Eigentlich haben wir nur zwei Sachen heute gemacht, diese aber ausführlich.
Zuerst sind wir mit einem roten Touribus gefahren. Mademoiselle liebt Touribusse, was hauptsächlich daher rührt, dass sie total auf Audioguides steht. Das ist für sie wie Hörspiel, sie saugt die Informationen auf wie ein Schwamm. Entdeckt haben wir das zufällig vor ein paar Jahren in Edinburgh, wir wollten eigentlich nur mal für ein Stündchen in das Schloss schauen, ganz ist viel zu viel, aber es gab da diesen Audioguide und so herrschte sie uns bei jedem Versuch, jetzt aber doch mal Scones essen zu gehen mit "psschhhhhtt!" an.
Ähnlich war es bei der Besichtigung der Reichtstagskuppel und in diversen anderen Städten. In Barcelona zum Beispiel fuhren wir die gesamte Busroute mehrfach ab, heute aber nur einmal, das war genug und dauerte auch schon 2,5 Stunden an reiner Fahrtzeit, wir saßen im offenen oberen Stockwerk des Busses, die Sonne schien, hinterher waren wir ordentlich durchgebraten.
Nach einer kleinen Mittagspause war Eiffelturm gewünscht. Nach meinen Recherchen handelte es sich um die denkbar schlechteste Zeit und Wetterlage in Bezug auf Wartezeiten, aber "das macht ja nichts" sagten die Mesdemoiselles.
Es war dann auch ziemlich voll. An dieser Stelle muss ich meiner Drill-Instructor-Französischlehrerein Madame T. Abbitte leisten. Ich habe exakt 1 Jahr lang an der Uni Französisch gelern, Madame T. legte aber außerordentlichen Wert auf die allerhöflichsten Formulierungen von allen ("Bonjour was-was-was, bin ich ein Tier??!") und auf eine perfekte Aussprache. Legendär in Erinnerung geblieben ist ihr Toben, als eine wenig sprachbegabte Kommilitonin auf ihre Frage nach den vier Nasalvokalen bemüht "öng, öng, öng, öng" antwortete - nach diesem Tag waren wir nur noch ein Drittel der Teilnehmer und die mit zitternden Händen und verschwitztem Haaransatz.
Jedenfalls: Dank Madame T. kann ich mich im Französischen mit einem absoluten Basisvokabular in ausgesuchter Höflichkeit an Pesonen wenden, die mir z.B. einen 100-Euro-Schein wechseln sollen, die von den Mesdemoiselles beinahe mit einem Kopfhörerkabel stranguliert wurden oder eben die Sicherheitsdienste am Eiffelturm verrichten und mir dann in allen Einzelheiten mitteilen, wie die Wartezeiten in welchen Schlangen gerade sind und was sie für das Allercleverste halten. Nämlich: in die gerade im Vergleich zu den Aufzügen (2,5 Stunden) recht kurze Schlange (45 Minuten) für "zu Fuß hoch" (Laufzeit ca. 15 Minuten), dann auf der 2. Ebene in die (dort immer recht kurze Kassenschlange) für die Spitze. So machten wir es. Fast.
Während ich 45 Minuten in der Schlange stand, kauften sich die Mesdemoiselles noch das teuerste Popcorn der Welt (teurer jedenfalls, als der Eintritt in den Turm), dann ging es auch schon los: und der Eiffelturm mag zwar ca. 700 Stufen haben, aber ganz ehrlich, die merkt man nicht. Sie sind nämlich in einem absolut angenehmen Abstand, immer derselbe, mit reichlich Treppenabsätzen dazwischen, auf denen durch ein paar gerade Schritte die Beine locker bleiben. Im Vergleich: der Schiefe Turm in Pisa hat rund 300 Stufen, die aber ausgetreten und in wechselnder Höhe und eben schief, das ist viel anstrengender, da muss man sich konzentrieren. Und das Wallace Monument hat 250, teilweise sehr steil in einem engen, dunklen Turm - auch viel anstrengender.
Bis zur ersten Plattform ging es auch recht fix, aber dann, natürlich: zwei Kinder mussten aufs Klo. Gibt es dort oben aber. Neben dem Souvenirladen. Zwei Kinder mussten dann in den Souvenirladen. Und dann Fotos machen. Und dann Essen und Trinken. Und dann etwas verweilen.
