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    Freitag, 5. Juni 2020

    Das Anstrengende an einer Pandemie ist, also neben den ganzen "Sachen", die irgendwie zu machen sind, eher so ein Anstrengungsgrundrauschen:

    Dass ständig alles wieder ein bisschen neu gedacht werden muss, weil es neue Erkenntnisse gibt. Maßnahmen werden getroffen oder abgeschafft, daran muss man denken und dazu muss auch immer eine eigene Position gefunden werden. Und die ist dann auch noch bei jedem anders. Ich bin mental noch nicht bei Restaurant drinnen, bei Chor, bei Karaoke. Ich bin aber vielleicht bei Restaurant draußen, Freunde treffen, S-Bahn-fahren und Büro. Vor einem Monat war ich noch bei Home Office vor zwei Wochen noch nicht bei S-Bahn-Fahren, vielleicht gehe ich in weiteren zwei Wochen in die Kirche? (kleiner Scherz). Oder ich besuche mein Eltern? Oder ich fahre doch nicht mehr Bahn, wenn sie voller wird?

    Ich weiß es nicht, es entwickelt sich alles, muss eben immer wieder neu gedacht und umgedacht werden und dann ausgehalten werden, dass andere eben anders denken und ihre Position anders setzen. Warum machen sie das anders, warum sehe ich das nicht wie sie, habe ich irgendwo falsch gedacht, haben sie irgendwo falsch gedacht? Sehr wahrscheinlich ist nichts davon der Fall sondern wir sind eben einfach unterschiedlich.

    Anstrengend ist das trotzdem, und zusätzlich nochmal, wenn ich auch Maßnahmen für andere festlege, die der eine dann zu locker findet und der andere zu streng und ich selbst, naja, ich weiß es doch auch nicht, es ist einfach das, was ich in dem allgemeinen Durcheinander in diesem Moment und soweit es mir irgendwie möglich ist, das zu beurteilen, für angemessen halte.

    Donnerstag, 4. Juni 2020
    Work

    Mein Weblog ist down, ich bin sehr traurig. Frau Novemberregen lässt mich hier gastbloggen, hat ansonsten aber nicht viel Empathie für meine Situation. Die Funktionalität ist ja gegeben, das Problem erstmal gelöst. Mir gefallen die Farben hier nicht, ich kann so nichts schreiben. Aber ich weiß, dass ich, sobald der Adrenalinpeak abgeflacht ist, dankbar sein werde, dass ich hier sein darf.

    Jedenfalls: die Arbeit. Seit dieser Woche bin ich wieder im Büro, und habe das, was ich Ende März getan habe, in umgekehrter Reihenfolge wiederholt: Papiere in eine große Tüte, Kabel gelöst, den Laptop in die Tasche, die Dockingstation abgebaut, Keyboard und Maus dazu, ganz am Schluß die beiden Monitore ins Auto geladen. Und dann im Büro alles wieder aufgebaut, ich weiß jetzt schon ganz gut, wie es funktioniert.

    Zwischendurch habe ich mich verwandelt: die Haare füllig geföhnt, bisschen Makeup und Schmuck, Business-Outfit und höhere Schuhe, und schon war ich eine andere, zielstrebig und dynamisch. Zwischen den Bankentürmen ist es fast wie immer, mit Männern in Anzügen auf Elektrorollern, Frauen in Kleidern, die ihr Mittagessen in einem Beutel dabei haben, Menschen vom Lieferservice und Paketboten von Amazon. Insgesamt ist es leerer, und hin und wieder trägt jemand eine Maske, aber das war es dann auch.

    Im Büro dann eine Sceleton Crew und der Gedanke, dass wir hier drinnen und die da draußen diejenigen sind, die wirklich arbeiten, die essentiell sind, die die Räder am Laufen halten, aber das ist natürlich vermessen. Niemand braucht Leute, die im Büro arbeiten. Aber noch weniger braucht man Manager, die vom Home Office aus in Videokonferenzen rumquaken, denke ich dann, bevor mir der Gedanke wieder entwischt. Back to work.

