" befestigt hatte. Frohe Sauberkeit - das wird einem selten gewünscht das musste ich haben.

    Um 15:00 Uhr waren Mademoiselle und ihre Sportsfreundin dann verschwunden, was ungünstig war, denn um exakt 15:15 Uhr mussten wir im Auto sitzen und zum nächsten Programmpunkt losfahren: Weihnachtsfeier des Kunstturnvereins in der Boulderhalle in der Nachbarstadt, Treffpunkt um 15:45 Uhr vor dem Haupteingang. Ich trug also schon einmal zwei Tüten mit Weihnachtssachen, zwei Schulranzen, zwei Sporttaschen und zwei Winterjacke-Mütze-Schal-Handschuhe-Kombinationen ins Auto, während die Mutter der Sportsfreundin die Kinder suchte. Um 15:14 schleppte sie beide zum Auto und wir fuhren sofort los, kamen punktgenau an, die Kinder probierten schon einmal Kletterschuhe an und ich schaffte die Hälfte der in der Schule eingeladenen Sachen in das Auto einer anderen Mutter, die die Sportsfreundin mit zurücknehmen würde.

    Dann holte ich mir einen Kaffee und schickte mich an, eine Stunde lang einfach zu entspannen. Nur waren die anderen Turnkindeltern aber auch noch da und machten Konversation, und unglücklicherweise lautete das Thema "Internet", konkret: Dass Leute jemanden im Internet kennenlernen und dann - wenig überraschend und selbst schuld - umgebracht werden. Das alles vor dem Hintergrund der Sorge um die Kinder. Der einzige anwesende Vater schlug eine technische Lösung vor: es gäbe Programme, die alles aufzeichnen, was das Kind zu Hause am Rechner macht, und in die Schultasche könne man einen GPS-Sender packen!

    Ich zog mich nach kurzer Zeit von diesem Gespräch geistig zurück. Deutlich heldenhafter wäre es natürlich gewesen, Aufklärungsarbeit zu leisten: Dass das Internet - wie Straßenverkehr - eine nützliche Infrastruktur ist, in der man sich zu bewegen lernen muss und dass es nicht hilft, zu Hause weggesperrt zu werden bis man mit 18 von jetzt auf gleich alleine loszieht. Dass ein Opfer einer Gewalttat niemals Schuld ist, sondern immer ausschließlich der Täter. Dass ein Vertrauensbruch vermutlich deutlich mehr Schaden hinterlässt als alles, was ein Jugendlicher normalerweise im Internet anstellen würde. Ich hätte aufstehen können, zu einer Rede anheben, vielleicht auf den Tisch klettern, Leute mit den Köpfen zusammenstoßen. Aber ich kann nicht die ganze Welt retten. Und so kehre ich mit unfroher Kunde zurück: Sie, meine Leser, und ich, wir sind Freaks in einer kleinen Seifenblase. 95% der übrigen Eltern in meinem Alter leben in einer anderen Realität, und in der ist das mit dem Neuland gar kein Witz!

    Zurück zum Bouldern: nach Ihrer Einweisung kletterten die Mädels wie kleine Spinnen senkrechte Wände, Überhänge, Kugeln und Kanten hoch. Präpubertäre Kunstturnerinnen bestehen nur aus Muskeln, wiegen so gut wie nichts und haben ein exzellentes Körpergefühl. Unter diesen Voraussetzungen scheint Schwerkraft irrelevant zu sein. Es fanden sich bald Zuschauer ein, dann wurde noch mit Augenbinden geklettert und am Ende kam das Angebot, mal ein Schnuppertraining im Verein zu machen. Der Kunstturntrainerin zuckte ein bischen das Augenlid.

    Um 19 Uhr kam der Nikolaus und das Klettern wurde beendet. Mademoiselle und ich teilten noch eine Pizza und eine Cola und begaben uns dann auf die Autobahn. Seit 22 Uhr sind wir in Düsseldorf, das Kind ist mittlerweile im Bett und ich spiele gleich noch den Nikolaus für Mademoiselle, Mama N. und Papa N.

    Und dann reicht es auch für heute.

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