Wie Sie ja wissen, bin ich zwar nicht religiös aber bibelfest und schon immer hat mich der Karfreitagabend fasziniert, als der Bruch, nach dem alles anders war, als Zeitpunkt direkt nach dem point-of-no-return. Ich hätte immer schon gern mehr darüber erfahren, was in dieser Storyline die Jünger abends taten. Ich hatte das hier unter Karfreitag schon kurz angerissen.
Darüber würde ich gern mal einen Film sehen oder ein Buch lesen. Titel: Karfreitagabend.
Heute gegen Mittag überfiel mich plötzlich eine unendliche Müdigkeit, so eine, wie ich sie selten vorher erlebt habe und ich bin seitdem auch schon dreimal im Sitzen eingeschlafen. Verursacht wurde das, glaube ich, durch eine technische Störung, die wiederum zur Folge hatte, dass ich einfach eine Stunde komplett beschäftigungslos herumsaß. Ich glaube, das ist wie beim Fahrradfahren - wird man zu langsam fällt man um. Und so ist es mir heute passiert, ich habe eine Stunde lang zu langsam gelebt und jetzt haben wir den Salat.
So. Frau Fragmente sitzt in ihrem Arbeitszimmer und bloggt, ich sitze an dem Schreibtisch, auf dem unter anderem auch der ganze Arbeitsmüll steht, und blogge über Frau Fragmente. Heute schaue ich aus der anderen Richtung auf ihren Arbeitsplatz. Kann man nach einem Jahr Pandemie ja mal machen. Ich sehe nun einen Wäscheständer, von dem ich nicht sicher bin, ob es derselbe ist wie sonst und ich nur die Drehung der Kamera nicht so richtig gut verstanden habe - ich bin im räumlichen DenkeIn miserabel. Oder ob es zwei davon gibt, aber warum sollte eine Person zwei Wäscheständer haben. Auch im Bild ist ein sehr hübsches Sideboard. Und ein Whiteboard. Ich muss diese Wörter nur einmal im Kopf sagen, keine Migränegefahr also, sehr gut. Ich habe mich gerade rückversichert: Frau Fragmente hat im Schlafzimmer und im Arbeitszimmer ein Whiteboard hängen. Instinktiv würde ich an dem, das sich da halb hinter der Tür des Arbeitszimmers verbirgt, einen Fluchtplan vermuten, so wie in einem Hotel, aber ich gehe sehr davon aus, dass mir da meine Phantasie einen Streich spielt.
Ich bin natürlich hervorragend schlecht gelaunt, das wird auch nicht mehr anders, bis ich es irgendwann vergessen haben werde. Schlechte Laune machen mir heute neben den bereits bekanten Themen die folgenden Dinge: ich bin bei der vorletzten Mango angekommen, möchte aber eigentlich noch immer nichts anderes als Mango mit Skyr und Baiserbröseln essen außer, hier kommt ein Problem auf uns zu, möglicherweise Orangenfilets mit Skyr und Baiserbröseln. Auf diesen Gedanken kam ich heute im Gespräch mit Frau C im virtuellen Büro, die nämlich keine Mango verträgt. Es könnte sein, dass die Speise durch den Austausch Mango/Orange nochmal sehr deutlich gewinnt, allerdings verliert die Zubereitungsart durch erhöhten Schwierigkeitsgrad dann auch extrem an Attraktivität, ich bin noch nicht sicher, wie ich das insgesamt abwägen und bewerten soll, so lange mir das nicht einfach mal jemand zubereitet. Vielleicht das Kind. Auf diesen Gedanken brachte mich vorhin Frau Fragmente, das heutige Treffen hat sich also schon einmal auch ganz abseits des "natürlich lohnt es sich ja immer, sich mit Frau Fragmente zu treffen" belegbar gelohnt.