    Gemischte Gefühle. Immer mal wieder so eine Unsicherheit bei mir, weil ich im Grunde genommen gar nicht so richtig weiß, was meine Arbeit ist. Mein Arbeitstag ist eine Aneinanderreihung von Aufgaben, die meisten fallen mir so zu, sie entstehen irgendwie, ich sehe, dass sie gemacht werden müssen, oder es sind kleinste Teilaufgaben eines der großen Projekte, die ich gerade mache. So gut wie nie gibt es jemand, der mir sagt, was zu tun ist, das ist großartig, und es ist schrecklich. Ich habe mich daran gewöhnt.

    Ein wenig überrascht bin ich nach wie vor davon, wieviele Menschen das Gespräch mit mir suchen, jetzt, wo ich wieder physisch vor Ort bin, noch mehr als zuvor. Im Home Office bin ich viel produktiver als im Büro, aber bei der Arbeit geht es ja nicht nur darum, Aufgaben abzuarbeiten und produktiv zu sein.

    Rounders von Rome hat mal gesagt: du weißt es doch selbst, wenn du etwas schreibst, und es ist gut. So ist das auch mit der Arbeit: ich spüre manchmal, dass ich gerade gut bin in dem, was ich tue, oder gerade etwas gut gemacht habe. Für mich ist das fast das wichtigste: dieses Gefühl zu haben, es ist mir viel wichtiger als ein Lob vom Chef oder einen Beförderung oder Status oder der Glanz in den Augen der anderen. Ich kann es nur nicht replizieren, es kommt und geht, und dazwischen schwimme ich.

    Who am I and what is my work? Mein Coach hat immer gesagt, das ist die große Frage. Ich kenne die Antwort nicht, aber ich beginne langsam, die Frage zu verstehen.


    Frau Fragmente sitzt weiß ich nicht wo und bloggt, Moment, ich muss erstmal gucken, heute ist alles etwas verwirrend. Ich sehe nur den Vorhang. Der ist aber im Arbeitszimmer, das weiß ich noch.

    Ah, jetzt sehe ich auch Frau Fragmente. Erschwerend, naja, in Wirklichkeit nicht, weil wir ja so unglaublich findig sind, kommt heute hinzu, dass Frau Fragmente auf ihr Blog nicht zugreifen kann. Deshalb schreibt sie in meinem, das ist ja kein Problem. Sie sorgt sich allerdings, warum das so ist mit ihrem Blog und wie man das beheben kann. Aber auch das finde ich ein sehr zu vernachlässigendes Problem: wir werden das gleich auf Twitter fragen und dann wird es jemand für sie regeln. So löse ich alle meine Probleme.

    Ich habe auch Gurke, also Schlangengurke. Halte das für erwähnenswert.

    Als ich Frau Fragmente heute sah, dachte ich, sie käme frisch aus der Dusche. Tatsächlich war sie 10 Minuten zuvor erst aus dem Büro gekommen. Ich möchte mich hier ein bisschen in dem wohligen "hab ich doch gesagt"-Gefühl räkeln, denn schließlich schrieb ich letzte Woche davon, wie Frau Fragmente als frischer Head of ihr Reich möglicherweise bald begehen möchte. Ich scherze so gut wie nie, ich formuliere die Dinge nur unterhaltsam, das ist eins der Missverständnisse meines Lebens.

    Frau Fragmente denkt gerade besorgt an ihr Blog, das sehe ich ihr an. Ich habe einen Blick dafür, wenn Personen in einem Gedanken versinken und gar nicht mehr richtig da sind, wo ich bin. Das ist mir heute schon mehrfach passiert. Jetzt ist sie gleich ganz weggegangen, das passiert mir offen gesagt nun doch eher selten, so mittendrin und ohne Ankündigung. Gehen wir mal davon aus, dass es an der instabilen Internetverbindung liegt. Ah, tut es, wie hingezaubert ist sie wieder in ihrem Stuhl und ein wenig bissig: ihr gefallen die Farben in meinem Weblog nicht. Hört, hört.