Als wir uns dann - rund eine Stunde später - wieder in Bewegung gesetzt hatten, ging es auch im zweiten Abschnitt zügig. Nur kurz blockierete eine Frau, die überraschend befand, sie litte an Höhenangst, die Stufen. Auf der zweiten Plattform kamen wir genau rechtzeitig zum 18-Uhr-Funkeln des Turmes an, das war sehr, sehr schön. Davon darf man übrigens ohne Genehmigung keine Bilder veröffentlichen, denn die gesamte Beleuchtung des Turms ist urheberrechtlich geschützt. Bilder vom Tag veröffentlichen okay, Bilder von Nachts nicht. Alle irre.
Wir verweilten dort oben also auch nochmal etwas länger und dann wollten die Mesdemoiselles nicht mehr in die Spitze. Sie hätten sowieso jetzt für den Tag genug gesehen und wären erschöpft. Der Rückweg verlief entsprechend zäh, man kann sich bei Vorpubertierenden aber letztendlich immer auf einen Wutanfall verlassen, der dann über die letzten Kilometer trägt.
Um 21 Uhr waren sie beide eingeschlafen. Es wäre ganz praktisch, für die Abendgestaltung immer einen Touribus und einen Eiffelturm zur Hand zu haben.
Zu meiner geheimgehaltenen Überraschung saßen wir heute Mittag tatsächlich im Zug nach Paris - Überraschung, weil ich bis zum letzten Moment das Gefühl hatte, dass diese Reise aus irgendwelchen Gründen nicht stattfinden würde, ich sah sie nicht vor mir, vermutlich lag es einfach an zu viel um die Ohren.
Jetzt muss man zwei Elfjährige auf Zugfahrten natürlich nicht mehr beschäftigen, das können die wunderbar selbst. Manchmal muss man jedoch moderierend eingreifen. Zuerst schrieben sie ein Drehbuch für einen Film, irgendwas mit Wölfen. Schwenkten dann jedoch um auf ein Drehbuch, das Rollen für alle anderen Personen im Waggon vorsah. Um Saarbrücken herum wurde klar, dass das zeitlich nicht hinhaut. Kurz waren sie entmutigt und begannen wilde Hampeleien - pädagogisch wertvoll schickte ich sie Kaffee holen im Bordrestaurant. Leider kamen sie gleich auf dem Rückweg auf die nächste Spielidee: jede könnte einen Gegenstand nehmen, dann ginge jede in die andere Richtung im Zug und dürfte vier Mal mit beliebigen Passagieren den Gegenstand tauschen. Wer dann mit dem besten neuen Gegenstand zurückkehrt, hätte gewonnen. Dieses Spiel konnte ich durch Verweigerung der Herausgabe eines meiner Gegenstände unterbinden - eigene Sachen wollten sie nämlich nicht tauschen. Sie schrieben nun schmollend weiter an Drehbuch 1 und bauten die Rolle einer gemeinen Oberaufseherin für mich ein.
Von Paris zegte sich die Brut zunächst unbeeindruckt. Bahnhofshalle? Sieht aus wie Frankfurt. Vor dem Bahnhof? Sieht aus wie Edinburgh. Straßenzüge? Sieht aus wie Barcelona. Jetzt muss man dazu sagen, dass die erste Reise in dieser Konstellation - vor ein paar Jahren war das - nach Venedig ging. Schnee und Acqua Alta in Venedig ist schwer zu toppen. Eigentlich könnten wir ab jetzt immer zu Hause bleiben.
Vom Apartment waren sie dann aber sehr angetan, bzw. vom Haus - ein hohes, altes Stadthaus in der Nähe des Triumphbogens, man kommt hinein, geht durch einen Flur in einen Innenraum, in dem ein kleiner Brunnen plätschert, dann eine sehr enge Holzwendeltreppe hinauf, in deren Mitte ein gläserner Einpersonenaufzug fährt, die Stockwerke sind komplett unterschiedlich hoch. Haussmannstil würde ich schätzen, kenne mich da aber nicht so aus.