Morgen wird ein großer Tag im virtuellen Büro sein, denn: wir verlassen die TARDIS. Ich werde morgen nicht zu Hause arbeiten. Allerdings auch nicht in einem echten Büro. In einem anderen Haushalt! Ohne anwesende Menschen, dafür mit anwesendem Dackelbaby. Aus diesen beiden Informationen ergibt sich auch schon der Grund. Darauf freue ich mich sehr und ganz abseits des Dackelbabys habe ich kurz überlegt, ob es vielleicht schön wäre, generell in einem anderen Haushalt Büro zu spielen statt im eigenen. So als Tausch. Viele nervige Dinge würden da ja sofort wegfallen: man müsste keine Pakete annehmen, sich generell nicht um die Türklingel kümmern, käme auch nicht auf die Idee, zwischendurch Wäsche zu waschen und auch, wenn die Kaffeemaschine entkalkt werden will, würde man abends einfach einen Zettel hinterlassen "Kaffemaschine muss entkalkt werden DRINGEND kann so NICHT ARBEITEN!!", am nächsten Morgen wäre alles erledigt, denn Besuch muss man es ja schön machen. Erstmal nur angedacht. Das mit der Kaffeemaschine treibt mich aber sehr um, ich habe heute nämlich von 13 Uhr bis Feierabend die Kaffeemaschine entkalkt, weil ich durch Arbeit immer gerade dann nicht verfügbar war, wenn sie für den nächsten Schritt piepste und so das Programm immer wieder starten musste. 5 Stunden lang. Das ist echt unzumutbar, bitte machen Sie hier beim Lesen ein paar Minuten Pause und fügen Sie meinen Rant zum Grauen der Arbeit von zu Hause selbst ein, ich kann das ja nicht alles hundert Mal schreiben, das ist mir dann auch zu langweilig.
Weiter hatte ich heute mit Frau C zusammen die erste Italienisch-Stunde. Die erste galt nicht, das war eine Probestunde, heute war daher Lezione 1. Wir haben eine Privatlehrerin engagiert, weil wir beide keine Geduld mehr für andere Lernende haben, stellen Sie sich mich in einem Kurs vor mit 23 Teilnehmerinnen und jede einzelne sagt "Ciao! Mi chiamo xyz, ho xx anni e sono tedesca." Können Sie sich das vorstellen? Wenn ja haben Sie hier seit sehr langem etwas falsch verstanden oder sind, das ist der bessere Fall, ganz neu, benvenuto!
Ich habe an mir mit der reichhaltigen Erfahrung dieser einen Unterrichtsstunde (plus einer Probestunde) die folgenden Erkenntnisse gewonnen: a) im Gegensatz zu "früher" habe ich beim Spracherwerb keinerlei Scheu mehr; b) ich lerne ganz anders als früher, Dinge fallen in ein Raster des Bekannten oder daran vorbei und werden dann in einer Schatztruhe der Merkwürdigkeiten abgelegt, beim aktiven Sprachgebrauch krame ich darin herum und baue zusammen, anstelle des früheren eher instinktiven Sprechens nach Gedächtnis und Gehör; c) ich bin Lernen nach einem vorgegebenen Tempo, also nicht für mich selbst sondern mit einer erklärenden Person, komplett nicht mehr gewohnt. Diese Erkenntnisse führen momentan zu keinem Punkt, ich wollte sie nur erwähnen.
So. Heute also sehr aufregender Tag wegen Italienisch-Stunde, morgen sehr aufregender Tag wegen Dackel, Karfreitag sehr aufregender Tag wegen Kreuzigung und dann sehen wir mal weiter!
Alles, was ich heute schreiben würde, würde Sie verunsichern.
Leider keine Zeit zum Schreiben, mir fehlt eine Stunde.
Ok, jetzt habe ich es geschafft, dass mir nicht mehr langweilig ist aber jetzt habe ich auch gleich wieder keine Zeit für gar nichts.
Meine Mutter - Kriegskind, nach Volksschulabschluss in eine Lehre gegangen - ließ sich von uns Kindern jegliches Schul- und Uni-Referat vortragen, ließ sich jede Hausarbeit, Magisterarbeit, Diplomarbeit, Dissertation zusammenfassen und erklären.