    Ich kann Frau Fragmente heute nicht ganz sehen, die Kamera steht ungünstig, aber ich traue mich nicht, etwas zu sagen, sie sieht gerade aus wie jemand, der Verbesserungsvorschlägen eher unzugänglich gegenübersteht. Ich sehe dafür heute den Ventilator im Hintergrund. Ich habe den gleichen, weil Frau Fragmente ihn mir zum Kauf empfohlen hat. Vor mehreren Jahren war das; seit etwa einem Jahr empfiehlt sie mir nämlich immer wieder, eine Klimaanlage zu kaufen. Die virtuelle Bürokollegin übrigens auch. Sehr verdächtig. Ich lehne Klimaanlagen zu Hause aus ethischen Gründen ab (es lohnt sich, diese Aussage mit dem letzten Satz aus Absatz 3 im Hinterkopf zu lesen).

    Kurz hatte ich jetzt gerade einen Themenhänger. Also davon abgesehen, dass ich nie wirklich ein Thema habe. Aber Frau Fragmente tippt schon wieder so eifrig, dass ich mich abgehängt fühlt und erfragte, ob sie etwa auch heute wieder ein Thema habe. Frau Fragmente sagte: "Ich habe immer ein Thema." Ich sagte: "OK."

    Ich verrate es jetzt, sie wird - wenn sie noch dazu kommt - darüber schreiben, wie man sich die Welt verfügbar macht, ein Konzept von Hartmut Rosa, von dem mir Frau Fragmente häufiger Vorträge oder Lesungen oder so ans Herz gelegt hat, die ich aber alle nicht angehört habe, weil ich ja niemandem zuhören kann. Außer Rezo in seinem CDU-Zerstörungs-Video, in seinem Pressevideo jetzt leider auch schon nur noch halb. Das brachte mich aber auf ein anderes Thema (also das "verfügbar machen", nicht das Zuhördilemma).

    Ich suchte neulich nämlich nach einem Spiel. Also: einem Spiel für mich. Online natürlich, wie und wann soll man es sonst spielen, so ein Spiel, das irgendwo gegenständlich ist und damit zu maximal 50% am selben Ort wie ich. Ich kam darauf, weil ich WoW ausprobierte, das gefiel mir gut, ist aber nur am PC spielbar und damit eben auch nicht immer verfügbar, ich bräuchte ein plattformübergreifendes Spiel, am besten zusätzlich auch am Handy spielbar. Ich spielte alle möglichen Spiele an, die mir mal gefallen hatten, die empfohlen wurden, von denen ich mal gehört hatte, es war eine wahre Downloadschlacht, bis mir der Kopf schwirrte und ich mich fragte, was ich eigentlich suche in dem Spiel, das ich suche.

    Was ich suchte war eine neue Rolle. Irgendwas frisches, nicht so festgefahren. Nochmal etwas von vorne machen, ohne jemanden zu kennen, sich neu erfinden können, nicht schon so vieles als gegeben annehmen können - im Spiel natürlich nur, nicht im Leben an sich, vielen Dank, es ist schon recht komfortabel so.

    Gefunden habe ich nichts. Statt dessen las ich dann ein Buch, weil für mich das Gefühl einer neuen Rolle, eines anderen Lebens, beim Lesen auch entsteht. Nur ist beim Lesen der Pfad durch das Buch vorgegeben, im Spiel variabel.

    So. Eine Sache noch: ich werde später diese Woche die Bio-Tonne benutzen. Habe ich bisher noch nie, denn die Bio-Tonne ist nichts für Menschen, die im zweiten Stock wohnen. Wenn ich aber zu diesem noch undefinierten Zeitpunkt in der nahen Zukunft die Tonne verwenden werde, werfe ich dafür gleich einen ganzen Baum hinein. So ist das, all in or nothin', drunter mache ich es nicht. Ich muss von dem Bäumchen aber erst noch tränenreich Abschied nehmen.


