Planloser unstrukturierter Tag. Mann weg, Auto weg, Geldbörse leer. Immerhin die neue Technik bewältigt und mit dem Kind beim Frühstück DVD geguckt. Kind gebadet, Wäsche gewaschen, Wäsche aufgehängt, Betten überzogen, Küche aufgeräumt. Viel aus dem Fenster geguckt.
Ich würd ja jetzt in die Tiefsee-Ausstellung fahren (da kann man mit Karte zahlen, hab ich recherchiert). Aber das Kind kommt nicht in die Pötte.
Mal sehen, was heute noch so kommt.
Bierdurst.
Nach dem Sport auf dem Weg durch die Umkleide zu meinem Schrank wurde ich von einer sehr nackten, sehr umfangreichen Frau umgerannt und unsere Köpfe stießen derart aneinander, dass ich etwas zu Boden taumelte.
"Hahahahaha!! Da haben wir den Sport mit den ganzen höchstgefährlichen Maschinen hinter und gebracht, und nun erwischt es uns in der Umkleidekabine - noch etwas mehr Wucht und wir hätten einen Krankenwagen gebraucht!!" rief sie. Stockte kurz, und rief dann, noch lauter: "Jeder einen eigenen! ZWEI Krankenwagen!!".
Jetzt stockte ich, hatte ich mir doch zum einen nie Gedanken darum gemacht, wie viele Kranke üblicherweise in einem Wagen befördert werden und vermutete ich zum anderen, geprägt durch kürzliche Erfahrungen mit meiner guten Freundin Frau Vau, es könne sich möglicherweise um eine Anspielung auf meine Figur handeln. So fragte ich nach, ob denn nicht immer jeder einen eigenen Krankenwagen bekäme.
"Ja! Jeder einen Krankenwagen!", lautete die enthusiastische Antwort. "Genau wie jede Frau hier ein Schränkchen bekommt, mit einem Schloss, und mit ihren Anziehsachen darin!". Kurze Pause. "Nur die Dusche - die müssen wir uns teilen."
"Aber nicht zeitgleich, sondern nacheinander, hm?", brachte ich noch heraus. Dann drehte ich mich um, weil hinter mir jemand vor unterdrücktem Kichern grunzte. Und da stand eine Bürokollegin, die ich dort noch nie getroffen hatte und eigentlich auch nie dort treffen wollte, und sagte: "Hahaha, das erzähle ich morgen gleich als erstes im Büro!".
Und raten Sie mal, was die gerade tut.
So overdressed wie ich gestern war, so underdressed bin ich heute. Was daran liegt, dass ich mangels Zeit und insbesondere mangels Denkfähigkeit heute morgen einfach die Biergartensachen wieder angezogen habe. Fühle mich aber wohler so, als gestern, jetzt rein in Bezug auf die Kleidung, denn eine noch so abgetragene Jeans kann man mit im Büro gelagerten Stilettos aufwerten, wohingegen sich ein unfreiwilliger Flamenco-Dress durch das Überziehen einer im Büro gelagerten Fleece-Jacke nachweislich nicht verbessert.
Zum sonstigen Befinden gibt es eine einfache Rechenregel: Die Anzahl der geschlafenen Stunden sollte die Anzahl der getrunkenen Biere übersteigen. Ist das nicht der Fall, tritt Unpässlichkeit ein. q.e.d.
(Dass heute der Tag ist, an dem ich mich überreden ließ, am Nachmittag mit der Kindergartenmeute durch die sonnengeflutete Innenstadt zu ziehen, weil wegen Personalmangel sonst kein Bilderbuchkinobesuch möglich gewesen wäre, verdränge ich noch ein paar Stunden...)
Ich bin in Bezug auf Haarschnitte wirklich nicht pingelig - wächst ja alles nach, sag ich mir immer - aber beim ersten Mal hab ich gekniffen. Das war, als ich mit Maximal-Viertelkrankem-Kind vormittags in der Fußgängerzone an einem Billigfriseur vorbeikam und spontan hineinstürmte, um Mademoiselle die Haare schneiden zu lassen. Es war leer und das Kind gut gestimmt, so dass ich mich bereits dem Gedanken hingab, mich im selben Zuge mitbeschnippeln zu lassen. Bis mir auffiel, dass der simple Kinderhaarschnitt außerordentlich lange dauerte. Weil der Friseur nicht nur vor jeder Strähne nachzudenken schien, sondern zwischendrin mehrfach zu einem kleinen Schränkchen lief, eine Schublade aufzog und eine laminierte A4-Karte konsultiere, auf der Haarpartien und Schnittrichtungen abgebildet waren. Da hab ich gekniffen.