Was sie häufig sagte: "Das habe ich noch nicht verstanden. Das musst du besser ausdrücken können, so dass ich es auch verstehe. Wenn du es Leuten wie mir nicht erklären kannst, dann hast du es selbst nicht richtig verstanden, dann hast du nicht klar im Kopf, was die wichtigsten Punkte und Zusammenhänge sind. Denk nochmal nach und komm dann wieder."
Was sie nie sagte: "Das verstehe ich halt nicht, das ist mir zu hoch/dazu bin ich zu blöd/da komme ich nicht mit."
Ich glaube, das hat mich mehr geprägt als alles andere. Wenn ich etwas Schwieriges, Komplexes zu Erklären habe, führe ich nach wie vor im Kopf ein Gespräch mit meiner Mutter.
Und wenn jemanden sagen höre "das verstehe ich halt nicht, das ist mir zu hoch/dazu bin ich zu blöd/da komme ich nicht mit" zucke ich zusammen.
Hab heute in Zoom herausgefunden, dass man sich jetzt da auch Augenbrauen, Lippenfarbe, ggf. Bart machen kann. Ich weiß, dass das einen Nerv trifft, habe schon häufig Gesprächen beigewohnt, in denen Partei A sich über fehlendes Bild beklagte und Partei B "nicht geschminkt" in den Raum warf. Das kann man jetzt also sehr leicht ändern, bei mir hat es auch gut funktioniert, es sah sehr echt aus.
Denke, ich probiere es nächste Woche mal mit Bart.
Frau Fragmente verweigert das Bloggen. Sie sei angestrengt und müde. Seit wann war das je ein Grund, nicht zu bloggen?
Ich selbst habe mir die rechte Schulter verspannt. Liegt sehr wahrscheinlich an der Arbeit von zu Hause, wird vielleicht zu einer Berufskrankheit je nach Fortdauer dieser unzumutbaren Situation. Notiz an mich: Rente googeln.
Ansonsten war ich heute "in der Stadt". Also, ich wohne ja in der Stadt. Ich meine damit, ich verließ die Wohnung, um länger durch die Straßen zu gehen als zum Briefkasten. Die Stadt hatte sich verwandelt. Waren sie schonmal im Pauschalurlaub in Alanya? Wenn man dort die Einkaufsstraße entlang geht, stehen überall Leute vor ihren Geschäften und fragen, ob man etwas von Lacoste oder Gucci kaufen möchte. So war es heute bei mir in der Stadt auch, nur, das sie alle fragten, ob man einen kostenlosen Corona-Schnelltest ablegen (sagt man so?) wolle. Ich wollte natürlich. Ergebnis negativ. Erlebnis übrigens auch negativ, aber ich halte mich ja ungern an so etwas auf.
In der Praxis der Hausärztin war ich noch, nur, um etwas abzuholen und genau gesagt war ich erst längere Zeit davor. Und klingelte an der Tür. Es öffnete aber niemand. Als dann irgendwann endlich eine Frau öffnete, fragte sie, warum ich ununterbrochen geklingelt hätte. Ja weil ich rein wollte natürlich. So sagte ich auch. Die Frau war weiterhin unzufrieden: Öffnungszeit sei erst um 15 Uhr. Das stand da aber nirgendwo. Die Frau sagte, ich hätte aber doch gemerkt, dass niemand öffnet. Hatte ich natürlich auch, deshalb habe ich ja immer wieder geklingelt. Was soll man sonst machen, wenn man in einem leeren Gang vor einer geschlossenen Tür steht durch die man hindurch möchte? Es gab dort keine Sitzecke mit spannender Lektüre, keine Spielautomaten, keine Massagesessel oder sowas, die einzige Unterhaltung war die Türklingel, also habe ich sie genutzt. Wenn man das als Person im Raum des Begehrens drin nicht möchte, muss man entweder ein Schild aufhängen oder die Klingel abschalten oder halt öffnen. Eine Vielfalt an Möglichkeiten. Ich hatte nur die, auf die Klingel zu drücken.