Etwas anschauen wollten sie dann nicht mehr, nur die nähere Umgebung erkunden. Wir kehrten in einer Crêperie ein und dann in einem Supermarkt, fanden auf dem Rückweg ein kleines Café direkt links neben dem Haus für den Frühstückskaffee sowie eine unglaubliche Menge an Thai-Restaurants.
Nun sind die Kinder im Nebenzimmer und sprechen dort lautstark und verblüffend überzeugend Fake-Französisch. Was wohl die Nachbarn denken?
Ich wüsste gern, was mich derartig ausgeknockt hat, dass ich kaum einen Fuß vor den anderen setzen kann und mich noch nichtmals in der Lage sehe, ein Paket aus der Packstation abzuholen. Steckt mir die letzte Woche in den Knochen? Die Aussicht, die nächsten vier Tage allein mit zwei Präpubertären zu verreisen? Ist eine Erkältung im Anflug? Oder war es etwa das Kraulschwimmen gestern - nein, bestimmt war es der Whirlpool!!
Was ich auch gern wüsste: wer packt jetzt meinen Koffer?
Es war sehr knapp heute. Fast hätte ich in der Wohnung alle Lichter ausgeschaltet, das Handy auch, mich dann im Flur auf dem Fußboden eingerollt und so getan, als wäre ich nicht da, wenn die Kraulschwimmpartnerin erst "bin da" whatsappt und dann klingelt. Eine Stunde vorher hatte ich nochvollmundig "HINTERHER werden wir es super finden" geschrieben. Wie das wohl wäre, so etwas zu machen? Leider kann ich es nicht ausprobieren, Lebensregel Nr. 10 ("Halte Verabredungen ein.") macht es unmöglich.
So waren wir also heute schwimmen. In einem uns bis dahin fremden Schwimmbad. Im Auto hatten wir noch kurz die Hoffnung, es könne schon geschlossen haben aber nein: bis 22 Uhr auf. Dafür war es sehr leer, wir hatten eine Bahn für uns und ausreichend Platz, den aktuellen Kraulschwimmkonditionsstand auszutesten. Im Sommer war das ja mit Ach und Krach eine Bahn. Jetzt sind entspannt (also ohne Probleme mit Atmung, mit der Kraft sowieso nicht, Kraft ist im Gegensatz zu Kondition im Übermaß vorhanden) zwei Bahnen inklusive Rollwende möglich, mit Beißen ginge natürlich mehr 200-300 Meter ohne Pause, schätze ich, aber wer will an einem Samstagabend um 21 Uhr schon beim Schwimmen beißen.
Statt dessen gingen wir in den Whirlpool. Samstagabend, 21 Uhr, ein Whirlpool nur für uns, nicht, wie sonst, vollgestopft mit Herren im besten Alter. Leider bin ich in Whirlpool nicht so gut wie in Kraulschwimmen, genau gesagt: ich bin eine Whirlpoolversagerin. Es war sehr warm. Ich saß auf dem Steinsims und starrte auf das blubbernde Wasser. Was tun? Vielleicht liegen? Das war am Kopf nicht bequem. Vielleicht im Wasser treiben? Die Blubberbläschen trieben mich ab, gegen die Kraulschwimmpartnerin. Vielleicht seitlich auf den Steinsims legen? "Was machst Du da?!", fragte die Kraulschwimmpartnerin. Sie ist sehr gut in Whirlpool. Ich meinte, aus ihre Stimme etwas Anstrengung bezüglich meiner Zappelei zu entnehmen.
Zu meiner Erleichterung gingen wir bald wieder schwimmen. Nun hatte sich das Becken überraschend gefüllt, wir suchten uns die am wenigsten beschwommene Bahn. Ausnahmslos Sportschwimmer waren unterwegs, eine Frau schwamm auf uns zu und sagte etwas. Es klang wie "Meine". Oder "Hallo". Oder "Danke". Oder "Achtung." Irgendetwas zweisilbiges. Egal, wir schwammen los. Es hat definitiv etwas von Revier markieren, wenn man seine Bahn einkrault. Positiv zu vermerken: wir fallen unter den Sportschwimmern nicht mehr auf. Allenfalls durch unseren guten Stil.