Beim zweiten Mal, gestern, im Friseursalon des langjährigen Vertrauens, war die mir über Jahre zugeteilte Fachkraft im Urlaub. Das wurde mir aber telefonisch bereits beschieden. Also ging es mit einer Ersatzperson munter ans Werk. Und zum Kneifen war es zu spät, als sie, eifrig in meinen Haaren fuhrwerkend, dauerhaft Selbstgespräche der Art "Ah, hier auch noch. Und diese. Oh, da muss ich auch kürzen. Maaannn sind das viele Haare. Wo ist denn hier jetzt was?? Hier noch... und da... wie mach ich das jetzt?? Man kommt da echt durcheinander..." führte. So ungefähr wie wenn ein Handwerker zu uns kommt und immer erst einmal ruft: "Nä! Das geht gaaar nicht!!" Dann verlasse ich mit "Sie machen das schon" den Raum. Beim Friseur geht das schlecht. Weshalb es ja gerade so wichtig ist, dass Friseure Smalltalk machen. Ein "oh-oh-oh..." beim Auswaschen des Färbeproduktes oder ein "uuups!" beim Schneiden hört der Kunde nicht gern!
Nun denn. Gleich nach dem Duschen wird sich feststellen lassen, was nun tatsächlich aus dem Schnitt geworden ist.
Heute morgen am Bahnsteig stelle ich fest, dass ich die (analoge) Uhr nicht lesen kann, weil es mir völlig unklar ist, ob die Zeiger auf 10 vor 8, 10 nach 8 oder evtl. auch 10 vor oder nach 4 stehen. Die Zuordnung rechts-links und die Richtungen haben einen Großteil ihrer Relevanz verloren. In diesem Moment fallen die übrigen Bruchstücke an ihren Platz: das aussetzende Kurzzeitgedächtnis (wo ist das Kind?? Achso, im Kindergarten abgegeben. Bin ich gerade auf dem Hin- oder auf dem Rückweg? Ach, ich fahr einfach mal weiter geradeaus, dann wird es sich schon klären...), das komische schwebende Gefühl beim Gehen und manchmal der Eindruck, rückwärts zu gehen oder zu stehen, während die Welt an mir vorbeizieht, die Probleme beim räumlichen Sehen, so dass ich Leuten ausweiche, die noch weit entfernt sind, andererseits aber ständig gegen Geländer oder Türrahmen stoße.
In der Bahn schrecke ich immer wieder hoch. Ich erkenne die draußen vorbeiziehenden Straßen nicht wieder und wähne mich im falschen Zug. Ich habe wieder vergessen, wohin ich unterwegs bin. Die Leute, die um mich herum sprechen, und ich weiß nicht, ob sie mir mir sprechen, weil ich die Richtung, in die die Stimmen gehen, die Blicke und Mimik und die Lautstärke nicht interpretieren kann. Ich starre in die Zeitung, lese die Sätze aber kann ihnen keine Wertigkeit zuordnen. Was ist wichtig, was ist nebensächlich, was ist normal, was ist aufsehenerregend, was ist gut, was ist schlecht. Die Struktur der Welt verschwimmt.
Ein Migräneanfall ist das Auge des Tornados. Während alles wirbelt und tobt und meine Gedanken sich gegenseitig in Fetzen reißen, schaltet der Kopf plötzlich einfach ab, fährt alle Systeme herunter. Wo keine Parameter mehr existieren, können keine Bewertungen mehr vorgenommen werden und folglich keine Entscheidungen mehr getroffen werden. Nichts geht mehr. Für einen Moment, für ein paar Stunden, für ein paar Tage. Der Kopfschmerz an sich lässt sich - bei mir - relativ einfach mit mittleren Dosen Schmerzmittel zurückdrängen. Beim Rest hilft nur Struktur, absolutes Leben nach Plan, um dem unverständlich und un(be)greifbar an mir vorbeifließenden Alltag zumindest ein Skelett zu verleihen, an dem ich mich halten kann. Am besten immer mit Musik im Ohr, als Taktgeber für die simpelsten Dinge wie Atmen, Gehen, Sprechen. Als Kopfschrittmacher.
Was ich am Wochenende mache, erfahren Sie hier!
Letzten Mittwoch Kind zum Kindergarten, Arbeit, Anruf von Hr. N. aus dem Krankenwagen, Auto bei Freunden leihen, Kind holen und bei Freunden abgeben, Krankenhausfahrt, Kind wiederholen, Kind ins Bett bringen.
