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    Freitag, 12. Juni 2020

    Gestern schrieb Frau Fragmente folgendes:

    „Warum machen wir das eigentlich?“, frage ich Novemberregen, und sie macht unverbindliche Laute und beißt in ihre Schlangengurke. „Darauf weißt du auch keine Antwort, hm?“ sage ich, und wir nicken und fangen an zu tippen.

    Ich habe darüber natürlich noch weiter nachgedacht. Manche Dinge müssen bei mir erst einsickern, sich einen Weg zu Antwortkörnchen suchen, die dann zusammentragen und daraus ergeben sich größere Krümel, bruchstücke, eine Idee, die ich weiter verfolgen kann und irgendwann auch eine Antwort.

    Bei einer Antwort bin ich noch nicht, aber ein paar Krümelchen habe ich zusammengetragen wie ein fleißiges Nagetier:

    Ich schreibe schon immer Sachen. Seit ich mich erinnere. In Notizbücher, teilweise Tagebücher, lange Jahre Taschenkalender. Ich schreibe Sachen auf, die ich noch nicht bereit bin, zu vergessen. Gedanken über Bücher, Erlebnisse, Formulierungen, Öffnungszeiten, Einkaufszettel, Rezepte, Songtexte, Ideen, Pläne, Listen.

    Irgendwann kam es dann so, dass ich häufiger an einem Computer saß als an einem Tisch mit Stift und Papier. Da hatte ich dann eine Internetseite, auf der ich zusammentrug und ich schickte mir selbst Mails. Dann war ich irgendwann in einem amerikanischen Lesezirkel und dort war es üblich, die Gedanken über die Bücher in einem Blog festzuhalten. Auf diese Weise, ganz grob, entstand dieses Blog.

    Manchmal blogge ich ja längere Zeit auch nicht. Das heißt aber nicht, dass ich nichts schreibe. In den Blogpausen schreibe ich woanders. Nicht schreiben kann ich nicht, weil ich ja weiterhin bei manchen Sachen noch nicht bereit bin sie zu vergessen. Wenn ich phasenweise nicht blogge schreibe ich mir Mails, meist bleiben sie im Entwürfe-Ordner (Hauptsache, sie sind irgendwo), oder ich schreibe in ein Googledoc oder habe dann tatsächlich auch mal ein Notizbuch oder unordentliche Post-its.

    Aber im Grunde ist es so, dass ich unendlich viel schneller tippe als ich mit dem Stift schreibe. Ich schreibe um die 600 Anschläge in der Minute, die Verbindung vom Kopf in die Finger ist ganz unmittelbar, das ist nicht immer gut, aber es erklärt, warum Papiernotizen für mich nicht mehr in Frage kommen. Viel zu umständlich und nie von überall so unkompliziert verfügbar wie eine Online-Lösung.

    Dass es dann aber meistens das Blog ist und eben nur phasenweise Mail-an-mich-selbst oder Googledoc liegt daran, dass ich eine "Kontaktperson" bin: ich funktioniere zwar auch alleine, aber was mich wirklich anregt, beflügelt, pusht ist der Kontakt zu anderen. Ich mag Austausch, den Input, die andere Sichtweise, die Erweiterung des Horizonts. Ich schreibe nicht wegen des Austauschs, denn wie gesagt, ich schreibe sowieso. Aber ich ziehe - meistens - das Blog den privateren Lösungen vor, um dem Austausch eine Tür aufzulassen. Ich lasse immer Türen auf, meine Bürotür ist auch immer auf, zu Hause sind alle Türen immer auf, würde ich in einem Einfamilienhaus wohnen, stünde vermutlich die Eingangstür auf.

    Und das sind die Puzzlestückchen, die ich als Antwort auf Frau Fragmentes Frage zusammengesammelt habe:

    Ich schreibe weil ich noch nicht bereit bin, Sachen gedanklich ganz loszulassen. Und ich schreibe das in das Blog, um eine Tür zur Welt aufzulassen.

    Donnerstag, 11. Juni 2020

    Frau Fragmente sitzt in ihrem Schlafzimmer am Schreibtisch und bloggt, ich sitze in meinem Büro und blogge über Frau Fragmente. Eigentlich hatte ich vor, den ganzen Eintrag heute in der dritten Person von mir zu schreiben, aber dann war es in echt nicht so witzig wie in meinem Kopf. Und wie ich heute schon jemandem mailte: Aufwand und Nutzen müssen sich die Waage halten. Was man anderen anweist, muss man natürlich selbst auch machen. Bzw. nicht immer. Aber das ist ein anderes Thema. Auch ein spannendes natürlich.

