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    Dienstag, 2. Juni 2020

    Heute keine Lust.

    Montag, 1. Juni 2020

    Ich kann es immer noch nicht so richtig fassen, dass ich keine Erledigungen mehr habe, die mir im Nacken sitzen. Großen Dank das Stapel-des-Grauens-Team. Auch heute habe ich wieder nachts drei Briefe zum Briefkasten gebracht und es kam mir völlig normal und gar nicht mehr aufregend vor.

    Neben dem "was-halt-so-reinkommt" ist jetzt Zeit, es sich schön zu machen. Einen Ordner aussortieren, der irgendwie alt ist aber man weiß halt nie, eine Schublade, die überquillt, mal Sachen nachfragen, die schon immer unklar waren und ein paar Dinge verbessern.

    Daneben habe ich heute den Kühlschrank komplett grundgereinigt und neu sortiert, dabei auch die Anordnung insgesamt verändert - die Milch, Ketchupflaschen, Bier etc. stehen jetzt aufrecht statt zu liegen und das Regal für Eier und das für Butter haben den Platz getauscht. Das erscheint mir praktischer so. Hatte ich vorher nie hinterfragt. Das Eisfach ist auch bald durchsortiert bzw. leergegessen, das ist gut, denn im Sommer muss darin Platz sein für den Kühlbehälter der Eismaschine. Die Eismaschine stand bislang oben auf einem der Oberschränke, dort habe ich sie heute runtergeholt, hmhm, ich glaube, als nächstes ist "Oberschränke obendrauf grundreinigen" an der Reihe. Aber nicht morgen. Morgen ist frei. Morgen lese ich Bücher.

    Sonntag, 31. Mai 2020

    Ich werde morgen den Kühlschrank auswaschen und alle Einlegeböden und Schubladen eine Runde in der Spülmaschine drehen lassen und darauf freue ich mich sehr.

    Das kommt so: in meinem Kühlschrank ist momentan besonders viel besonders gutes Essen. Dieses Essen soll, finde ich, in einer Art Wohfühlambiente lagern und nicht in einer Schublade mit etwas Dreck von den lehmigen Radieschen und auf Einlegeböden mit etwas Kruste von einem ausgelaufenen Joghurt und so weiter. Alles soll glatt, sauber, geordnet und hell sein (so lange die Tür auf ist, danach ist es, so sagt man, dunkel).

    Besonders viel gutes Essen ist darin, weil ich ein Paket bekam das ein bisschen gutes Essen enthielt. Nicht im Sinne von "ein bisschen gut" sondern im Sinne von "ein bisschen Essen". Also sehr gutes Essen, aber eben keine ganze Kühlschrankladung voll, ich habe aber dann den Wocheneinkauf um dieses wenige sehr gute Essen herumgeplant und es scheint da so eine Art Magnetismus stattzufinden: sehr gutes Essen muss man mit weiterem sehr guten Essen ergänzen.

    Wie kam es wiederzum zu der kleinen Lieferung mit sehr gutem Essen? Das ist eine etwas längere Geschichte. Vor ein paar Jahren hatte ich eine Essens-Abo-Kiste, die einmal im Monat (oder so ähnlich) kam und jeweils Spezialitäten aus einem Land (wechselnd) enthielt. Das fand ich sehr toll. Über die Zeit sammelten sich die Produkte aber bei mir an, das Kind aß damals sowieso noch nichts außer Pfannkuchen und Nudeln mit Ketchup und mir war das dann alles zu kompliziert, also stornierte ich die Abo-Kiste.

    Neulich dachte ich noch einmal wehmütig daran und recherchierte - der Anbieter hat aber mittlerweile pleite gemacht. Zwar gibt es diverse Food-Abos, aber keins davon überzeugte mich. So klagte ich der Kollegin im virtuelle Büro mein Leid und sie bot an, mir etwas zu bestellen. Das konnte ich natürlich nicht annehmen. Zwei Tage später jammerte ich erneut, sie bot es wieder an, ich glaube, wir spielten das insgesamt dreimal durch bis ich freudig annahm.

