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    Mittwoch, 5. Juli 2017
    Wmdedgt 7/2017

    (Was das ist und die übrigen Beiträge dazu findet sich hier bei Frau Brüllen.)

    Ich wache um kurz vor 6 Uhr auf, füttere schnell die Katzen, damit sie nicht herummaunzen und lege mich dann wieder ins Bett um weiterzuschlafen. Das zweite Aufwachen findet um 9 Uhr statt. 9 Stunden Schlaf, das sollte für die erste Tageshälfte ausreichen, also stehe ich auf.

    Das Bein funktioniert heute tendenziell schlecht und ich vermute, das liegt an einer Kombination aus drei Dingen: erstens Absetzen der Schmerzmittel, zweitens Nachwirkungen der Physiotherapie gestern (wurden mir auch angekündigt), drittens der gestrige Abend im Lokal, wo ich statt der geplanten 1,5 Stunden die doppelte Zeit saß, weil es so nett war, aber halt nicht mit hochgelegtem Bein.

    Etwas missgelaunt setze ich mich also auf die Couch zu einer Bestandsaufnahme und Planung der weiteren Vorgehensweise - dabei stelle ich fest, dass ich auch noch Kopfschmerzen, Schnupfen und Nackenschmerzen habe und außerdem ist die Brille dreckig und das Bein hat Stoppeln. Auf der Plus-Seite sind zu vermerken: das Knie ist weiter abgeschwollen, ist zu 80% gelb (statt blau) und hat nun definiv wieder Knieform, der Bluterguss am Fingernagel ist schon halb rausgewachsen, die Stress-Juckstelle an der Nase ist komplett abgeheilt und ich habe weiterhin keinerlei Magenbeschwerden von den Eisentabletten.

    Mein einziger wesentlicher Termin heute ist der Besuch beim Arzt, denn ab heute darf ich das Bein etwas mehr beugen, entsprechend wird die Orthese umgestellt. Wie genau man die umstellt soll ich mir auch zeigen lassen, denn die nächste Umstellung fällt in meinen Urlaub, wird dann also von mir selbst vorgenommen. Beim Arzt ist aber nur eine einzige Arzthelferin, alle anderen sind erkrankt oder im Urlaub, sie bringt schonmal Werkzeug und kündigt an, einen der "Jungs" aus dem Sanitätshaus unter der Praxis hochzuschicken. Es dauert alles ein bisschen, als dann wer kommt, habe ich die Orthese also schon selbst umgestellt, es wird nur noch kontrolliert, ob ich es richtig gemacht habe und so ist das dann auch erledigt.

    Danach ist mit dem Bein alles noch schlechter, weil ich es nun wieder um 60 Grad beugen kann, theoretisch, aber nicht praktisch, jedenfalls traue ich mich nicht. Wie gesagt, Bein ist halt auch Kopfsache. Es ist jetzt alles flexibler, damit instabiler, wie auf Murmeln wanke ich zum Bus und bekomme dabei einen Krampf in der Fußsohle. Glücklicherweise weiß ich durch Bein-Version-1 aber schon, was da hilft: Musik. Musik bringt einen Rhythmus in den Gang und eine gewisse Lockerheit in die Muskulatur, also gehe ich noch schnell für Frühstücksbrötchen und Sesamringe zum Bäcker und als ich am Bus ankomme, bin ich schon fast entspannt.

    Gleich wartet dort aber eine Aufgabe auf mich. Und zwar in Form einer älteren Dame, die auf ihrem Rollator eine blaue Kiste mit vier kleinen Hunden drin transportiert. Die Kiste ist mit Paketband befestigt, an den Rollatorgriffen hängen noch große Tüten und der Rollatorkorb ist mit Grünpflanzen bestückt. Zusätzlich trägt die Frau noch einen Rucksack mit weiteren Grünpflanzen und eine große Palme im Arm. Und jetzt muss sie weg, etwas aus der Apotheke holen, ob ich mal eben auf die Hunde aufpassen könnte, aus der Kiste hüpfen die normalerweise nicht aber sie wollen immer in die Pflanzen beißen und dürfen das nicht.