Letzten Donnerstag Kind zum Kindergarten, Auto zurückbringen, zum Krankenhaus fahren lassen, mit der Bahn 2h zurückfahren, Kind holen, Kind ins Bett bringen.
Letzten Freitag Kind zum Kindergarten, Arbeit, Auto von Freunden ausleihen, Kind holen, mit Kind zum Krankenhaus fahren, zurückfahren, Kind ins Bett bringen, Wochenendebesuch mit weiterem Kind in Empfang nehmen.
Samstag Wochendebesuch und zwei Kinder zum Krankenhaus karren, Herrn N und alle anderen mit zurücknehmen, Auto zurückbringen, Wochenendbesuch aus der Notapotheke versorgen, leicht hysterisch-entrückt dem augenklappigen Herrn N., den schwindelig-hyperventilierenden Wochenendbesuch und zwei völlig glückliche und abgedrehte Kinder beobachten. Parallel dazu Guacamole, Tzaziki, Auberginenpaste, Dampfnudeln und Vanillesoße kochen und ein grundlegendes Kommunikationsproblem zwischen mir und dem Rest der Welt offenbart bekommen.
Sonntag gefühlt den ganzen Tag Klavier spielen und gleichzeitig den ganzen Tag Mangold-Schafskäse-Pfannkuchen backen und dabei von einer unüberschaubaren Kinderzahl (zwei Kinder an schnell wechselnden Orten wirken oft deutlich mehr!) auf diversen Fahrzeugen gerammt werden. Als glasklare Erinnerung sticht aus diesem Tag nur das Bier beim Skat am Abend und mein grandioser Grand ohne Bauern (den ich grandios verlor, aber man kann das ja mal versuchen) hervor.
Montag Kind zum Kindergarten, Arbeit, Hr. N. und Auto abholen, Kind abholen, zum Schrottauto reisen, Schrottauto schrotten, "Hockock" essen und Dinge zwangskaufen weil das Kind ins Kinderparadies möchte, Kind ins Bett bringen.
Dienstag Kind zum Kindergarten, Arbeit, Hr. N. und Kind im Eiscafe treffen, Kind zur Musikschule bringen, Kind von der Musikschule nach Hause bringen, Sport. Dabei feststellen, dass es an der Zeit ist für ein entgültiges Outing: ich finde Sport doof. So.
Heute ist Mittwoch. Hab schon das Kind zum Kindergarten und mich zur Arbeit gebracht. Heute kommt die Putzfrau und der Gemüsemann, Ein Autokauf steht an und ich mache irgendwas mit 1kg Spinat. Zusätzlich bin ich heute Nachmittag verabredet, sogar doppelt, zwar immerhin zur gleichen Zeit aber mit verschiedenen Personen an unterschiedlichen Orten, was das Ganze etwas ungünstig macht.
Morgen ist Donnerstag. Da bringe ich auch wieder das Kind zum Kindergarten und mich zur Arbeit, danach kaufen wir vielleicht nochmal ein Auto, je nachdem wie sich das heute so anlässt. Oder so. Und dann packe ich so wenig wie Sachen wie möglich ein, um mich und das Kind am Freitag nach dieser Kindergarten- und Arbeitssache per Zug zur Frau V. zu transportieren. Ab dort bin ich nicht mehr zuständig und lasse mich das komplette Wochenende fremdbestimmen.
Die Hinterradbremse tuts nicht? Na das ist kein Wunder wenn die Beläge komplett runter sind. Müssense weniger bremsen, dann passiert das nicht. Kann ich Ihnen grad tauschen, wenn Sie ein paar Minuten Zeit haben.
Sie kennen sich nicht vielleicht mit Druckern aus? Da ist der Toner leer, hier bei meinem Drucker, und ich weiß nicht, wie man den tauscht. Ah. Nur die Klappe aufreißen und rein-raus? Na das krieg ich hin. Kennt man ja.
Das mit dem Drucker ist ja auch wie mit dem Internet. Da klappt nie was. Mit den Bildern, bei wkw. Kennen Sie wkw? Und sind Sie da auch? Na dann können wir ja "du" sagen, dann sind wir ja da beide. Ja, nur zum Bilder gucken kommen viele rein. Wegen den Bildern hab ich ja auch den Ärger gehabt. Die haben mich da einfach rausgeschmissen. Zack, Profil gelöscht. Die Schweine! Klar hab ich nicht mein Foto reingemacht. Ich hab doch die Gruppen SexyHerren* und SexyDamen*. Da muss ich ja ein anderes Bild nehmen, ich mein, guck mich mal an! Das geht doch nicht. Muss ich natürlich das Bild von wem anders nehmen, sonst kommt ja keiner in die Gruppen.