Nochmal Whirlpool. Man muss ja auch an seinen Schwächen arbeiten. Sehr warmes Geblubber, ich musste die Bauchatmung üben, damit mir nicht schummrig wurde. Vielleicht sind diese Precogs bei Minority Report KraulschwimmerInnen, denen im Whirlpool komisch geworden ist. Sehr laut ist es in so einem Whirlpool ja übrigens auch, man muss sich im Gespräch anschreien und die erhöhte Position des Pools trägt die Konversation durch die gesamte Schwimmhalle. Wir sprachen folglich über Botanik.
Ob wir dann nochmal schwammen, weiß ich gar nicht, der Whirlpool hatte mein Gehirn vernebelt. Aber mit einem hatte ich Recht: Hinterher fanden wir es super.
So. Inbox nicht Zero, tausend Sachen offen, Ablage nicht geschafft, den Dienstleister, den ich nicht erreichen kann nicht erreicht und daher jetzt wie so wer, der per SMS Schluss macht, eine Mail geschrieben und überhaupt totales Chaos, aber:
Jetzt noch schnell ein spontanes Mini-Karaoke.
Leider in Eile.
Wichtiger Tipp 1: ziehen Sie morgens keine Dekoschuhe an, wenn Sie unsicher sind, ob Sie es vor der Abendverabredung noch nach Hause schaffen.
Wichtiger Tipp 2: Lassen Sie sich in der Apotheke keine Taschentücher schenken, wenn Sie ohne Tasche und ohne Jacke unterwegs sind.
Was war noch? Ich habe versucht, einem Dienstleister die Zusammenarbeit aufzukündigen, weil er nie erreichbar ist. Habe ihn aber nicht erreicht.
Erschreckend! Neueste Studien zeigen: 4 von 6 Erwachsenen können keinen Purzelbaum unter Wasser!
Diese alarmierenden motorischen Defizite wurden heute im Kraulschwimmkurs offenbar. Es ging in der letzten Stunde des Kurses "Kraulschwimmen Fortgeschrittene" um die Rollwende. "Wassergewöhnung" hatte sich die Kraulschwimmpartnerin gewünscht, auch ich wäre der Übung "Baumstamm" nicht abgeneigt gewesen. Es war ein harter Tag, meine Nahrungsaufnahme bestand im Wesentlichen aus viel schlechtem Kaffee im ICE, dann Weißwein (mag ich sowieso nicht wie jeder weiß) im Büro und ein paar Handvoll Chips. Ich saß/stand/trieb zum ersten Mal ernsthaft zähneklappernd im Wasser.
Die Übung der Rollwende begann aber tatsächlich wie Wassegewöhnung: man machte sich mit angezogenen Beinen, darum geschlungenen Armen und Kopf auf die Brust zu einem Päckchen und trieb so, Gesicht nach unten, Rücken nach oben, mehrere Sekunden lang im Wasser. Man darf nicht vergessen: wir haben Personen im Kurs, die noch vor kurzem "Ich kann es nicht haben, wenn mein Mund nass wird!" oder "Ich habe Angst unter Wasser!" sagten.
Als alle gut wie ein Päckchen treiben konnten, ging es weiter. 6 Züge kraulen, dann eine Rolle im Wasser, dann weitere 6 Züge kraulen, wieder eine Rolle, etc. Hier traten die größten Schwierigkeiten zutage. Viele Erwachsene können heutzutage keine Rolle mehr. Skandalös!
Der Kraulschwimmlehrer bemühte sich redlich mit Tipps: man solle sich im Wasser mit ausgestreckten Armen leicht vorbeugen - so, als ob man zum Beispiel ein Häschen fangen wolle! An dieser Stelle erstaunte die Bildsprache sogar mich. "Kannst Du das mit dem Häschen fangen nochmal vormachen?", verlangte die Streberoma. Der Kraulschimmlehrer beugte sich häschenfangend am Beckenrand. "Was alle immer falsch machen, also jeder Kurs, immer", freute er sich dann, "ist, nach der Rolle den Brustschwimmbeinzug zu machen. Ihr macht das auch alle falsch. Alle! Wir sind hier im Kraulschwimmkurs. Macht Kraulbeine. Alle nochmal!"