    Natürlich kann ich das und auch außerordentlich gern. Nur als die Frau nach 20 Minuten noch immer nicht zurück ist (und ich sie durch die Glasfront in der Apotheke auch nicht entdecken kann) werde ich etwas unruhig bei der Überlegung, wie sich die beiden Katzen wohl mit den vier Hunden verstehen werden und ob die Katzensitterin, die demnächst für 10 Tage bei uns wohnt, wohl damit einverstanden wäre, anstelle von zweien gleich sechs Tiere zu betreuen und Gassi zu gehen. Während ich hin- und herüberlege, kommt die Frau dann aber doch zurück, sie war noch kurz beim Bäcker um mir für meine Mühen einen Kuchen zu kaufen. Also habe ich jetzt zum Frühstück auch noch einen kompletten Marmorkuchen.

    Zu Hause angekommen muss ich erstmal ausruhen. Mademoiselle macht uns Frühstück und serviert es an die Couch, die Katzen räkeln sich derweil auf dem Parkett.

    Den frühen Nachmittag über lese ich: Die ZEIT, ein Buch, als das beendet ist ein anderes Buch. Die kleine Katze liegt bei mir auf dem Sofa und schläft tief und fest. Ab und an maunzt sie im Schlaf, dann zuckt das Ohr des Katers, der auf dem Klavierhocker liegt und dösend die Sonnenstrahlen beobachtet.

    Ein Mittagsschläfchen brauche ich heute nicht. Zum späten Mittagessen gegen 16 Uhr gibt es ein Süppchen und den Marmorkuchen von der Hundefrau, sämtliche Körperteile haben sich mittlerweile beruhigt, ich mache die Übungen für das Bein, lese weiter und überlege, ob man eigentlich gegen Druckerschwärze allergisch sein kann, jedenfalls läuft mit beim Zeitunglesen immer die Nase. Und müde werde ich gegen 17 Uhr auch, jetzt ist aber wirklich keine gute Zeit mehr zum Schlafen, also setze ich mich statt dessen in Bewegung und vertreibe mir die Zeit mit Haushaltsdingen (Wäsche, Spülmaschine, Blumen gießen und dergleichen). Zwischendurch kommt Mademoiselle freudig vorbeigehüpft und bedankt sich ausführlich bei meinem Bein, dass sie nicht - wie ihre Freundinnen - zu ferienhaften Ausflügen in die Sonne genötigt wird sondern den ganzen Tag chillen, zocken und lesen darf. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, diverse Telefonate die noch zur Urlaubsplanung gehören, zu erledigen. Nach dreien habe ich aber keine Lust mehr und verschiebe die übrigen fünf auf die nächsten Tage.

    Weiter wird heute nichts Aufregendes passieren. Ich werde mit Mademoiselle (Herr N. ist außer Haus unterwegs) noch besprechen, ob wir am Abend belegte Brot essen wollen oder lieber etwas bestellen und ansonsten nochmal Übungen machen, weiterlesen (das ist schon toll, dafür mal Zeit zu haben) und eine Postkarte schreiben.

    Mittwoch, 5. Juli 2017

    Der Körper ist ein wunderliches Ding und wie das alles zusammenhängt umso mehr.

    Übung in der Physiotherapie ist derzeit, das linke Bein wieder vollends durchzustrecken, so dass wenn man ausgestreckt liegt und die Fußspitzen anzieht und das gesamte Bein durchdrückt und anspannt die Ferse deutlich von der Unterlage abhebt. Habe ich heute durchgeführt. Erst mir rechts - Ferse etwa 10 cm in der Luft. Dann mit links - Ferse keine nennenswerte Bewegung.

    Die Physiotherapeuten schaute sich dann das Bein näher an, tastete daran herum und sagte: "Na, bei der Spannung im Vastus Medialis kann da ja nix gehen", nahm dann ein Zeugs, massierte den Muskel ein bisschen, dann dieselbe Übung nochmal und zapp, war die Ferse schon 2-3 cm in der Luft.

    Faszinierend.

    Montag, 3. Juli 2017

    "Die Sonne geht auf und unter und zieht über mich hinweg. Und der Mond geht auf und unter und zieht über mich hinweg und die Sterne ziehen..."