Also wenn du da auch bist, dann können wir uns ja mal kennen lernen und du kannst in die Gruppen kommen. Aber die eine haben sie mir weggenommen, ich hab schon alles gemacht, Mail geschrieben, sogar ein Gedicht, aber dann hat mich der Kerl von der Frau angemailt und gesagt, ich soll seine Alte in Ruhe lassen. Die soll mir doch nur die Gruppe zurück geben, mehr will ich von der nicht. Bei dem Bild schon gar nicht. Selbst schuld, wenn die ihr eigenes nimmt.
So, die Bremsen gehen. Dann sind wir quitt, weil Du mir den Drucker gemacht hast. Der Ständer vom Rad taugt aber auch nix. Ich geb dir über wkw Bescheid, wenn mal ein guter Gebrauchter reinkommt, dann schraub ich dir den schnell an. Wir hör'n voneinander!
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*Namen sinnerhaltend verfremdet
Sollte sich jemand aus der geschätzten Leserschaft am Samstag in der niedersächsischen Landeshauptstadt aufhalten und Durst auf Kaffee oder Bier (verhandelbar) verspüren, freue ich mich über eine Mailmitteilung. Geht auch ganz spontan, denn das Internet ist beim Alternativprogramm "Shoppen" mit dabei.
Es passt einfach nicht. Mit einem Kind draußen, auf dem Weg von A nach B sein, und nicht einfach "herumzuspazieren", passt einfach nicht.
Sind wir mit dem Rad unterwegs, so wie meistens, dann ist die Frage: Gehweg oder Straße. Auf dem Gehweg ist jedesmal mindestens ein selbsternannter Hilfssheriff, der auf das Fehlverhalten hinweist. Fahrräder mit Erwachsenen drauf gehören auf die Straße. Auf der Straße wiederum sind wir nicht schnell genug, können an den Ampeln nicht ähnlich beschleunigen wie die Übrigen und ernten Gehupe. Wir sollten Tunlichst nur geradeaus fahren, denn Abbiegen - außer eventuell noch nach rechts - ist mehr als nur ein bisschen riskant. Nun geht es im Leben aber nicht immer schnurstracks geradeaus und wenn dieser Fall einmal eintritt, fühlen sich auch die Hilfssheriffs auf Pferdestärken bemüßigt, mir zu verdeutlichen, ich solle gefälligst das Ende der Blechkarawane abwarten bis ich mein Anliegen verwirkliche. Der Vorteil: man lernt Menschen kennen und das Kind viele neue Wörter. Der Nachteil: man will diese Leute nicht kennen und das Kind wird die Wörter im Kindergarten mit dem Zusatz "hat die Mama gesagt" wiederholen.
Der Radweg - sofern vorhanden - scheidet meist sowieso aus, verfüge ich doch nicht über ein kindertransportfähiges Crossrad, mit dem ich nicht-abgesenkte Bürgersteige, Schlaglöcher, Baumwurzeln und parkende Autos locker überspringen könnte.
Öffentliche Verkehrsmittel gehen gleich gar nicht. Sollte man sich erdreisten, im Berufsverkehr ein Massentransportmittel mit Kinderwagen zu besteigen (vorausgesetzt die Bauweise der Haltestelle lässt dies überhaupt zu), hat man bereits den Zorn der übrigen Anwesenden auf sich gezogen. Ist man ohne Wagen unterwegs, so benötigt man mit Kind und Gepäck (was - nicht nur zum Leidwesen der übrigen Verkehrsteilnehmer - eine untrennbare Verbindung ist) meist einen Sitzplatz, damit nicht das eine oder das andere unkontrolliert durch das Verkehrsmittel wandert. Sollte ein Sitzplatz verfügbar sein, sorgen die naturgemäß auf solchen Sitzen waagerecht überstehenden Kinderbeinchen in bedrohlicher Nähe von Anzug- und Feinstrumpfhosen für nicht geringe Hysterie. Berufsverkehr ist übrigens eigentlich immer, außer natürlich zu den Zeiten, zu denen ich im Büro bin oder das Kind seinen Nachtschlaf verbringt.
Ich fühle mich gerade sehr angepisst randgruppig.