    Es gibt lauter spannende Themen heute. Noch eins wäre eines, das ich Frau Fragmente offenbar zu Beginn ihrer Berufstätigkeit verklickert habe. Ich konnte mich null erinnern aber sie hat es mir vorhin berichtet und ich lauschte mit meiner ungeteilten Aufmerksamkeit. Schlaue Idee, erzähle ich vielleicht ein andermal oder vielleicht tut sie das ja auch.

    Was mich eigentlich heute umtreibt ist die Frage: warum wird so wenig gefragt. Ich stelle das in allen möglichen Sachverhalten fest, gerade aber auch beruflich. Inderaktuellensituation, die eben viel Unsicherheit bringt und dann wir ganz viel spekuliert statt gefragt.

    Ich habe neulich überlegt, ob man ein Unternehmen völlig transparent machen könnte, also in der Art, dass jede/r Zugriff auf alles hat (Lesezugriff natürlich nur). Auf das komplette Buchhaltungsssytem, auf die gesamte Kommunikation, einfach auf alles. Mir würde das sehr gut gefallen, zum einen natürlich, weil ich ja total neugierig bin, zum anderen aber auch, weil ich dann immer sagen könnte "na guck dir halt die Details und Zusammenhänge an und komm dann nochmal mit einer Meinung wieder".

    Ich glaube, ich habe an meinem Standort etwa 80% Überblick über alles. Das ist schon recht viel. Etwa ein Jahr habe ich gebraucht - also neben meinen sonstigen Tätigkeiten - um die finanzielle Struktur zu verstehen. Als ich Anfang 2019 neu in meiner Position war, hatte ich ja mal jemanden um Hilfe gebeten und gefragt, was im Bereich Finanzen eigentlich so genau von mir erwartet würde. Die etwas spöttische Antwort war, dass ich "jede einzelne Bewegung in den Büchern" verstehen sollte. Und da ich recht kompetitiv auf Herausforderungen reagiere, hatte ich somit ein paar Tage später alle Zugriffsrechte und habe angefangen, mich damit vertraut zu machen. Ich darf behaupten, dass ich alle Bewegungen im Jahr 2019 gesehen und verstanden habe.

    Hier sind wir dann aber auch gleich bei einer der Schwierigkeiten der völligen Transparenz: wer hat denn dafür die Zeit? Es kann ja nicht jede/r ein Jahr lang jeden Tag einen Zeitraum freiräumen, um Buchungen zu studieren, zumindest nicht, wenn das nicht zum eigentlichen Aufgabengebiet gehört.

    Weltweit in meiner Organisation habe ich, schätze ich mal, 10% Überblick. Tendenz steigend, weil ich halt dauernd etwas frage und irgendwo reingucke. Die anderen machen das nicht so, das verstehe ich nicht, es ist doch alles so spannend! Genauso verstehe ich nicht, wieso nicht jede/r an den Videokonferenzen mit dem Chef von Allem teilnimmt. Natürlich sind nicht alle Einzelheiten spannend und er sagt selbst immer mal "sorry for being preachy" aber man will doch wissen, wer der Boss ist, wie der aussieht, wie er auf dem Stuhl zappelt, welche Mimik er hat und natürlich auch was er sagt. Ich finde immer, je mehr ich weiß, desto besser kann ich Zusammenhänge verstehen, mir Fragen beantworten, Probleme vorhersehen. Ich möchte im Grunde wirklich einfach alles wissen.

    Und deshalb wundere ich mich auch, wie wenig ich gefragt werde. Klar, ich kann nicht alles teilen, weil es eben keine völlig transparente Organisation ist, aber vieles natürlich doch, viele Zusammenhänge klarer machen, viele Linien verdeutlichen.

    Was mich auch noch wundert: viele Leute, die was wissen möchten, fragen jemanden, den sie gern fragen möchten. Aber nicht die Person, die mit ziemlicher Sicherheit die richtige Antwort hat.