    Sonntag, 2. Juli 2017
    Pläne

    Den ganzen Tag saß ich heute mehr oder weniger unbewegt (Ausnahme: Kaffeetasse oder Gabel zum Mund), denn ich plante Urlaub. Normalerweise plane ich Urlaub nicht allzusehr - Anreise und Unterkünfte ja, der Rest findet sich, ich weiß ja von hier aus nicht, was mir dort gefallen wird. Derzeit habe ich aber ja Bein Version 2, da muss ich etwas auf Entfernungen achten. Als höchst lauffreudige Person denke ich mir sonst bei plus/minus 5 km "eh wurscht", ich vermute aber, momentan sind 5 km eher das Tagesmaximum zu Fuß. Bein-Version-1-Reiseerfahrung bringe ich ja bereits aus Wien mit, nur ist Wien eine Großstadt mit Transportmitteln allenthalben. Cornwall ist da anders.

    Und zusätzlich hat mich im letzten Urlaub enorm gestresst, dass Herr N und Mademoiselle quasi immer Hunger hatten und oder vielleicht nicht immer, aber immer, wenn es am Wenigsten passte, und bis es dann passte waren sie beide kaum noch zurechnungsfähig, so dass es schwierig war, sich auf ein Essen zu einigen. Ich bin da viel einfacher, mir geben Sie einfach einen Schokoriegel und alles ist wieder gut für die nächsten 2-3 Stunden. Aber Herr N und das Kind brauchen "richtiges Essen". Sehr lästig.

    Also habe ich heute Entfernungen und Fußwege nachgeschaut, die Punkte, die mich interessieren, so auf die Tage verteilt, dass ich vielleicht nicht unbedingt am selben Tag hunderte Stufen auf eine Burg klettere, 2,5 Stunden durch eine Schlucht gehe und bei Ebbe über einen glibschigen Steg zu einer Burg im Meer trapse. Das muss besser aufgeteilt werden, nur eine solche Sache am Tag traue ich mir momentan zu. Also momentan noch nicht, naja die Stufen schon aber den Rest nicht, aber es sind noch etwa zwei Wochen bis dahin, da kann noch viel geschehen. Vorsichtshalber habe ich natürlich auch recherchiert, wo es überall Cream Tea gibt. Cream Tea ist immer ein valides Alternativprogramm.

    Und als zweites habe ich dann eben Restaurants herausgesucht und auch gleich reserviert, so dass "richtiges Essen" zwar nicht immer sofort verfügbar ist, aber doch wenigstens immer absehbar.

    Für mich eine völlig fremde Art zu reisen, aber ich glaube, das wird gut.

    Sonntag, 2. Juli 2017

    Also eines sage ich Ihnen: wenn man nach 10 Tagen Dauertragen einen Thrombosestrumpf ablegen und danach dann auch - nach 10 Tagen - duschen kann, dann hat man das Gefühl, den ganzen restlichen Tag in unermesslichem Komfort zu verbringen, völlig egal, was sonst noch so ist.

    Samstag, 1. Juli 2017

    "Ich helfe, ich helfe!", ruft der eine Mann schon, als ich durch die hintere Tür in den Bus steige und er schiebt alle anderen Leute aus dem Weg und lotst mich zu einem Vierersitz. Da sitzt bereits eine Frau. "Hey, wie geht es dir?" fragt sie. Ich habe sie noch nie vorher gesehen. Sie öffnet eine Tüte mit Fruchtgummischlümpfen und bietet sie mir an.

    Der zweite Fahrgast im Vierersitz möchte auch Fruchtgummi. Er hat irgendwas an der Nase, bzw. er hat da irgendwas nicht, was eigentlich dort sein müsste. Ein Stück Nasenflügel fehlt, es sieht aus wie weggefressen. "Lecker, lecker!", lobt der die Fruchtgummischlümpfe.

    Der erste Mann hat mir gegenüber Platz genommen. "Haben Sie Schmerzen?", fragt er. "Brauchen Sie Hilfe? Was ist passiert?"

    Kreuzbandriss und Innenbandriss, berichte ich kurz. "Spielen Sie Fußball?", fragt der Nasenmann. Und berichtet, dass er mal was am Ellbogen hatte und das sehr blöd war mit dem Zähneputzen. Die Schlumpffrau reicht weiteres Fruchtgummi.

    Traurig schaut der erste Mann uns an. "Darf ich etwas sagen?", flüstert er. "Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten. Aber meine Frau hat mich verlassen, weil ich trinke." Dann beginnt er zu weinen.

