Nach einem knappen Jahr war ich heute mal wieder bei einem Friseur. Ich gehe enorm gern zum Friseur, zum einen, weil ich es gut finde, wenn jemand an meinen Haaren etwas macht - ich selbst mache nämlich sehr ungern etwas an meinen Haaren und auch an Haaren allgemein, ich finde Haare immer leicht eklig, besonders, wenn sie ausgefallen sind - zum anderen, weil ich meine Haare nach Friseur immer besser finde als vorher (was natürlich mit der Besuchsfrequenz zusammen hängen könnte). Dass ich meine Friseuraffinität so selten auslebe, liegt einzig daran, dass der Salon, in dem ich war, wenn ich das nächste Mal hingehen möchte meist leider nicht mehr existiert. Warum ist mir völlig unklar, aber es hat eben den Effekt, dass ich dann nicht weiß, wo ich hingehen soll und demzufolge logischerweise nirgendwo hingehe. Bis meine Schwester anruft und sagt: "Ich könnte dir mal einen Friseurtermin machen" Das nehme ich dann dankend an.
Heute war ich bei Serpil. Dort war auch Frau Wolf. Frau Wolf kannte ich vorher nicht, sie hatte einen Termin für 11 Uhr, ich kam um 9 Uhr und Frau Wolf wartete da schon und ich wurde, als Serpil Kaffee machen ging, beauftragt mit Frau Wolf ein bisschen zu reden, sie würde sonst nervös. So weiß ich jetzt, dass Frau Wolf in einer Klinik lebt und am Wochenende eine Nacht nach Hause darf, einmal im Monat geht sie dann samstags zum Friseur. Zu Serpil.
Serpil sprach ein bisschen rheinisch und setze meinen relativ offen formulierten Kundenwunsch ("Irgendwie anders, aber kein Pony und nichts mit viel föhnen und nicht kürzer als Ohrläppchen") exzellent um. Sie schnitt ausschließlich mit Messer statt Schere und erzählte mir von der klassischen Abschnittmengenambivalez der Langhaarkunden - die allermeisten möchten ja nur Spitzen geschnitten haben. Liegen dann hinterher nur ein paar Fusseln auf dem Boden (wobei Serpil mir sagte, man solle zum Erhalt der guten Stimmung das Wort "Fusseln" vermeiden und immer von "das Haar" sprechen, es liegt also "nur wenig Haar auf dem Boden"), sagt die Kundin: "Und dafür 50 Euro? Das hat sich ja gar nicht gelohnt!". Liegt hingegen eine größere Menge Haar dort, heißt es: "Sind Sie waaaaaaaaaaaahnsinnig? Meine Haare!!!"
Kurz darauf hatte ich plötzlich statt einfach nur Haaren eine Frisur, die mir schon im Nasszustand außerordentlich gut gefiel. Alles wunderbar. Nur noch schnell föhnen - beim Föhnen kann man nicht mit mir sprechen, das ist wie Staubsauger oder Presslufthammer, ich muss mich mental zurückziehen den sonst werde ich wahnsinnig oder bekomme Migräne. Ich schloss also die Augen und entfernte mich. Als das Geräusch verstummte, sagte Serpil sagte "Klasse!", Frau Wolf sagte anerkennend "Mhm!!" und ich öffnete die Augen und sagte erstmal gar nichts.
Serpil: Nicht gut?!
Frau N: Serpil - ich sehe plötzlich aus wie Barbara Schöneberger! Was ist passiert??
Serpil: Magst du keine Locken?
Frau N: Ich habe nichts gegen Locken. Nur, weißt du, wenn das Schicksal der Welt davon abhängen würde, eine Person mit absolut glatten Haaren zu finden, dann wäre ich die sichere Kandidatin gewesen. Wo kommen die Locken her?
Serpil: Habe ich reingeföhnt.
Frau N: Aber wieso?!
Serpil: Weil Wochenende ist.
Darauf fiel mir dann auch nichts mehr ein. Aber zu Serpil werde ich wieder gehen. Unter der Woche. Wenn sie nicht pleite macht.