    Nunja. Vielleicht ist das Ziel auch Gerede oder Gejammer und nicht Durchblick, was weiß ich schon.

    Frau Fragmente jedenfalls hat heute ein lustiges Zöpfchen. Außerdem trägt sie ein Nachthemd, das ich aber für ein Büro-Oberteil mit Perlenstickerei hielt. So ein schickes Nachthemd hätte ich auch mal gerne, ich trage immer übergroße T- und Sweatshirts mit Aufdrucken vom Techniktagebuch und alle haben Löcher an den Schultern, weil sich die Katzen da hineinkrallen, wenn ich sie herumtrage.

    Frau Fragmente hat heute übrigens auch eine unglaublich lange Blogliste. Zig Themen, ich wüsste echt gern, wann sie die Liste erstellt hat. Heute über den Tag? Aber war sie immer in der Nähe dieses Notizblocks? Oder hat sich sich nach dem Abendessen geordnet hingesetzt und "So. Jetzt schreibe ich meine Themenliste!" gesagt? Was macht Frau Fragmente, wenn wir nicht zuschauen?

    Vielleicht verrät sie es uns ja in ihrem Blogeintrag.

    Mittwoch, 10. Juni 2020

    Eigentlich wollte ich heute die Welt (komplett) erklären, aber dann rief Frau Herzbruch an, um mit mir meine Überraschung und Enttäuschung in Bezug auf verschiedene Konsumgüter im Gespräch aufzuarbeiten und nun habe ich keine Zeit mehr.

    Dienstag, 9. Juni 2020

    Wir haben im Büro einen Raum, den wir teilweise "Die Kammer des Schreckens" nennen und teilweise den "Panic Room". Es handelt sich dabei um einen Raum, den man nur über ein anderes Büro, nicht über den Gang, betreten kann und der sich im Innenleben des Büroturms befindet, also keine Fenster hat. 3x3 Meter schätze ich. Früher stand darin mal etwas, das wir Tresor nannten, bis der Oberchef alle ausreichend belehrt hatte, dass es sich nur um einen Wertschutzschrank handelt, folglich behandelten wir diesen Schrank ab da mit weniger Respekt, stellten ihn irgendwann woanders hin und taten nur noch Dinge hinein, die eh eigentlich unwichtig waren. Was jemals im Tresor war oder wo es jetzt ist, weiß ich nicht, damals hatte ich auf diese Dinge noch keinen Zugriff.

    Der Raum war dann Gerümpelraum und neulich ging mir der Platz für die Akten aus, es wäre aber auch unsinnig gewesen, sie ins Außenlager zu schicken, weil ich sie eben alle so 1-2 Mal im Jahr doch brauche, also annektierte ich den Raum, ließ das Gerümpel entfernen und die Schließung ändern.

    Der Raum hat eine sehr schwer Tür, die von selbst schließt, wegen Gerümpel kam man immer etwas schlecht hinein und bei meiner ersten Erkundung des Raumes machte ich einen entscheidenden Fehler: wann immer ich irgendwo hineingehe, lasse ich mir Zeit mit der Betätigung des Lichtschalters denn ich sehe auch recht gut im Dunkeln. Aber natürlich nicht da, wo gar kein Licht ist. Zapp war die Tür zu und ich sah absolut nichts. Panic Room bekam kurz eine ganz andere Bedeutung, ich erinnerte mich dann aber an das Dunkeldinner mit Frau Herzbruch und dass ich dort gelernt hatte, dass die Dunkelheit mir nicht in Mund und Nase kriecht und mich erstickt. Trotzdem stieß ich mich ein bisschen an diesem und jenem, bevor ich auf die Idee kam, das Handy in meiner Hand einzuschalten. Ob man da Empfang hat, kann ich gar nicht sagen, aber auf jeden Fall reicht so ein Handy aus, um den Lichtschalter oder die Türklinke zu finden.