    Und Freitag kam dann mittags das Paket, nachmittags machte ich den passenden Wocheneinkauf und morgen wird der Kühlschrank geputzt.

    Samstag, 30. Mai 2020

    Fuß heute Morgen wie neu, dafür verschlafen und völlig zerschlagen aufgewacht, jedes Körperteil schwer wie Blei, kein richtiges Zeitgefühl, immer Bewegungen aus dem Augenwinkel gesehen, die nicht da waren: ich identifizierte es als aufziehende Migräne und eine Stunde nach Medikament war der Spuk vorbei. Der Rest des Tages war dann nur noch "komisch", er fühlte sich so an, als würde ich überhaupt nichts machen, nur so da sitzen, aber die berufliche To-Do-Liste ist komplett abgehakt, Wäsche ist gewaschen, zwei Kuchen gebacken, zweimal eingekauft, das Kind zum Training transportiert, die Katzenklos sauber und so weiter, also kann das mit dem "nur so da sitzen" gar nicht sein.

    Morgen ausschlafen ohne verschlafen, ich freue mich!

    Freitag, 29. Mai 2020

    Heute Abend tut mein Fuß weg, sehr empörend, an einer Stelle, an der gar nichts weh zu tun hat, da ist überhaupt nichts außer halt irgendwie Knochen mit Haut drüber (Außenkante). Und er tut auch nicht beim Laufen weh, sondern beim herumsitzen. Ich könnte natürlich einfach mehr laufen, aber ich bin mittlerweile müde und habe keine Lust mehr, zu laufen, ich bin ja von 7 Uhr bis jetzt gerade ununterbrochen herumgerannt.

    Wovon so ein Fuß wohl schmerzt? Ich habe dazu keine richtige Beziehung, mich schmerzen außer dem Kopf in der Regel keinerlei Körperteile. Auch, als ich den Kreuzbandriss hatte tat mir das nicht sonderlich weh, war halt unangenehm aber ich war ganz fest davon überzeugt, dass wenn ich aus der Narkose aufwache der Chirurg sich bei mir entschuldigen wird, weil er sich auf dem MRT-Bild etwas eingebildet hat, wo in Wirklichkeit nur eine kleine Prellung war (stattdessen entdeckte er, dass Innenband und Meniskus auch noch durch waren und begrüßte mich beim Aufwachen mit "Was um Himmels Willen haben Sie gemacht??")

    Wo war ich, beim Fuß. Inakzeptabel. Ich habe mit dem Fuß auch nichts Spezielles gemacht, also nichts, wofür er nicht absolut vorgesehen wäre. Ich gehe jetzt schlafen und erwarte, dass das morgen weg ist.

    Mittwoch, 27. Mai 2020

    Frau Fragmente sitzt am Schreibtisch ihres Schlafzimmers und bloggt, ich sitze an meinem Schreibtisch und blogge über Frau Fragmente. Der Vorhang vor dem Fenster hinter ihr ist zugezogen, ich dachte erst, das sei ein neues Videokonferenzarrangement aber das ist es gar nicht. Hätte aber sein können, Frau Fragmente findet das Home Office ja eine mehr als nur akzeptable Form des Arbeitens, es wäre ihr zuzutrauen, da aufzurüsten. Allerdings ist sie seit heute frisch "Head of" irgendwas (ich weiß was, "irgendwas" ist nicht despektierlich sondern nur vertraulichkeitswahrend), als Head of wird sie ihr Reich möglicherweise doch bald begehen und alle Huldigungen in persona entgegennehmen wollen. Wir werden sehen.

    Zum Einstieg ins Bloggen verlas Frau Fragmente Fanpost, an sie gesendet mit Gruß an mich. Das war sehr angenehm, Gruß zurück.