    (Frau Fragmente schreibt noch etwa 10 Minuten, ich werde derweil mal versuchen, ihr Weblog zu reparieren.)

    Dienstag, 2. Juni 2020

    Sehr merkwürdiger Tag heute. Eine "Laune wie Erdogan" gehabt, damit aber sehr viel erledigt bekommen, Weichen für die nächsten Wochen/Monate gestellt, Informationssamen gesäht. Und auch sehr viel nachgedacht. Präventives hochkonzentriertes Nachdenken sozusagen.

    Am Abend trug ich aufgrund einer Idee das Gästesofa auf den Balkon, was sich als eine ganz hervorragende Idee für die nächsten Stunden erwies, gleich aber dann wohl in eine schlechte Idee umschlagen wird (nämlich genau dann, wenn ich es wieder hineintragen muss). Da sieht man es auch: so zeitlich instabil kann die Qualität von Entscheidungen sein.

    Dienstag, 2. Juni 2020

    Heute keine Lust.

    Montag, 1. Juni 2020

    Ich kann es immer noch nicht so richtig fassen, dass ich keine Erledigungen mehr habe, die mir im Nacken sitzen. Großen Dank das Stapel-des-Grauens-Team. Auch heute habe ich wieder nachts drei Briefe zum Briefkasten gebracht und es kam mir völlig normal und gar nicht mehr aufregend vor.

    Neben dem "was-halt-so-reinkommt" ist jetzt Zeit, es sich schön zu machen. Einen Ordner aussortieren, der irgendwie alt ist aber man weiß halt nie, eine Schublade, die überquillt, mal Sachen nachfragen, die schon immer unklar waren und ein paar Dinge verbessern.

    Daneben habe ich heute den Kühlschrank komplett grundgereinigt und neu sortiert, dabei auch die Anordnung insgesamt verändert - die Milch, Ketchupflaschen, Bier etc. stehen jetzt aufrecht statt zu liegen und das Regal für Eier und das für Butter haben den Platz getauscht. Das erscheint mir praktischer so. Hatte ich vorher nie hinterfragt. Das Eisfach ist auch bald durchsortiert bzw. leergegessen, das ist gut, denn im Sommer muss darin Platz sein für den Kühlbehälter der Eismaschine. Die Eismaschine stand bislang oben auf einem der Oberschränke, dort habe ich sie heute runtergeholt, hmhm, ich glaube, als nächstes ist "Oberschränke obendrauf grundreinigen" an der Reihe. Aber nicht morgen. Morgen ist frei. Morgen lese ich Bücher.

    Sonntag, 31. Mai 2020

    Ich werde morgen den Kühlschrank auswaschen und alle Einlegeböden und Schubladen eine Runde in der Spülmaschine drehen lassen und darauf freue ich mich sehr.

    Das kommt so: in meinem Kühlschrank ist momentan besonders viel besonders gutes Essen. Dieses Essen soll, finde ich, in einer Art Wohfühlambiente lagern und nicht in einer Schublade mit etwas Dreck von den lehmigen Radieschen und auf Einlegeböden mit etwas Kruste von einem ausgelaufenen Joghurt und so weiter. Alles soll glatt, sauber, geordnet und hell sein (so lange die Tür auf ist, danach ist es, so sagt man, dunkel).

    Besonders viel gutes Essen ist darin, weil ich ein Paket bekam das ein bisschen gutes Essen enthielt. Nicht im Sinne von "ein bisschen gut" sondern im Sinne von "ein bisschen Essen". Also sehr gutes Essen, aber eben keine ganze Kühlschrankladung voll, ich habe aber dann den Wocheneinkauf um dieses wenige sehr gute Essen herumgeplant und es scheint da so eine Art Magnetismus stattzufinden: sehr gutes Essen muss man mit weiterem sehr guten Essen ergänzen.

