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    Dienstag, 4. August 2020
    Das Grüne Gewölbe

    Ich habe heute das Grüne Gewölbe in Dresden angeschaut, also eine Schatzkammer, in der ungefähr Mitte des 16. Jahrhunderts Kurfürst Moritz begann, wertvolle Dinge und wichtige Unterlagen zusammenzutragen. Die historischen Gegebenheiten kann man leicht googeln, die will ich hier nicht nacherzählen, hier geht es natürlich wie immer nur um meine Eindrücke.

    Das wirkte schon wie so ein kleiner Drachenhort. Ein Raum voll mit Bernsteindingen, einer mit vergoldetem Silber, einer mit Bronze, einer mit Elfenbein, eine ganze Wand mit Skulpturen aus Seeschnecken, eine andere aus Straußeneiern, aus Kokosnüssen, Rhinozerushorn und natürlich viele, viele Edelsteine. Ich bin mir gar nicht sicher, ob es auf mich beeindruckend wirkte oder schon skurril, weil es einfach viel zu viel war, viel zu viel auf einmal aber auch an jedem einzelnen Teil, würde man so ein Teil in einen Spielzeugladen legen könnte jeder, der vorbeikommt, denken "nunja, ist klar, Spiezeug halt, so übertrieben sehen echte edelsteinbesetzte Becher natürlich nicht aus!" Doch, tut sie.

    Das war der eine Eindruck. Viel zu viel, Irrsinn, völlig absurd, möglicherweise schon obszön.

    Der nächste Gedanke: man musste früher seinen Reichtum ja auf diese Art lagern, oder es war zumindest naheliegend. Bankkonten im heutigen Sinne gab es nicht (und auch heute hat man ja - wenn man hat - natürlich Goldreserven), Bitcoin erst recht nicht. Dann erinnerte ich mich, wie in der ganzen alten Literatur ja auch immer reich verzierte Waffen hin- und hergeschenkt werden oder auch mal Pokale, Kelche, Schalen, Broschen und natürlich Ringe. Beowulf fiel mir ein, der Herrscher dort ist nicht umsonst der "Ringgeber".

    Und zuletzt: letzten November (2019) wurden ja in das grüne Gewölbe eingebrochen und elf Stücke geraubt. Und ich frage mich: was macht man denn damit? Das kann man doch nirgendwo verkaufen, jede/r weiß genau, wo es herkommt. Aber nur, um so einen Rockknopf im Nachttisch zu haben, geht man doch dieses Risiko nicht ein? Oder wird man das doch los, in Privatbesitz oder hat es sogar im Auftrag gestohlen?

    Sehr, sehr spannend. Ich hoffe, das klärt sich noch und es gibt dann einen Film oder eine gute Doku darüber.

    Und über Wirecard dann bitte auch.

    Montag, 3. August 2020

    Gestern, vorgestern, die ganze letzte Woche habe ich allen möglichen Personen in allen möglichen Kontexten erklärt, dass es nie da regnet, wo ich gerade bin. Man kann sich nach meinen Urlaubsplänen richten, wenn man Schönwettergarantie möchte oder sich einfach in derselben Stadt aufhalten wie ich. Da, wo ich bin, scheint dauernd die Sonne und ich hasse es.

    Heute wachte ich zu Nieselregen auf und fuhr dann stundenlang durch Sturzregen auf der Autobahn. Nie schneller als 80, die Wolke offenbar immer genau über mir. Nach 400 km wurde der Himmel heller, ich hielt zum Verschnaufen mal kurz an, sofort prasselte es wieder los. Ich führte die Sintflut einmal halb durch Deutschland, bildete mir schon ein, die neue Elbeflut zu verursachen, fragte mich, wie die Tiefgarage des Hotels abgesichert sei und ab wenn eine Pfütze so tief ist, dass man nicht mehr durchfahren kann.

    Ich vereine nun drei Gefühlslagen in mir. Erstens: ich fühle mich total verarscht. Zweitens: ich finde das Wetter prima. Drittens: ich bin leicht besorgt - was, wenn es nicht mehr aufhört zu regnen?