    Hilflos streiche ich dem weinenden Mann ein wenig über den Arm. "Was soll ich denn nur machen?", fragt der Mann und lehnt sich vor, umarmt mich und weint an meinen Hals. Die Schlumpffrau beugt sich vor und streichelt ihm die Haare, "shhhhht, shhhhht", sagt sie dabei. "Shhhhht."

    "Ach Kinder", sagt der Nasenmann und umarmt uns alle drei so gut es geht. "Wir passen auf einander auf. Wir sind doch alle eine Herde!"

    Donnerstag, 29. Juni 2017

    Ich hatte heute einen ganz normalen, wenn auch recht ruhigen Tag - morgens etwas länger geschlafen, ein paar Stunden im Büro verbracht, mich selbstständig hin- und hertransportiert, eine Maschine Wäsche gewaschen und aufgehängt, ein Essen gekocht. Gut, das ging noch alles sehr langsam und mit größerer Anstrengung als sonst, aber ich finde es schon ein ziemliches Wunderwerk der Medizin, dass man da einem Menschen mal eben ausknipst und wüst im Knie herumfuhrwerkt, Dinge schneidet, richtet, näht, hinterher ist alles unförmig und funktionslos - und nur eine Woche später kann man schon wieder einen recht normalen Alltag haben.

    Donnerstag, 29. Juni 2017
    wtf

    Ich weiß natürlich nicht, ob zwei Tage schon wirklich aussagefähig sind, aber bei meinen Expeditionen mit Krücken und Beinschiene in die Öffentlichkeit fällt mir Folgendes auf: die allermeisten Menschen über alle Farben und Formen, Geschlechter und Altersstufen hinweg sind wirklich ganz rührend aufmerksam und hilfsbereit. Sie halten Türen auf, machen Plätze frei, bieten an, etwas festzuhalten und so weiter und so weiter.

    Mit Ausnahme einer spezifischen Gruppe, die im Gegensatz dazu schnell nochmal vorbeidrängelt um den letzten freien Sitzplatz zu erhaschen, nach Blickkontakt Türen ins Gesicht zuschlagen lässt und übertrieben laut seufzt, wenn es irgendwo mal länger dauert. Das ist die Gruppe der ca. 35-50-jährigen Frauen. Also genau solche wie ich selbst.

    Das ist schon irgendwie verstörend.

    Dienstag, 27. Juni 2017

    Frau N: Hier, dieser Thrombosestrumpf rollt sich oben immer ein und schnürt mir das Bein ab, was kann man da machen?

    Sanitätsfachperson: Nix. Die sind [mehrminütiger Vortrag über die Strickart von Thromboseprophylaxe im Vergleich mit z.B. regulärer Kompressionsversorgung]. Also jedenfalls sind die dazu gedacht, damit zu liegen. Wenn Sie damit Laufen und das Bein belasten brauchen Sie die ja nicht mehr.

    Frau N: Ach dann kann ich den ausziehen??

    SFP: NEIN! Auf gar keinen Fall! Ziehen Sie es halt einfach immer wieder glatt, Sie haben doch Zeit.




    Arzt: Na Frau N., was macht mein Knie?

    Frau N: Also wenn Sie das dicke blaue da meinen, das ist mein Knie. Sie könnten da allenfalls noch ärztlich unser Knie sagen.

    Arzt: Sehe ich anders. Das ist wie bei einem Sorgerechtsstreit. Ich würde sagen, ich weiß mehr über dieses Knie als Sie und kümmere mich auch deutlich kompetenter darum.

    Frau N: Und 44 gemeinsame Jahre zählen nichts?? Sie sind doch im Alltag nie da, nur zu den besonderen Gelegenheiten, wie so ein Sonntagspapa!

    Arzt: Pscht jetzt, sonst gibt es Narkose.



    Ich bin vermutlich in guten Händen.

    Dienstag, 27. Juni 2017

    Ja, ich hab ausreichend Dinge getan. Um 6 aufgestanden und dann vor dem Frühstück gymnastische Übungen fürs Bein und die ersten Schrittchen ohne Krücken. Krankenbesuch bekommen, Homeoffice gemacht, weitere Schrittchen ohne Krücken, dann auch Schritte, dann nochmal Beingymnastik, dann eine halbe Stunde Couch. Dann ohne Krücken die Küche aufgeräumt und nochmal Homeoffice und Abendessen (bestellt) mit Füße hochlegen und jetzt bin ich mal wieder unglaublich müde.

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