    Ich komme nicht umhin zu sagen, dass mir der Raum etwas suspekt ist. Heute packte ich dort knapp 20 Kartons aus, aus Faulheit hatte ich den Schlüssel außen stecken lassen und nun kam mir der Gedanke, was wohl wäre, wenn die Person, die das vor der Tür liegende Büro gerade bewohnt mich irgendwie nicht mag? Also den Schlüssel umdreht, abzieht und sich den Rest der Woche krank meldet? Gründe gibt es ja immer. Ein Handy hatte ich nicht dabei. Einen weiteren Schlüssel gibt es nicht, außer dem 0-er-Generalschlüssel (quasi Saurons Ring), den die Feuerwehr hat. Wann würde man mich finden, wäre ich verdurstet oder verrückt geworden oder hätte ich mich mit dem mir zur Verfügung stehenden Teppichmesser (zum Öffnen der Kisten) bis zum Gang durchgegraben?

    Es war mir wichtig, die Kisten fertig auszupacken und den Schlüssel nicht mittendrin von außen wegzunehmen.

    Ob ich hinterher von den Kisten verschwitzt war oder von meiner Phantasie, kann ich nicht genau sagen.

    Montag, 8. Juni 2020

    Es ist tatsächlich Juni, mehrmals habe ich mich in den letzten Tagen darüber gewundert und gerade singt auch einer von den Vögeln, die im Sommer abends manchmal singen, draußen. Die singen, wenn der Tag lang und warm und voller Menschen und Geräusche war und es langsam stiller wird, ein blauer Sonnenuntergang und ein Nachleuchten und die bloßen Füße spüren noch die Wärme vom Asphalt.

    Mir fehlen ein paar Wochen oder vielleicht auch ganze Monate. Ob es an der neuen Häuslichkeit liegt - naja, ich gehe ja raus aber doch viel, viel weniger als üblicherweise. Oder ob es daran liegt, dass die Tage sich doch in ihrer Struktur irgendwie auflösten, trotz Arbeit oder vielleicht auch wegen (viel zu viel) Arbeit.

    Ich weiß es nicht. Jedenfalls ist in mir drin noch Winter.

    Sonntag, 7. Juni 2020

    Die Balkonsituation ist dieses Jahr ein wenig unbefriedigend. Zum ersten Mal habe ich Pflanzen im Treppenhaus überwintern lassen und im Frühjahr wieder rausgesetzt. Nun weiß ich nicht ob das Überwintern nicht ganz so gut lief (außer bei der Physalis, die bekam im Dezember nochmal Blätter und ging dann ein, das lief definitiv nicht gut), oder ob ich die Trockenheit der letzten Wochen unterschätzt habe: jedenfalls geben sich die überwinterten Pflanzen nicht sonderlich performant. Sie sind krumm und schief und lückenhaft.

    Und sogar die Walderdbeere, die schon ca 6 Jahre alt ist und sonst über diverse Balkonkästen hinweg wuchert, bietet mir dieses Jahr nur ein Pflänzchen und das bekommt gerade seine erste, sehr mühsame Blüte. Der Feigenbaum ist tot, den Apfelbaum habe ich im Herbst extrem zurückgeschnitten und da ist in diesem Jahr außer neuem Laub nichts zu erwarten, gut, das war in Kauf genommen.

    Aber noch nichtmals die Minze will so richtig. Und dann hatte M noch Kapuzinerkresse ausgesät und die ist verblattlaust. Wo sind denn die Marienkäfer, ich habe dieses Jahr noch keine gesehen?

    Immerhin, ein Experiment, eine einfach irgendwo reingestopfte Aloe Vera ging an. Trotzdem war ich gestern genervt und nahm im Baumarkt noch einen Busch Rosmarin mit (Rosmarin geht immer) und eine kleine Tomatenpflanze, irgendwas muss doch zu Essen auf dem Balkon sein, wenn schon die Physalis und die Feige tot sind, der Apfel nicht trägt, die Erdbeere offenbar eine einzige Frucht produzieren möchte und die Kresse verlaust ist (Minze mag ich nicht).

    Und dann kaufte ich noch Blumensamen mit lauter bunten Blumen, die man auch essen kann. Eine Tüte soll für 4 Quadratmeter reichen, ich kippte 2 Tüten in 4 Balkonkästen. Das wollen wir doch mal sehen, wer hier über Blütenpracht bestimmt. Ich denke mal, das bin immer noch ich.

    Freitag, 5. Juni 2020
    WmdedgT 6/2020

    (Alles zu WmdedgT finden Sie bei Frau Brüllen.)