    Sonntag, 2. August 2020

    Entschuldigung, aber nein. Dieses Blog findet bei Temperaturen über 30 Grad Celsius nicht statt.

    Samstag, 1. August 2020

    Hitzefrei \o/

    Freitag, 31. Juli 2020

    Ich habe jetzt Urlaub. Das kann ich noch gar nicht so ganz glauben, denn mein letzer Urlaub - Ostern - ging ja grandios schief und ich musste ihn nach zwei Tagen abbrechen. Damals dachte ich, ich müsste vermutlich vor Erschöpfung sterben, aber das geschah dann natürlich doch nicht. Und jetzt bin ich auch ohne Urlaub eigentlich wieder recht fit geworden. Es fühlt sich nicht so an, als ob ich den Urlaub jetzt bräuchte - so war es im Frühling, da habe ich die Tage runtergezählt, dieses Mal hingegen war es eher überraschend plötzlich so weit. Dass ich ihn nicht brauche, heißt aber natürlich nicht, dass ich ihn nicht will. Ich freue mich sehr! Und wenn wieder was dazwischen kommt, dann werde ich sehr, sehr ärgerlich.

    Mittwoch, 29. Juli 2020
    Der Tisch wackelt

    Frau Fragmente sitzt auf einer Bank, hinter ihr ein Küchenkaufhaus, und bloggt. Ich sitze auf einem Stuhl, hinter mir verschiedene Personen in einer Outdoor-Gastronomie und blogge über Frau Fragmente.

    Der Tisch wackelt.

    Frau Fragmente sieht aus, als sei sie frisch beim Friseur gewesen, das trifft aber nicht zu. Sie war vor zwei Wochen beim Friseur und zu dem Zeitpunkt habe ich das Kompliment versäumt. Heute fällt es mir dafür besonders auf und Frau Fragmente bestätigt, dass ihre Frisur regelmäßig zwei Wochen nach Friseurbesuch am besten aussieht. Das ist heute. Es findet sich nun also erneut bestätigt, dass ich nicht auf Formalia sondern auf Qualität reagiere und ich denke, damit können wir alle zufrieden sein.

    Wir haben gerade eine Vorspeisenplatte gegessen und ich hoffe, das Thema ermüdet nicht, aber es zeigte sich dabei erneut, wie unterschiedlich Frau Fragmente und ich sind. Als serviert wurde, legte sie nämlich sofort fest, was sie isst und was nicht. Ich sehe das eher so: wenn ich eine gemischte Platte bestelle, esse ich, was da drauf ist und zwar, bis ich satt bin. Auch, wenn es etwas ist, das ich nie bewusst bestellen würde. Fischartiges und Meeresgetier zum Beispiel. Auf der Platte war ein (ehemaliges) Lebewesen mit dünnen Beinen und Stabaugen, man musste Kopf und Schwanz vor Verzehr separieren. Nie im Leben würde mir einfallen, so etwas zu bestellen, aber wenn es da ist, wird es eben gegessen. Es schmeckte okay. Fehlte etwas Salz. Eine andere Zubereitung sah aus wie eine frittierte Mozzarella-Kugel, bestand aber aus Fisch. Unten war ein Stück zum Festhalten vorgesehen, das entpuppte sich als Krebsschere. Was den Leuten alles einfällt!

    Frau Fragmente kommentierte: "Mir würde es ja nie einfallen, etwas zu essen, das ich nicht mag, nur um irgendwem oder mir selbst etwas zu beweisen." Das sehe ich generell anders, wann immer sich eine Gelegenheit bietet, etwas zu beweisen, nutze ich sie. Das Essen hatte damit aber nichts zu tun, ich wusste ja gar nicht, ob es mir schmecken würde und wie soll ich das erfahren, ohne es auszuprobieren? Ich glaube, wir betrachteten die Situation aus völlig unterschiedlichen Blickwinkeln.

    Vorher hatte ich Frau Fragmente in einer zwischenmenschlichen Angelegenheit um Rat gefragt. Der Rat kam prompt, kompetent und überzeugend. Frau Fragmente entschuldigte sich dann aber für ihren Tonfall, der, so nahm sie an, belehrend geklungen habe. Auch hier wieder ein Missverständnis: ich werde äußerst gern von kompetenten Personen belehrt. Problematisch finde ich nur inkompetente Belehrungen.

