Gestern schrieb Frau Fragmente folgendes:
„Warum machen wir das eigentlich?“, frage ich Novemberregen, und sie macht unverbindliche Laute und beißt in ihre Schlangengurke. „Darauf weißt du auch keine Antwort, hm?“ sage ich, und wir nicken und fangen an zu tippen.
Ich habe darüber natürlich noch weiter nachgedacht. Manche Dinge müssen bei mir erst einsickern, sich einen Weg zu Antwortkörnchen suchen, die dann zusammentragen und daraus ergeben sich größere Krümel, bruchstücke, eine Idee, die ich weiter verfolgen kann und irgendwann auch eine Antwort.
Bei einer Antwort bin ich noch nicht, aber ein paar Krümelchen habe ich zusammengetragen wie ein fleißiges Nagetier:
Ich schreibe schon immer Sachen. Seit ich mich erinnere. In Notizbücher, teilweise Tagebücher, lange Jahre Taschenkalender. Ich schreibe Sachen auf, die ich noch nicht bereit bin, zu vergessen. Gedanken über Bücher, Erlebnisse, Formulierungen, Öffnungszeiten, Einkaufszettel, Rezepte, Songtexte, Ideen, Pläne, Listen.
Irgendwann kam es dann so, dass ich häufiger an einem Computer saß als an einem Tisch mit Stift und Papier. Da hatte ich dann eine Internetseite, auf der ich zusammentrug und ich schickte mir selbst Mails. Dann war ich irgendwann in einem amerikanischen Lesezirkel und dort war es üblich, die Gedanken über die Bücher in einem Blog festzuhalten. Auf diese Weise, ganz grob, entstand dieses Blog.
Manchmal blogge ich ja längere Zeit auch nicht. Das heißt aber nicht, dass ich nichts schreibe. In den Blogpausen schreibe ich woanders. Nicht schreiben kann ich nicht, weil ich ja weiterhin bei manchen Sachen noch nicht bereit bin sie zu vergessen. Wenn ich phasenweise nicht blogge schreibe ich mir Mails, meist bleiben sie im Entwürfe-Ordner (Hauptsache, sie sind irgendwo), oder ich schreibe in ein Googledoc oder habe dann tatsächlich auch mal ein Notizbuch oder unordentliche Post-its.
Aber im Grunde ist es so, dass ich unendlich viel schneller tippe als ich mit dem Stift schreibe. Ich schreibe um die 600 Anschläge in der Minute, die Verbindung vom Kopf in die Finger ist ganz unmittelbar, das ist nicht immer gut, aber es erklärt, warum Papiernotizen für mich nicht mehr in Frage kommen. Viel zu umständlich und nie von überall so unkompliziert verfügbar wie eine Online-Lösung.
Dass es dann aber meistens das Blog ist und eben nur phasenweise Mail-an-mich-selbst oder Googledoc liegt daran, dass ich eine "Kontaktperson" bin: ich funktioniere zwar auch alleine, aber was mich wirklich anregt, beflügelt, pusht ist der Kontakt zu anderen. Ich mag Austausch, den Input, die andere Sichtweise, die Erweiterung des Horizonts. Ich schreibe nicht wegen des Austauschs, denn wie gesagt, ich schreibe sowieso. Aber ich ziehe - meistens - das Blog den privateren Lösungen vor, um dem Austausch eine Tür aufzulassen. Ich lasse immer Türen auf, meine Bürotür ist auch immer auf, zu Hause sind alle Türen immer auf, würde ich in einem Einfamilienhaus wohnen, stünde vermutlich die Eingangstür auf.
Und das sind die Puzzlestückchen, die ich als Antwort auf Frau Fragmentes Frage zusammengesammelt habe:
Ich schreibe weil ich noch nicht bereit bin, Sachen gedanklich ganz loszulassen. Und ich schreibe das in das Blog, um eine Tür zur Welt aufzulassen.