    Ich wachte heute Morgen neben den Katzennäpfen auf dem Küchenfußboden auf, das lag daran, dass die kleine Katze irgendwann als es noch dunkel war sehr hungrig nach Futter geschrieen hatte, ich hatte es in den Napf gefüllt und dann gedacht "bevor ich vom Boden aufstehe ruhe ich mich nur noch einen ganz kleinen Moment aus." Als ich die Augen wieder öffnete, war es hell. Ich bin aber nochmal ins Bett, denn auf dem Küchenfußboden aufzuwachen ist kein akzeptabler Start in den Tag.

    Das richtige Aufstehen war um 7.15 Uhr. Ich war heute ins Home Office verbannt, weil mein Raum im Büro gestrichen wird, also ist dort nun ein weiteres Mal alles in Kisten verpackt. Das hätten die Verantwortlichen echt besser organisieren können. Habe ich aber halt nicht dran gedacht, bzw. als das ausgemacht wurde, dachte ich, ich wäre dann entweder sicher sowieso noch im Home Office oder fände es toll, dann nochmal im Home Office zu sein. Negativ in beiden Fällen.

    Also zu Hause am Schreibtisch, das Telefonklingeln dort verursacht mir mittlerweile Aggressionsschübe und es klingelte heute sehr oft. Ich hatte eine mittelgroße Liste an Dingen abzuarbeiten, zusätzlich noch etwas Lektüre für "einen ruhigen Moment". Die Liste wurde fertig, den ruhigen Moment gab es allerdings nicht. Dafür gab es einige unruhige Momente, z.B. als mir zu Ohren kam, der OC wolle eine Corona-Party im Büro feiern, also ein Meeting mit etwa 10 Personen dort abhalten, ein Anruf bei ihm ergab aber, dass diese Information falsch war, doch im Gegenzug entnahm der OC aus unserem Gespräch, es würde gerade irgendeine Art von Karneval gefeiert, auch das nicht zutreffend und dann wurde ja auch noch eine Bombe in der Nähe des Bürogebäudes entschärft, was wieder zu Verwirrung führte mit Personen, die genau aus diesem Grund in die Tiefgarage wollten und Personen, die genau aus diesem Grund genau nicht in die Tiefgarage wollten.

    Ja, es war wohl insgesamt ein Tag der Missverständnisse, ich hatte noch ein Computerproblem bemängelt, das für mich gelöst wurde, indem mir eine Person zugeteilt wurde, die diese Dinge für mich macht, tatsächlich hatte ich das Problem aber ganz generell, für einen größeren Personenkreis und gar nicht speziell für mich auf die Agenda gebracht und durch eine Namens- und/oder Ortsverwechslung kenne ich die Person, die mir nun zugeordnet ist, nicht, habe keinerlei Schnittstellen mit ihr und das wird sich auch in absehbarer Zukunft nicht ändern. Und dann dachte noch wer, er könne mir ans Bein pissen, aber dazu muss ich ja nichts sagen.

    In einer frühen Mittagspause irgendwann zwischendrin hatte ich Gesangsstunde und sonst halt die üblichen Home Office-Störungen: einmal ein Werbeanruf auf das private Telefon, einmal klingelte die Post, zweimal jagten sich die Katzen, einmal musste ich die Kaffeemaschine auffüllen, alles sehr lästig.

    Um 17 Uhr machte ich Feierabend, kontrollierte noch rasch die Bankkonten (jetzt, wo ich wieder Zugang zu allen habe!), bestellte Bettwäsche mit einem Baumwollanteil von 101%, überlegte, einen lebensgroßen Pappaufsteller von Angela Merkel zu bestellen (und tat es nicht), fuhr das Kind zu ihrem Freund, ging in den Baumarkt und machte den Wocheneinkauf, alles ereignislos.

    Abendessen sollte es eigentlich vom türkischen Imbiss geben, ich war aber versehentlich zum falschen Supermarkt gefahren, dort gibt es einen anderen Imbiss, der hatte - es war mittlerweile 20:30 Uhr - geschlossen, also gab es etwas von McDonalds, das liegt auf dem Weg.

    Jetzt noch Küche aufräumen (gibt ja keinen täglichen Putzdienst im Home Office), Wäsche aufhängen, Elternanruf, um 23 Uhr das Kind wieder abholen, dann schlafen.