    So unterschiedlich, wie wir sind, ist es verblüffend, dass Frau Fragmente und ich uns so gerne treffen. Vielleicht ist es die Faszination des Fremden. Hoffentlich nicht die Faszination des Grauens.

    Frau Fragmente trägt Bürokleidung, das T-Shirt ist heute etwas leger, wenn ich das so sagen darf. Ich trage meine neue Lieblingsbluse. Ich habe diese Bluse nun insgesamt dreimal bestellt, davon zweimal überrascht und enttäuscht zurückgeschickt, weil sie schon nach dem ersten Waschen begann, Fäden zu ziehen. Das Geld wurde mir erstattet. Ein paar Tage später stellte ich im Büro fest, nunja - also ich stellte fest, dass die Wölbung meines Bauches manchmal so auf die Schreibtischkante trifft, dass die Ecken der Leitz-Plastikmappen, in denen ich häufig Unterlagen gereicht bekomme, den Stoff meines Oberteils streifen. Diese Ecken sind recht scharfkantig und versursachen Schäden an empfindlichen Stoffen. Verblüffenderweise ungefähr genau an der Stelle, an der die schönen neuen Blusen zweimal begannen, Fäden zu ziehen. Ich habe sicherheitshalber umgehend ein Verbot von Plastikmappen in meinem Raum ausgesprochen. Langsam verstehe ich den alten Oberchef, dem man nur Unterlagen mit Plastikbüroklammern geben durfte, weil er mit den verzinkten "schlechte Erfahrungen" gemacht hatte. Welche Art schlechter Erfahrungen wurde nie offenbart, aber vielleicht handelte es sich auch hier um Erfahrungen aus dem Bereich "Garderobe".

    Frau Fragmente schreibt weiter konzentriert. Ich hingegen brauche gerade ein wenig Ablenkung, habe daher meine Schuhe für Twitter fotografiert und auf Twitter geschaut, was Leute so verdienen und mir mental eine Abwerbeliste dazu angelegt. Der Kellner hat eine Kerze gebracht und von irgendwo links neben mir riecht es nach bratendem Fleisch, evtl. hat jemand irgendwas auf einem heißen Stein bestellt. Heute trinken wir beide, Fragmente und ich, Cola light (bzw. Pepsi light), wobei sie vorher einen alkoholfreien Cocktail hatte und ich ein alkoholfreies Hefeweizen. Aus der Cola habe ich gerade eine halbe Limettenscheibe gefischt. Mir ist völlig unklar, woher der Drang der Leute kommt, immer irgendwelches Obst oder Kräuter in Getränke zu werfen. Ich möchte das grundsätzlich nie, weil es mein Mundgefühl stört, oder wenn, dann möchte ich mir den Geschmack zumindest aussuchen können. Es wird ja ganz wahllos hineindekoriert, dabei ist es doch wohl ein Unterschied, ob man in das Glas Eiswürfel oder Limette oder Zitrone oder Minze wirft, das kann mir doch niemand erzählen, dass es darauf nicht ankäme. Wenn ich Kaffee bestelle kippt ja auch nicht schon ungefragt jemand Milch oder Kondensmilch oder Zimt oder Vanillesirup hinein, warum entgleitet die Gastronomie derart bei Softdrinks und insbesonders bei Wasser? Gerade bei Wasser verstehe ich es nicht, das bestelle ich ja, wenn ich möchte, dass es nach nichts schmeckt. Hinzufügen von Zeug widerspricht per se dem Grundgedanken der Wasserbestellung. Das regt mich alles sehr auf.