Als nächstes wurden geübt, die Rolle im Wasser vor dem Beckenrand zu machen. Dabei sollte jede/r den richtigen Abstand herausfinden, um später liegend mit angewinkelten Beinen mit den Füßen an den Rand zu komme, um sich abstoßen zu können - zunächst einmal auf dem Rücken. Dabei verlor ich einmal auf so wundersame Weise die Orientierung, dass ich jetzt eine sehr schmerzhafte Beule am Kopf habe. Nach und nach fanden aber alle heraus, wo die Rolle ungefähr stattfinden muss.
Es folgte die Übung des Abstoßmomentes der Rollwende. Zu diesem Zweck hielten wir uns am Beckenrand fest, ließen dann los, sackten also etwas ins Wassser, stießen mit den Beinen ab und drehten uns in dieser Bewegung um 180 Grad um die Körperachse auf den Bauch. "Unter Wasser oder über Wasser drehen?" fragte die Streberoma. Unter Wassser.
Es blieb nun nur noch, diese Elemente zu verbinden: Anschwimmen, zum richtigen Zeitpunkt Rolle mit Häschen fangen, dabei schon halb und im Abstoßen von der Wand ganz auf den Bauch drehen, unter Wasser gestreckt gleiten, Kraulbeine, Kraularme. Der Kraulschwimmlehrer machte es auf dem Trockenen vor. Eine der lustigsten Sachen, die ich in letzter Zeit gesehen habe.
Das übten wir alle noch ein, es gelang den meisten ganz gut.
"Das war die letzte Stunde", sagte der Schwimmlehrer dann. "Euch vier" - er deutete auf die Streberoma, die nette Frau, die Kraulschwimmparterin und mich - "sehe ich im nächsten Fortgeschrittenenkurs". Und Euch" - er deutete auf Luigi und Nanni - "äh - nicht." Luigi und Nanni hatten den Fortgeschrittenenkurs schon zum zweiten Mal gemacht. Öfter darf man nicht.
Heute Morgen, während ich mir im Bad das Gesicht wusch, öffnete jemand die Tür und lugte mit großen Augen etwa auf Klinkenhöhe zu mir hinüber. "Mademoiselle?", blinzelte ich durch den Waschschaum. Es war der Kater.
Gerade eben, ich sitze bei meine Eltern auf der Couch, krabbelt etwas in der dunklen Küche herum, in den Flur, schmiegt sich um die Ecke herum an mein Bein und sagt "Mau?". Ich halte die Hand kraulend nach unten. Es ist das Kind.
Da soll noch jemand den Überblick behalten.
Neulich haben wir ja ein neues Auto gekauft, dieses benötigte dann auch noch Winterreifen, Herr N. reagierte angestrengt ob der ganzen Ausgaben, woraufhin ich sagte: "Das ist doch noch lange nicht alles. Jeder weiß: findet man, man solle gerade etwas mehr sparen, gehen schnell alle möglichen wichtigen Geräte kaputt. Waschmaschine und Spülmaschine zum Beispiel!" Herr N. hob eine Augenbraue. Dann lehnten wir uns in die Sitzheizung und summten zur Musik.
Gestern saß ich mit Herrn Herzbruch gegen Mitternacht am Esstisch - Frau Herzbruch schlief schon (oder schaute im Bett Serien auf dem Laptop, das weiß man nie genau, es ist bei ihr aber gleichbedeutend, in Wirklichkeit weiß niemand mit Sicherheit, ob Frau Herzbruch jemals schläft) und Herr N. war anderweitig unterwegs, jedenfalls sagte ich zu Herrn Herzbruch: "Was mich auch wundert ist, dass auf diesem Sims vor der Spülmaschinentür immer so ein bisschen Wasser ist. Das ist mir jetzt erst ein paar Mal aufgefallen, aber seitdem ist da immer Wasser, wenn ich schaue."
Herr Herzbruch war sofort interessiert, erforschte das Gerät und stellte die Diagnose: Dichtung kaputt. Da der Geschirrspüler zudem über die Features "fast alle Rollen an den Geschirrwägen kaputt", "ein Geschirrwagen etwas kaputt", "Besteckkorb kaputt" und "am Sieb was abgebrochen" verfügt, fiel uns nichts Besseres ein, als kurzschlussartig dem Problem auszuweichen und ins Bett zu gehen.