    Freitag, 5. Juni 2020

    Das Anstrengende an einer Pandemie ist, also neben den ganzen "Sachen", die irgendwie zu machen sind, eher so ein Anstrengungsgrundrauschen:

    Dass ständig alles wieder ein bisschen neu gedacht werden muss, weil es neue Erkenntnisse gibt. Maßnahmen werden getroffen oder abgeschafft, daran muss man denken und dazu muss auch immer eine eigene Position gefunden werden. Und die ist dann auch noch bei jedem anders. Ich bin mental noch nicht bei Restaurant drinnen, bei Chor, bei Karaoke. Ich bin aber vielleicht bei Restaurant draußen, Freunde treffen, S-Bahn-fahren und Büro. Vor einem Monat war ich noch bei Home Office vor zwei Wochen noch nicht bei S-Bahn-Fahren, vielleicht gehe ich in weiteren zwei Wochen in die Kirche? (kleiner Scherz). Oder ich besuche mein Eltern? Oder ich fahre doch nicht mehr Bahn, wenn sie voller wird?

    Ich weiß es nicht, es entwickelt sich alles, muss eben immer wieder neu gedacht und umgedacht werden und dann ausgehalten werden, dass andere eben anders denken und ihre Position anders setzen. Warum machen sie das anders, warum sehe ich das nicht wie sie, habe ich irgendwo falsch gedacht, haben sie irgendwo falsch gedacht? Sehr wahrscheinlich ist nichts davon der Fall sondern wir sind eben einfach unterschiedlich.

    Anstrengend ist das trotzdem, und zusätzlich nochmal, wenn ich auch Maßnahmen für andere festlege, die der eine dann zu locker findet und der andere zu streng und ich selbst, naja, ich weiß es doch auch nicht, es ist einfach das, was ich in dem allgemeinen Durcheinander in diesem Moment und soweit es mir irgendwie möglich ist, das zu beurteilen, für angemessen halte.

    Donnerstag, 4. Juni 2020
    Work

    Mein Weblog ist down, ich bin sehr traurig. Frau Novemberregen lässt mich hier gastbloggen, hat ansonsten aber nicht viel Empathie für meine Situation. Die Funktionalität ist ja gegeben, das Problem erstmal gelöst. Mir gefallen die Farben hier nicht, ich kann so nichts schreiben. Aber ich weiß, dass ich, sobald der Adrenalinpeak abgeflacht ist, dankbar sein werde, dass ich hier sein darf.

    Jedenfalls: die Arbeit. Seit dieser Woche bin ich wieder im Büro, und habe das, was ich Ende März getan habe, in umgekehrter Reihenfolge wiederholt: Papiere in eine große Tüte, Kabel gelöst, den Laptop in die Tasche, die Dockingstation abgebaut, Keyboard und Maus dazu, ganz am Schluß die beiden Monitore ins Auto geladen. Und dann im Büro alles wieder aufgebaut, ich weiß jetzt schon ganz gut, wie es funktioniert.

    Zwischendurch habe ich mich verwandelt: die Haare füllig geföhnt, bisschen Makeup und Schmuck, Business-Outfit und höhere Schuhe, und schon war ich eine andere, zielstrebig und dynamisch. Zwischen den Bankentürmen ist es fast wie immer, mit Männern in Anzügen auf Elektrorollern, Frauen in Kleidern, die ihr Mittagessen in einem Beutel dabei haben, Menschen vom Lieferservice und Paketboten von Amazon. Insgesamt ist es leerer, und hin und wieder trägt jemand eine Maske, aber das war es dann auch.

    Im Büro dann eine Sceleton Crew und der Gedanke, dass wir hier drinnen und die da draußen diejenigen sind, die wirklich arbeiten, die essentiell sind, die die Räder am Laufen halten, aber das ist natürlich vermessen. Niemand braucht Leute, die im Büro arbeiten. Aber noch weniger braucht man Manager, die vom Home Office aus in Videokonferenzen rumquaken, denke ich dann, bevor mir der Gedanke wieder entwischt. Back to work.

    Gemischte Gefühle. Immer mal wieder so eine Unsicherheit bei mir, weil ich im Grunde genommen gar nicht so richtig weiß, was meine Arbeit ist. Mein Arbeitstag ist eine Aneinanderreihung von Aufgaben, die meisten fallen mir so zu, sie entstehen irgendwie, ich sehe, dass sie gemacht werden müssen, oder es sind kleinste Teilaufgaben eines der großen Projekte, die ich gerade mache. So gut wie nie gibt es jemand, der mir sagt, was zu tun ist, das ist großartig, und es ist schrecklich. Ich habe mich daran gewöhnt.