    Frau Fragmente schreibt nicht mehr, sie denkt und denkt und denkt, dabei hält sie ihr Endgerät nun in der Hand (statt es auf dem Tisch aufgestellt zu haben, die Tastatur davor), sie verzieht den und und scrollt und kratzt sich am Kinn und tippt mit dem Zeigefinger. Vielleicht recherchiert sie was. Worüber schreibt sie bloß? Ich habe vergessen, zu fragen, meist verrät sie es aber ja sowieso nicht. Aus Spaß habe ich jetzt gefragt und Frau Fragmente sagt "Das willst du JETZT wissen?", ich sagte "Ja" und sie "Ich sage es Dir natürlich". Darauf musste ich sehr lachen, denn tatsächlich ist darauf ihre Antwort zu etwa 50 % "Das sage ich Dir nicht!". Heute sagte sie es mir also, sie ist auch schon fertig, weil sie so einen tollen Schlusssatz gefunden hat und redigiert gerade. Noch so ein Unterschied zwischen uns, ich redigiere nie, also: im Blog nie, beruflich natürlich schon. Der Grund: es ist mir zu langweilig, wenn ich einen Text geschrieben habe, verliere ich umgehend das Interesse daran, weil ich ja alles schon weiß, was da steht. Weist mich hingegen jemand auf Tippfehler hin, verbessere ich sie gern (bei Hinweis 1-5), genervt (bei Hinweis 6-10) und alle weiteren Hinweise würde ich ignorieren. Das menschliche Gehirn ist ein Superding, es kann wohl über ein paar Tippfehler hinweglesen.


    Mittwoch, 29. Juli 2020

    Nach wie vor ist das ständige Umdenken und neu denken anstrengend.

    M geht im September nach England. Gastfamilie 1 musste absagen, weil die eigenen Kinder wegen Covid aus dem Ausland zurückkommen mussten, das Haus ist voll. Gastfamilie 2 sagte nun ab, weil sie plötzlich und unerwartet noch die Chance bekommen haben, vor dem vollständigen Brexit auszuwandern. Von Gastfamilie 3 hören wir bis Ende der Woche.

    "Vielleicht muss ich im Herbst dann sowieso zurück, weil eine zweite Welle kommt", sagt M. Wie sie das fände, frage ich. "Ach, eigentlich egal. Hat alles Vorteile, hat alles Nachteile."

    Momentan ist M bei den Großeltern, auch das scheint anstrengend zu sein. "Können wir am Freitag einfach nur zu Hause bleiben und den ganzen Tag zusammen Filme gucken und keiner spricht?", fragt sie.

    Ja, ich denke schon. Außer, es ist zu warm.

    Dienstag, 28. Juli 2020

    Vielleicht lohnt es sich, doch langsam wieder einen Terminkalender zu führen. Mir scheint gerade alles so durcheinander.

    Montag, 27. Juli 2020
    Versicherung gegen Tiere (und Duzen, vielleicht)

    Zu gerne wäre ich bei den Sitzungen dabei gewesen, in denen die Allianz Direct beschlossen hat, die Online-Kunden ab sofort zu duzen. Ohne dabei gewesen zu sein, kann ich mir nämlich absolut nicht erklären, wie dieser Irrsinn zustande kam.

    Jedenfalls habe ich heute eine neue KFZ-Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Nicht ausschließlich wegen des Duzens natürlich - wegen des Duzens dachte ich ein paar Tage lang, das Schreiben wäre irgendeine merkwürdige Werbung, aber dann war es doch so dick, dass ich genauer hinschaute und es war eine Kündigung verbunden mit einem neuen Vertragsangebot. Neben der Anrede war darin das Überraschende der Preis. Ich war überrascht und enttäuscht.

    Und wer hätte gedacht, dass es so viel Spaß macht, nach einer neuen Versicherung zu schauen. So viele interessante Themen zu bedenken! Von den rechtlichen Fragestellungen - ist die alte Versicherung schon gekündigt? Offiziell wohl ja, wobei "so eine" Kündigung vermutlich nicht gemeint ist? - bis hin zu persönlichen Präferenzen - planen Sie, in Ihrer Freizeit an Veranstaltungen teilzunehmen, bei denen es darum geht, die Höchstgeschwindigkeit Ihres Fahrzeuges zu erreichen? Nunja. Bisher nicht. Aber wenn man so fragt, vielleicht? Ich wüsste spontan zwar nicht, wozu, aber ich weiß bei vielen Dingen nicht wozu und probiere sie dann einfach mal aus.