Dann war ich im Kaffeeladen (war erstaunt, dass der geöffnet hatte). Ich schenke meiner Schwester jedes Jahr zum Geburtstag einen bestimmten Espresso. Da sie aber halt nur einmal im Jahr Geburtstag hat, vergesse ich immer, welcher es war und sie fragen will ich nicht, dann ist es keine Überraschung. Nicht lachen. Jedes Mal bin ich dann also im Kaffeeladen und weiß nicht, welchen ich nehmen soll. Ich weiß immer nur dass es ein "kräftiger, runder" ist und ich glaube jedes Jahr meine ich, er hieße "Samba". Das sagte ich auch heute wieder, dass ich jedes Jahr denselben kaufe und er kräftig und rund ist und ich glaube, er heißt Samba, und es muss einer sein, den sie schon seit x Jahren haben, weil ich ihn ja immer kaufe, und wieso erinnern Sie sich eigentlich nicht an mich?
Die Verkäuferin empfahl mir Arabica. Kompletter Unsinn natürlich, die Packung mit "Arabica" drauf kenne ich nicht (die Bohne natürlich schon), die kann es da höchstens seit 2-3 Jahren geben, garantiert habe ich die noch nie gekauft. Auf diese Antwort hin empfahl die Verkäuferin irgendwas, das Kaffee war, nicht Espresso. Noch mehr Quatsch. Ich nahm "Samba".
Vielleicht habe ich das mit den anderen Menschen auch verlernt.
Dann gab ich noch ein Paket bei Hermes zurück. Vor mir wollte eine Frau ein Paket abholen, das Paket war aber nicht auffindbar. Sie suchten und suchten im Nebenraum. Dann sagte die Frau, das sei echt blöd, da sei ihr neues Handy drin. "Achso, das Paket mit dem Handy, das haben wir woanders hingetan!" sagte dann einer der Mitarbeiter. Ganz ehrlich, ich habe bisher glaube ich bei jedem meiner Besuche in einer Hermes-Station diesen Satz gehört: "Ach DAS Paket, genau das haben wir woanders hingetan!" Meist an andere addressiert, manchmal auch an mich. Ist das ein Hermes-Running-Gag? Dass man ein beliebiges Paket immer mal "woanders" hintut, damit man ab und an mal so richtig suchen kann um sich dann freudig zu erinnern?
Sonst habe ich nichts erlebt. Ach doch, ich war noch in der Apotheke. Dort war ich die einzige Kundin aber musste eine Nummer ziehen, ohne ging es nicht. Dann wollte mir die Verkäuferin allerlei schenken und ich lehnte alles ab: Deko-Osterhäschen, kratzige Taschentücher, Kosmetik-Pröbchen, Pulver für heiße Zitrone, eine Apotheken-Zeitschrift. "Ich möchte wirklich nur das, das ich hier kaufe", sagte ich einigermaßen verzweilfelt. "Dann machen Sie doch wenigstens noch einen Corona-Schnelltest, das ist einmal pro Woche kostenlos!", sagte die Verkäuferin begeistert.
Ich ergriff die Flucht.
Höchst aufregender Tag, bin komplett ermattet, nur kurz die Highlights:
ein Teppich (naja, Läufer) wurde geliefert
die Gemüsekiste kam
ich hatte eine Italienisch-Unterrichtsstunde
ich habe eine Vorlesung an einer Hochschule besucht
Ich überlege gerade, ob es morgen genauso aufregend wird. Welcher Tag ist morgen? Donnerstag? Dann habe ich auf jeden Fall Gesangsunterricht und treffe mich mit Fragmente. In der Mittagspause werde ich möglicherweise das Haus verlassen (Hausärztin, Apotheke, Supermarkt, Kaffeeladen).
Kurze Frage noch: welches ist die beste Teriyaki-Soße und wo kaufe ich sie? Bitte keine Rezept zum selbst machen, bin zu faul.