    Ein wenig überrascht bin ich nach wie vor davon, wieviele Menschen das Gespräch mit mir suchen, jetzt, wo ich wieder physisch vor Ort bin, noch mehr als zuvor. Im Home Office bin ich viel produktiver als im Büro, aber bei der Arbeit geht es ja nicht nur darum, Aufgaben abzuarbeiten und produktiv zu sein.

    Rounders von Rome hat mal gesagt: du weißt es doch selbst, wenn du etwas schreibst, und es ist gut. So ist das auch mit der Arbeit: ich spüre manchmal, dass ich gerade gut bin in dem, was ich tue, oder gerade etwas gut gemacht habe. Für mich ist das fast das wichtigste: dieses Gefühl zu haben, es ist mir viel wichtiger als ein Lob vom Chef oder einen Beförderung oder Status oder der Glanz in den Augen der anderen. Ich kann es nur nicht replizieren, es kommt und geht, und dazwischen schwimme ich.

    Who am I and what is my work? Mein Coach hat immer gesagt, das ist die große Frage. Ich kenne die Antwort nicht, aber ich beginne langsam, die Frage zu verstehen.


    Frau Fragmente sitzt weiß ich nicht wo und bloggt, Moment, ich muss erstmal gucken, heute ist alles etwas verwirrend. Ich sehe nur den Vorhang. Der ist aber im Arbeitszimmer, das weiß ich noch.

    Ah, jetzt sehe ich auch Frau Fragmente. Erschwerend, naja, in Wirklichkeit nicht, weil wir ja so unglaublich findig sind, kommt heute hinzu, dass Frau Fragmente auf ihr Blog nicht zugreifen kann. Deshalb schreibt sie in meinem, das ist ja kein Problem. Sie sorgt sich allerdings, warum das so ist mit ihrem Blog und wie man das beheben kann. Aber auch das finde ich ein sehr zu vernachlässigendes Problem: wir werden das gleich auf Twitter fragen und dann wird es jemand für sie regeln. So löse ich alle meine Probleme.

    Ich habe auch Gurke, also Schlangengurke. Halte das für erwähnenswert.

    Als ich Frau Fragmente heute sah, dachte ich, sie käme frisch aus der Dusche. Tatsächlich war sie 10 Minuten zuvor erst aus dem Büro gekommen. Ich möchte mich hier ein bisschen in dem wohligen "hab ich doch gesagt"-Gefühl räkeln, denn schließlich schrieb ich letzte Woche davon, wie Frau Fragmente als frischer Head of ihr Reich möglicherweise bald begehen möchte. Ich scherze so gut wie nie, ich formuliere die Dinge nur unterhaltsam, das ist eins der Missverständnisse meines Lebens.

    Frau Fragmente denkt gerade besorgt an ihr Blog, das sehe ich ihr an. Ich habe einen Blick dafür, wenn Personen in einem Gedanken versinken und gar nicht mehr richtig da sind, wo ich bin. Das ist mir heute schon mehrfach passiert. Jetzt ist sie gleich ganz weggegangen, das passiert mir offen gesagt nun doch eher selten, so mittendrin und ohne Ankündigung. Gehen wir mal davon aus, dass es an der instabilen Internetverbindung liegt. Ah, tut es, wie hingezaubert ist sie wieder in ihrem Stuhl und ein wenig bissig: ihr gefallen die Farben in meinem Weblog nicht. Hört, hört.

    Ich kann Frau Fragmente heute nicht ganz sehen, die Kamera steht ungünstig, aber ich traue mich nicht, etwas zu sagen, sie sieht gerade aus wie jemand, der Verbesserungsvorschlägen eher unzugänglich gegenübersteht. Ich sehe dafür heute den Ventilator im Hintergrund. Ich habe den gleichen, weil Frau Fragmente ihn mir zum Kauf empfohlen hat. Vor mehreren Jahren war das; seit etwa einem Jahr empfiehlt sie mir nämlich immer wieder, eine Klimaanlage zu kaufen. Die virtuelle Bürokollegin übrigens auch. Sehr verdächtig. Ich lehne Klimaanlagen zu Hause aus ethischen Gründen ab (es lohnt sich, diese Aussage mit dem letzten Satz aus Absatz 3 im Hinterkopf zu lesen).