    Frau Fragmente sieht heute sehr fluffig aus. Die Haare sitzen perfekt, sie lacht sehr viel und wirkt sehr entspannt. Und auch recht motiviert, obwohl sie heute keine Blognotizen hat tippt sie regelrecht mit Verve und schaut sehr konzentriert. Ich selbst schweife schon wieder gedanklich etwas ab, nämlich in Richtung des Haselnuss-Eisbechers, den ich im Eisfach habe, aber den kann ich jetzt nicht holen, denn ich hatte Frau Fragmente meine ungeteilte Aufmerksamkeit angekündigt. Ich meinte damit aber eigentlich nur die Head-of-Geschichte, die ist ja jetzt schon eine halbe Stunde her, vielleicht reicht es auch nun mit der ungeteilten Aufmerksamkeit und ich hole mir den Eisbecher doch.

    Ich amüsiere mich beruflich in letzter Zeit häufig, weil einer der Sätze, mit denen wir Entscheidungen begründen lautet: "Diese Presse können wir uns nicht leisten." Interessanterweise habe ich das ja privat schon seit Jahrzehnten als Leitbild: Möchte ich das am nächsten Tag in der Zeitung lesen? Also: möchte ich am nächsten Tag in der Zeitung lesen "Mann von Feigenbaum erschlagen, den 42jährige Mutter von außen an das Balkongeländer band"? Oder "Unfall einer 37jährigen, die ein Fahrrad mit einem Fahrrad transportierte", "Genickbruch einer 45jährigen, die die Küche wie Pippi Langstrumpf putzen wollte"? Einige meiner möglicherweise gar nicht so schlechten Ideen, der letzten Jahre setze ich wegen Angst vor der Presse nicht um. Und so ist es jetzt auch im Job. Neben der "Frankfurter Gemeinde mit 107 Corona-Fällen nach Gottesdienst" möchte man nun nicht der "Frankfurter Betrieb mit 57 Corona-Fällen nach Sommerfest" sein, auch nicht, wenn das draußen und mit Abstand stattgefunden hat und auch nicht das "Frankfurter Büro mit 5 Corona-Fällen im Praktikantenbüro", auch nicht, wenn jeder an einem anderen Wochentag kam, die sich nie begegnet sind aber eben nur alle auf dem Türschild standen. Das Bild von so einem Türschild lässt sich nicht wegerklären.

    Was gibt es sonst Neues? Ich sagte neulich Woche zu drei unterschiedlichen Personen "Ich muss jetzt auch langsam mal wieder nett werden" und keine dieser Personen widersprach. Seit einer Woche fahre ich nun sehr viel Fahrrad und bin daher insgesamt etwas weniger mit überschüssiger Energie geplagt. Vielleicht hilft das.

    Mittwoch, 27. Mai 2020

    Heute wieder das Anwesen nicht verlassen, weil es sich nicht ergab, dafür ununterbrochen telefoniert. Als ob sich alle gedacht hätten "so, jetzt aber, JETZT rufe ich Frau N mal wieder an und erzähle ihr alles, was ich seit dem 19.3. erlebt habe oder zuallermindestens stelle ich ihr irgendeine völlig verrückte Frage".

    Dienstag, 26. Mai 2020

    Heute wieder drei Menschen "live" gesehen, die ich seit über zwei Monaten nicht gesehen habe, davor aber so gut wie jeden Tag. Mit wie vielen Menschen habe ich wohl "vor Corona" täglich live gesprochen? Zwanzig? Dreißig? Irgendwas so um den Dreh. Und jetzt an den meisten Tagen drei bis fünf.

    Das ist alles außerordentlich verwirrend.

    Montag, 25. Mai 2020

    Heute gab es ein besonderes Erlebnis: Herr N und ich trafen uns mit einer befreundeten Familie in deren Garten. Für uns alle war das die erste Verabredung mit mehr als einer Person seit Anfang März.

    Obwohl der Garten sehr groß ist, war es mit dem Abstand halten manchmal schwierig. Unter den Erwachsenen weniger, hier fehlten eher die Rituale: sind wir jetzt richtig angekommen und setzen uns an den Tisch und woher wissen wir das, wenn wir uns nicht mit Körperkontakt begrüßt haben sondern alle irgendwie in der Gegend stehen? Kann ich jemandem den Kaffee anreichen oder eher doch nicht? Haben wir uns jetzt richtig verabschiedet und gehen oder fehlt da noch was? Das war merkwürdig aber natürlich nicht wirklich problematisch.