    Wie kam es wiederzum zu der kleinen Lieferung mit sehr gutem Essen? Das ist eine etwas längere Geschichte. Vor ein paar Jahren hatte ich eine Essens-Abo-Kiste, die einmal im Monat (oder so ähnlich) kam und jeweils Spezialitäten aus einem Land (wechselnd) enthielt. Das fand ich sehr toll. Über die Zeit sammelten sich die Produkte aber bei mir an, das Kind aß damals sowieso noch nichts außer Pfannkuchen und Nudeln mit Ketchup und mir war das dann alles zu kompliziert, also stornierte ich die Abo-Kiste.

    Neulich dachte ich noch einmal wehmütig daran und recherchierte - der Anbieter hat aber mittlerweile pleite gemacht. Zwar gibt es diverse Food-Abos, aber keins davon überzeugte mich. So klagte ich der Kollegin im virtuelle Büro mein Leid und sie bot an, mir etwas zu bestellen. Das konnte ich natürlich nicht annehmen. Zwei Tage später jammerte ich erneut, sie bot es wieder an, ich glaube, wir spielten das insgesamt dreimal durch bis ich freudig annahm.

    Und Freitag kam dann mittags das Paket, nachmittags machte ich den passenden Wocheneinkauf und morgen wird der Kühlschrank geputzt.

    Samstag, 30. Mai 2020

    Fuß heute Morgen wie neu, dafür verschlafen und völlig zerschlagen aufgewacht, jedes Körperteil schwer wie Blei, kein richtiges Zeitgefühl, immer Bewegungen aus dem Augenwinkel gesehen, die nicht da waren: ich identifizierte es als aufziehende Migräne und eine Stunde nach Medikament war der Spuk vorbei. Der Rest des Tages war dann nur noch "komisch", er fühlte sich so an, als würde ich überhaupt nichts machen, nur so da sitzen, aber die berufliche To-Do-Liste ist komplett abgehakt, Wäsche ist gewaschen, zwei Kuchen gebacken, zweimal eingekauft, das Kind zum Training transportiert, die Katzenklos sauber und so weiter, also kann das mit dem "nur so da sitzen" gar nicht sein.

    Morgen ausschlafen ohne verschlafen, ich freue mich!

    Freitag, 29. Mai 2020

    Heute Abend tut mein Fuß weg, sehr empörend, an einer Stelle, an der gar nichts weh zu tun hat, da ist überhaupt nichts außer halt irgendwie Knochen mit Haut drüber (Außenkante). Und er tut auch nicht beim Laufen weh, sondern beim herumsitzen. Ich könnte natürlich einfach mehr laufen, aber ich bin mittlerweile müde und habe keine Lust mehr, zu laufen, ich bin ja von 7 Uhr bis jetzt gerade ununterbrochen herumgerannt.

    Wovon so ein Fuß wohl schmerzt? Ich habe dazu keine richtige Beziehung, mich schmerzen außer dem Kopf in der Regel keinerlei Körperteile. Auch, als ich den Kreuzbandriss hatte tat mir das nicht sonderlich weh, war halt unangenehm aber ich war ganz fest davon überzeugt, dass wenn ich aus der Narkose aufwache der Chirurg sich bei mir entschuldigen wird, weil er sich auf dem MRT-Bild etwas eingebildet hat, wo in Wirklichkeit nur eine kleine Prellung war (stattdessen entdeckte er, dass Innenband und Meniskus auch noch durch waren und begrüßte mich beim Aufwachen mit "Was um Himmels Willen haben Sie gemacht??")

    Wo war ich, beim Fuß. Inakzeptabel. Ich habe mit dem Fuß auch nichts Spezielles gemacht, also nichts, wofür er nicht absolut vorgesehen wäre. Ich gehe jetzt schlafen und erwarte, dass das morgen weg ist.