    Auch interessant das Thema "Tiere". Manche Versicherungen versichern nur Zusammenstöße mit bestimmten Tieren, nämlich "Haarwild". Ob es das schon gibt, dass Versicherungsnehmer*innen nach einem Unfall mit einem Schaf (kein Haarwild) sich irgendwo noch schnell einen Hasen irgendwo beschaffen, um einen Haarwildunfall zu inszenieren? Das merken natürlich die Sachverständigen. Es ist kompliziert. Aber eben auch spannend!

    Ganz falsch lag ich bei meinen Gedanken über den Abschnitt "Bisse durch Tiere". Nilpferde oder Krokodile stellte ich mir vor und welchen Schaden die anrichten könnten, wenn sie in eine Karosserie beißen. Aber gemeint war Kleinzeugs wie Marder, die Leitungen anknabbern.

    Nunja. Mal sehen, ob die neue Versicherung mich auch duzt.

    Sonntag, 26. Juli 2020

    Ich hatte irgendwas Spannendes geträumt, als heute Morgen der Paketmensch klingelte, aber ich kann mich nicht mehr erinnern. Versuche es immer wieder, es war ein interessanter Traum, vielleicht kann ich ihn heute Nacht weiterträumen.

    Dafür war der Tag komplett ereignislos. Und dafür bin ich aufgestanden.

    Multiszenisch!

    Gestern Abend las ich noch einige Rezensionen zu Nasenhaartrimmern. Das kam durch einen Zufall zustande, nein, eigentlich eher durch einen Algorithmus: ich hatte wohl ein oder mehrere Produkte gekauft, für die sich auch die Käufer*innen von Nasenhaartrimmern interessieren und so wurde mir ein solches Gerät empfohlen.

    Ich gebe zu, ich war nicht uninteressiert. Mein Nasenhaarwuchs ist zwar nicht sonderlich stark ausgeprägt aber ich sah auf den ersten Blick, dass manche*r das Gerät wohl auch zum Trimmen der Augenbraue verwendet. Coronabedingt war ich seit irgendwann Anfang März nicht mehr zum Augenbrauenzupfen und ich sage mal so: ich habe zwar noch keine Monobraue, aber das ist nur meinen widerstrebenden Eigenbemühungen zu verdanken, die mir dazu noch schlechte Laune bereiten.

    Ich las also mit mäßigem bis etwa 65%igem Interesse und erfuhr dabei - ich muss sagen, mit sehr großem Erstaunen - dass das Nasentrimmgerät sogar multiszenisch angewendet werden kann. Als Beispiele waren das Bad und das Schlafzimmer genannt, ich bin unsicher, ob damit wirklich die Räume der Wohnung benannt wurden oder ob eher Bade- und Schlafzimmerszenen imaginiert werden sollten. Ich konnte beides, aber das tut hier nichts zur Sache, viel faszinierter war ich von dem Begriff "multiszenisch", für den ich mir gleich noch sehr viel mehr Anwendungsmöglichkeiten vorstellen konnte, als für den Nasenhaartrimmer an sich und beschloss also, es in meinen aktiven Wortschatz aufzunehmen. Gleich am nächsten Tag wollte ich das üben, und zwar drei Mal.