Heute war ich aber natürlcih wieder voller Optimismus: es ist doch eigentlich sehr freundlich vom Geschirrspüler, nicht sofort ganz kaputt zu gehen und seinen gesamten flüssigen Inhalt in die Küche zu ergießen oder jegliches Abpumpen zu verweigern, so dass man Brühe mit Bröckchen kniend mit einer Suppenkelle aus dem Inneren schöpfen muss.
Also kaufte ich ohne Hast, aber doch mit Entschlossenheit, ein neues Gerät. Dieses Mal online. Von Besuchen in Elektrofachmärkten habe ich erst einmal genug.
Jedes Mal, wenn Frau Herzbruch hier ist, gibt sie mindestens eine dringende Produktempfehlung ab. Wir haben daher schon lange standardmäßig Chipsfrisch ungarisch, die gleiche Kaffeemaschine UND Kaffeebohnen, Meister Propnase, immer den günstigsten trockenen Sekt mit dem besten verfügbaren O-Saft und sogar teilweise die gleiche Unterwäsche.
Heute lautete die Empfehlung auf Alicia, einen Milchaufschäumer von deLonghi. Frau Herzbruch hatte ihn schon öfters empfohlen, ich fand ihn aber unangemessen teuer. Heute morgen aber wollte Frau Herzbruch aufgeschäumte Milch vor dem Frühstück, mehrere Male beim Frühstück, nach dem Frühstück, jedes Mal erwähte sie wie beiläufig unsere unterdurchschnittliche Infrastruktur hinsichtlich espressobasierter Heißgetränke. Schließlich wies ich sie an, den Preis im Internet zu erforschen, und siehe da: Alicia kostete nicht mehr knapp 90 Euro sondern nur 43,99 Euro, bei Saturn.
Also gingen wir zu Saturn. Wir gingen auch noch in allerlei andere Läden, Frau Herzbruch wollte eine Jacke kaufen, beinahe kaufte ich statt dessen mehrere Jacken, irgendwie fanden wir aber auf den optimalen Pfad zurück und waren dann auch bei Saturn. Bei Saturn selbst kostete Alicia dann aber 47 Euro. Es wurde kurz kompliziert (und gleich fühlte ich ich mich an den Herrn Imperialisten erinnert, der in drei Anläufen einen neuen Fernseher erwarb) - Alicia bei Saturn war nämlich weiß, Frau Herzbruchs Alicia ist schwarz, Frau Herzbruch drängte darauf, ich solle die weiße Alicia erwerben und mit ihr tauschen, ich war zögerlich, hatte mir um Farben nämlich noch gar keine Gedanken gemacht. Gedanklich ging es mir um den Preis: warum kostet es im Saturn selbst 47 Euro, wenn es auf der Saturn-Website 43,99 Euro kostet? Läge es eventuell an den Versandkosten?
Frau Herzbruch recherchierte - begierig nach der weißen Alicia - vor Ort. 43,99 Euro auf der Website, inklusive Versand, oder: bei Abholung in der Saturn-Filiale. Ich sah bereits eine wunderbare Situation vor Augen: der Verkäufer möchte mir die vorhandene Alicia nicht für den geringeren Preis geben, ich bestelle sie also direkt vor dem Regal online und hole Alicia dann in der Filiale ab - vermutlich dieselbe, die ich gerade in der Hand halte, nur eben mit der sensationellen Ersparnis von 3,01 Euro. Das hätte ich ausgespielt.
Dazu kam es aber nicht. Der Verkäufer rief die hauseigene Website auf, fand dort Alicia zum allseitigen Erstaunen für 89,99 Euro. Und dann bemerkten wir alle: es lag an der Farbe! Schwarz eigentlich 89,99 Euro, hier und heute in genau diesem Saturn 47,00 Euro. Weiß 43,99 Euro, hier und heute genau in diesem Saturn nicht verfügbar.
Was denken Sie, was geschah? Ja, nichts dergleichen. Frau Herzbruch sagte: "Ich würde jetzt einfach den hier für 47 Euro kaufen, das ist am einfachsten und dann haben wir Milchschaum." Und so wurde es - entgegen aller Dinge, die ich sonst tun würde - getan.