    Mittwoch, 27. Mai 2020

    Frau Fragmente sitzt am Schreibtisch ihres Schlafzimmers und bloggt, ich sitze an meinem Schreibtisch und blogge über Frau Fragmente. Der Vorhang vor dem Fenster hinter ihr ist zugezogen, ich dachte erst, das sei ein neues Videokonferenzarrangement aber das ist es gar nicht. Hätte aber sein können, Frau Fragmente findet das Home Office ja eine mehr als nur akzeptable Form des Arbeitens, es wäre ihr zuzutrauen, da aufzurüsten. Allerdings ist sie seit heute frisch "Head of" irgendwas (ich weiß was, "irgendwas" ist nicht despektierlich sondern nur vertraulichkeitswahrend), als Head of wird sie ihr Reich möglicherweise doch bald begehen und alle Huldigungen in persona entgegennehmen wollen. Wir werden sehen.

    Zum Einstieg ins Bloggen verlas Frau Fragmente Fanpost, an sie gesendet mit Gruß an mich. Das war sehr angenehm, Gruß zurück.

    Frau Fragmente sieht heute sehr fluffig aus. Die Haare sitzen perfekt, sie lacht sehr viel und wirkt sehr entspannt. Und auch recht motiviert, obwohl sie heute keine Blognotizen hat tippt sie regelrecht mit Verve und schaut sehr konzentriert. Ich selbst schweife schon wieder gedanklich etwas ab, nämlich in Richtung des Haselnuss-Eisbechers, den ich im Eisfach habe, aber den kann ich jetzt nicht holen, denn ich hatte Frau Fragmente meine ungeteilte Aufmerksamkeit angekündigt. Ich meinte damit aber eigentlich nur die Head-of-Geschichte, die ist ja jetzt schon eine halbe Stunde her, vielleicht reicht es auch nun mit der ungeteilten Aufmerksamkeit und ich hole mir den Eisbecher doch.

    Ich amüsiere mich beruflich in letzter Zeit häufig, weil einer der Sätze, mit denen wir Entscheidungen begründen lautet: "Diese Presse können wir uns nicht leisten." Interessanterweise habe ich das ja privat schon seit Jahrzehnten als Leitbild: Möchte ich das am nächsten Tag in der Zeitung lesen? Also: möchte ich am nächsten Tag in der Zeitung lesen "Mann von Feigenbaum erschlagen, den 42jährige Mutter von außen an das Balkongeländer band"? Oder "Unfall einer 37jährigen, die ein Fahrrad mit einem Fahrrad transportierte", "Genickbruch einer 45jährigen, die die Küche wie Pippi Langstrumpf putzen wollte"? Einige meiner möglicherweise gar nicht so schlechten Ideen, der letzten Jahre setze ich wegen Angst vor der Presse nicht um. Und so ist es jetzt auch im Job. Neben der "Frankfurter Gemeinde mit 107 Corona-Fällen nach Gottesdienst" möchte man nun nicht der "Frankfurter Betrieb mit 57 Corona-Fällen nach Sommerfest" sein, auch nicht, wenn das draußen und mit Abstand stattgefunden hat und auch nicht das "Frankfurter Büro mit 5 Corona-Fällen im Praktikantenbüro", auch nicht, wenn jeder an einem anderen Wochentag kam, die sich nie begegnet sind aber eben nur alle auf dem Türschild standen. Das Bild von so einem Türschild lässt sich nicht wegerklären.

    Was gibt es sonst Neues? Ich sagte neulich Woche zu drei unterschiedlichen Personen "Ich muss jetzt auch langsam mal wieder nett werden" und keine dieser Personen widersprach. Seit einer Woche fahre ich nun sehr viel Fahrrad und bin daher insgesamt etwas weniger mit überschüssiger Energie geplagt. Vielleicht hilft das.

    Mittwoch, 27. Mai 2020

    Heute wieder das Anwesen nicht verlassen, weil es sich nicht ergab, dafür ununterbrochen telefoniert. Als ob sich alle gedacht hätten "so, jetzt aber, JETZT rufe ich Frau N mal wieder an und erzähle ihr alles, was ich seit dem 19.3. erlebt habe oder zuallermindestens stelle ich ihr irgendeine völlig verrückte Frage".

    November seit 6614 Tagen

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