    Heute war der nächste Tag. Ich hatte natürlich alles längst vergessen, sprach aber am frühen Abend beruflich mit einer Person über das Fitness-Studio. Die Person beklagte den Umstand, dass die Vertragsraten, die ich erhandelt hatte, ihr weiterhin kein Handtuch bescheren und sie das Handtuch also weiterhin schon morgens einpacken muss, wenn sie abends nach der Arbeit zum Fitness-Studio geht, was nachvollziehbarerweise eine Herausforderung, wenn nicht gar eine Zumutung darstellt. Das Handtuch habe ich aber aus einer Historie heraus nicht mit hineinverhandelt, diese Historie ist der Person auch bestens bekannt, wir haben schon sehr häufig und sehr lang über Handtücher gesprochen. Ich sagte also gerade "Es tut mir leid, ich kann da nichts für Sie tun, aber wissen Sie, gehen Sie das doch mal mit Ihrer ganz persönlichen überzeugenden Wirkung an, also im Fitness-Studio, das kriegen Sie doch sicher hin, Sie müssen das als Spiel betrachten!" Woraufhin mir die Person beschied, das habe sie ja bereits versucht und sei auch bei einer jungen Mitarbeiterin beinah am Ziel gewesen, ein paar Mal hätte es schon ein kostenfreies Handtuch gegeben, dann sei diese junge Mitarbeiterin aber verschwunden und nun wären da nur lauter junge Männer und die Situation dadurch in höchstem Maße erschwert. Gleich zeigte ich mich hilfsbereit, ich sagte. "Finden Sie dort doch mal heraus, wer der P ist, den kenne ich recht gut. Sie dürfen ihn herzlich von mir grüßen und vielleicht kommen Sie dann ja ins Gespräch über ein Handtuch!" Die Person war erfreut und begeistert, das sei ein guter Ansatz, man könne das durchaus auch mal so versuchen. Und da viel mir das schöne Worte "multiszenisch" wieder ein und ich antwortete: "Das denke ich auch! Sie müssen diese Sache multiszenisch angehen! Das wird schon klappen, berichten Sie mir gerne!" 1/3!

    Später saß ich am Bahnsteig. Viele Menschen trugen Masken, wenige Menschen nicht, auf den Bildschirmen über dem Gleis wurde auf Masken hingewiesen und auf Abstand und die Dame, die mit mir auf einer Bank saß, sagte trübe: "Ich glaube nicht, dass wir das jemals in den Griff kriegen, was glauben Sie denn?" - "Ich glaube, wir haben das schon viel besser im Griff als vor ein paar Monaten, weil wir immer mehr wissen", sagte ich. - "Aber bis zu einem Impfstoff werden wir nichts mehr machen können und ob es einen Impfstoff geben wird ist ungewiss!", gab die Dame zu bedenken. "Das stimmt, wir wissen nicht, ob es einen Impfstoff geben wird - aber das das ist doch nicht das einzige ausschlaggebende, es wird viel geforscht und das wirkt sich auf so vieles aus: wir wissen besser über Übertragung und damit über Schutz bescheid, vielleicht werden hilfreiche Medikamente gefunden oder die Risikofaktoren klarer, es wird nie nur eine einzige Sache sein, auf die es, wir sollten das multiszenisch betrachten!" - Multiszenisch 2/3

    Auf dem Heimweg war ich nachdenklich. Ich plante keine weiteren Konversationen mit Fremden mehr und in einem Gespräch mit Mann oder Kind die dritte Verwendung einzubringen erschien mir wie Pfuschen. Ich holte bei den Nachbarn noch ein Paket ab, der Nachbar war aber kurz angebunden. Auch bei dem Paket, das ich zu späterer Stunde für andere Nachbarn annahm und das sie auch noch abholten, bot keine überzeugende Gelegenheit.

    Aber ich hatte Glück! Es kam eine berufliche Mail, auf die ich sowieso noch reagieren musste, wenn ich nicht alles mögliche verzögern und anderen Unannehmlichkeiten bereiten wollte, die Mail befasste sich mit der Frage, wie die Rechnungen, die ich freigegeben hatte, sich mit meiner zuvor eingereichten Kostenplanung zu einer Nullsumme zusammenrechnen würden. Als Spoiler: gar nicht. Aber "mit gutem Gewissen" gar nicht, denn nur nicht, wenn man auf dieses eine spezielle Projekt schaut, das deutlich über dem Budget liegt. Was ich aber in Kauf genommen hatte, weil durch die vorgenommene Änderung drei andere Projekte deutlich unter dem für sie jeweils geplanten Budget liegen, das wäre sonst nicht möglich gewesen. Wenn man also nicht nur auf einen kleinen Teil schaut sondern auf das große Ganze, dann gab es durch die Änderung Einsparungen und das erklärte ich unter der wunderbaren Verwendung der in diesem Moment - vielleicht erfundenen - englischen Übersetzung "we should not simply look at one budget item, it is a polyscenic situation and quite complex". 3/3.

    Und bisher hat noch niemand "bullshit" geantwortet, vielleicht komme ich sogar damit durch.

    November seit 6608 Tagen

    Letzter Regen: 26. April 2024, 21:16 Uhr