    Mit den Kindern war es schwieriger. Die Teenager waren nicht anwesend, aber eine 10jährige und eine 4jährige - die 10jährige spricht immer sehr viel mit mir, zeigt mir Fotos, Bücher, Pflanzen etc und sitzt meist ganz nah neben mir, während die 4jährige ein richtiges Kuschelkind ist und immer bei Herrn N sein will. Die 10jährige befand "das ist alles komisch und doof und deshalb fahre ich jetzt nach Hause" (und tat das). Die Dreijährige vergaß "dieaktuellesituation" häufig und sprang in den Arm oder auf den Schoß, manchmal war sie auch sehr verunsichert und fragte Dinge wie "kannst du mir denn jetzt den Schuh zubinden, wenn der aufgeht, weil ich ja den Knoten noch nicht so gut kann? Oder was machen wir sonst, wenn wir durch den Wald laufen und mein Schuh aufgeht, dann muss ich vielleicht hinfallen aber dann kannst du mich nicht tragen". Nunja. Ich befand, dass ich im Notfall den Schuh zubinden könnte, da es ja sehr windig war und ich zusätzlich sogar auch noch eine Maske dabei hatte. Immerhin konnten wir also eins der Probleme auf der Welt lösen.

    Was mich aber noch viel nachhaltiger beeindruckt hat: wie sehr es mir widerstrebt, aus einer Toilettenkabine zu gehen, wenn nicht vorher ein Spülgeräusch ertönt ist. Es handelte sich um eine Komposttoilette. Und ich überprüfte mehrere Sekunden lang gedanklich, ob ich nicht doch irgendwas vergessen hätte. Es war aber nur das fehlende Geräusch.

    Sonntag, 24. Mai 2020

    Ein wichtiger Durchbruch in Bezug auf den Stapel des Grauens wurde heute erzielt: die letzte Aufgabe, die mir im Nacken saß, ist erledigt. Jetzt sind nur noch optionale Dinge drin, die Kür quasi, die einiges leichter, schöner, klarer, übersichtlicher machen, aber bei denen rein gar nichts passiert, wenn ich sie einfach nicht mache. Solche Dinge wie KFZ-Versicherungs-Preisvergleich, Freistellungsaufträge erteilen, andere Kreditkarte online hinterlegen, Bankkonto auflösen, bei der Hausratversicherung nachfragen, ob sie mir nicht jetzt mal aktiv bessere Konditionen anbieten wollen und Ähnliches. Sehr erfreulich.

    Die heutige Aktion, diese letzte Aufgabe zu bewältigen, hat mich allerdings 3 Stunden gekostet, obwohl es in Wirklichkeit nur um drei kleine Schreiben ging. Dem ersten mussten zwei Bescheinigungen beigefügt werden aber ich konnte sie nicht finden, ob wohl ich wusste, wo sie waren. Die eine nämlich im Ordner "Steuer 2018", die andere im Ordner "Steuer 2019". Ich wollte zuerst die aus "Steuer 2018" suchen, ca. 8 cm Papier und ich konnte sie nicht finden, 5 mal durchsuchte ich den Stapel. Dann schaute ich in ein paar anderen Ordnern und Mappen, da war sie aber auch nicht. Schließlich wechselte ich die Herangehensweise und suchte erst die Bescheinigung 2019. Nur 4 cm Papier. Trotzdem musste ich den Stapel 3 Mal durchgehen, bis ich sie hatte. Verrückt. Und besonders verrückt, dass es eher wohl eher mit einer Sperre im Gehirn zu tun hatte als mit zusammenklebendem Papier.

    Als ich 2019 hatte und mir gut, gut das Aussehen eingeprägt hatte, fand ich 2018 fast auf Anhieb. Genau da, wo ich sie erwartet und schon 5 mal gesucht hatte.

    Das Gehirn ist echt ein komisches Ding.

    November seit 6609 Tagen

    Letzter Regen: 26. April 2024, 21:16 Uhr