    Kurz hatte ich jetzt gerade einen Themenhänger. Also davon abgesehen, dass ich nie wirklich ein Thema habe. Aber Frau Fragmente tippt schon wieder so eifrig, dass ich mich abgehängt fühlt und erfragte, ob sie etwa auch heute wieder ein Thema habe. Frau Fragmente sagte: "Ich habe immer ein Thema." Ich sagte: "OK."

    Ich verrate es jetzt, sie wird - wenn sie noch dazu kommt - darüber schreiben, wie man sich die Welt verfügbar macht, ein Konzept von Hartmut Rosa, von dem mir Frau Fragmente häufiger Vorträge oder Lesungen oder so ans Herz gelegt hat, die ich aber alle nicht angehört habe, weil ich ja niemandem zuhören kann. Außer Rezo in seinem CDU-Zerstörungs-Video, in seinem Pressevideo jetzt leider auch schon nur noch halb. Das brachte mich aber auf ein anderes Thema (also das "verfügbar machen", nicht das Zuhördilemma).

    Ich suchte neulich nämlich nach einem Spiel. Also: einem Spiel für mich. Online natürlich, wie und wann soll man es sonst spielen, so ein Spiel, das irgendwo gegenständlich ist und damit zu maximal 50% am selben Ort wie ich. Ich kam darauf, weil ich WoW ausprobierte, das gefiel mir gut, ist aber nur am PC spielbar und damit eben auch nicht immer verfügbar, ich bräuchte ein plattformübergreifendes Spiel, am besten zusätzlich auch am Handy spielbar. Ich spielte alle möglichen Spiele an, die mir mal gefallen hatten, die empfohlen wurden, von denen ich mal gehört hatte, es war eine wahre Downloadschlacht, bis mir der Kopf schwirrte und ich mich fragte, was ich eigentlich suche in dem Spiel, das ich suche.

    Was ich suchte war eine neue Rolle. Irgendwas frisches, nicht so festgefahren. Nochmal etwas von vorne machen, ohne jemanden zu kennen, sich neu erfinden können, nicht schon so vieles als gegeben annehmen können - im Spiel natürlich nur, nicht im Leben an sich, vielen Dank, es ist schon recht komfortabel so.

    Gefunden habe ich nichts. Statt dessen las ich dann ein Buch, weil für mich das Gefühl einer neuen Rolle, eines anderen Lebens, beim Lesen auch entsteht. Nur ist beim Lesen der Pfad durch das Buch vorgegeben, im Spiel variabel.

    So. Eine Sache noch: ich werde später diese Woche die Bio-Tonne benutzen. Habe ich bisher noch nie, denn die Bio-Tonne ist nichts für Menschen, die im zweiten Stock wohnen. Wenn ich aber zu diesem noch undefinierten Zeitpunkt in der nahen Zukunft die Tonne verwenden werde, werfe ich dafür gleich einen ganzen Baum hinein. So ist das, all in or nothin', drunter mache ich es nicht. Ich muss von dem Bäumchen aber erst noch tränenreich Abschied nehmen.


    (Frau Fragmente schreibt noch etwa 10 Minuten, ich werde derweil mal versuchen, ihr Weblog zu reparieren.)

    Dienstag, 2. Juni 2020

    Sehr merkwürdiger Tag heute. Eine "Laune wie Erdogan" gehabt, damit aber sehr viel erledigt bekommen, Weichen für die nächsten Wochen/Monate gestellt, Informationssamen gesäht. Und auch sehr viel nachgedacht. Präventives hochkonzentriertes Nachdenken sozusagen.

    Am Abend trug ich aufgrund einer Idee das Gästesofa auf den Balkon, was sich als eine ganz hervorragende Idee für die nächsten Stunden erwies, gleich aber dann wohl in eine schlechte Idee umschlagen wird (nämlich genau dann, wenn ich es wieder hineintragen muss). Da sieht man es auch: so zeitlich instabil kann die Qualität von Entscheidungen sein.

    November seit 6623 Tagen

    Letzter Regen: 12. Mai 2024, 09:43 Uhr