(Was WmdedgT ist und die anderen Beiträge dazu findet sich hier bei Frau Brüllen).
Heute war mein Rückreisetag aus Berlin. Dank Zugausfall konnte ich ja fahren, wann ich wollte, stellte mir also überhaupt keinen Wecker und wachte einfach irgendwann im Hotel auf. Es war hell und schon betriebsam draußen und auf den Fluren, also öffnete ich die Augen etwas weiter, las irgendwas mit kurz vor 9 auf dem Wecker und beschloss, aufzustehen. Eine halbe Stunde später war ich mit allem fertig - in so einem Hotelzimmer hat man nicht wirlklich viel zu erledigen und Sachen sind schnell in den Koffer geworfen - und folgte dem kurzen Geistesblitz, online noch schnell eine Sitzplatzreservierung für die Rückfahrt zu machen. 11:09 erschien mir eine gute Zeit, ich wollte nämlich gerne im Hotel frühstücken, dazu war ich wegen lang geschlafen und viel vor überhaupt nur einmal gekommen und an dem Tag war ich etwas indisponiert gewesen und hatte mich daher eher auf die Getränke konzentriert.
Beim Auschecken machte mich die Frau am Empfang dann leicht kirre, es wäre Feiertag und sowieso alles schwierig mit den Bahnen und Taxi echt besser oder zumindest sollte ich mich jetzt wirklich beeilen und nicht noch einen Kaffee trinken, also folgte ich immerhin dem letzten Ratschlag mit dem Erfolg, dass ich mehr als eine halbe Stunde zu früh am Bahnhof stand. War aber nicht schlimm, ich vertrieb mir die Zeit damit, anderen Reisenden Fragen zu beantworten. Wo es zur S-Bahn geht, wie der Wagenstandanzeiger abzulesen ist, wieso der Zug nicht im Aushangfahrplan erscheint, so etwas halt. Kurz dachte ich, mir wächst eine DB-Uniform, aber dann war es doch nicht so.
Der Zug war rappelvoll, neben mir saß der weibliche Teil eines etwas komplizierten Paares, die sich gegenüberliegende Plätze am Fenster reserviert hatten, es nun aber schwierg fanden, dass der männliche Teil des Paares dann neben einer fremden Frau sitzt (die vierte im Vierersitz war auch weiblich). Es wurden alle möglichen Kombinationen überlegt, ich hielt mich da völlig heraus, sagte nur, ich würde alles mitmachen, Gang, Fenster, gegen oder in Fahrtrichtung, neben Mann, neben Frau, alles egal. Schließlich durfte ich einfach auf meinem Platz sitzenbleiben (Fahrtrichtung, Gang), die meiste Zeit jedenfalls, denn die komplizierte Frau musste auf der Strecke zwischen Berlin und Erfurt (ca. 2 Stunden) 3 Mal aufs Klo und 2 Mal ins Restaurant. Fand ich auch nicht schlimm, sie aber und sie regte sich jedes Mal etwas mehr auf. Es ist mir ein Rätsel, wieso sie sich nicht einfach weniger kompliziert benahm, wenn es sie doch so anstrengte.
Internet gab es auf der Strecke meistens nicht; ich vertrieb mir die Zeit damit, zu versuchen, Internet zu haben, zu lesen und aus dem Fenster zu schauen.
Nach 4,5 Stunden stieg ich um, dabei setzte sich dann eine Frau mit sehr wilden Haaren, Schlaghose mit Glitzersteinchen und Glitzerschuhen zu mir und sagte: "Wir sind dann wohl die Exoten hier!"
Ich nahm das erstmal nur zur Kenntnis, konnte aber an mir überhaupt rein gar nichts Exotisches feststellen, also beschloss ich, nachzufragen. Und tatsächlich: es war nur ein Witz. Die Glitzerfrau erzählte mir, sie würde immer so etwas sagen, denn sie fände es lustig, wie die Leute dann reagieren. Nachgefragt, was sie damit meint, hätte übrigens noch nie jemand. So kamen wir ins Gespräch und sie erzählte, dass sie nach Köln zum Karaoke fuhr. Vielleicht machen wir da bei unserem Frankfurter Karaoke irgendwas falsch. Vielleicht komme ich beim nächsten Mal auch mit wildem Haar und aufgeglitzert.
Dann war ich auch schon zu Hause und außer mir war dort niemand bis auf die Katzen. Zum einen ist es natürlich sehr entspannt, nach einer Reise erstmal in Ruhe runterzukommen, alles zu verräumen und sich auszustrecken. Andererseits ist es natürlich unschön, überhaupt nicht wild willkommensbejubelt zu werden. Ich bin zwiegespalten, aber nicht unzufrieden.
Besonders großen Spaß habe ich oft an Sachen, die ich überhaupt nicht kann, und deshalb besuchte ich heute morgen den Workshop von @e13kiki zum Thema "Binge-creating statt Binge-watching" - Kiki geht es darum, dass es doch eine schöne Angewohnheit wäre, jeden Tag auch ein bisschen selbst etwas zu machen statt nur zu konsumieren. Generell ein Schuh, den ich mir eher nicht anziehen muss aber es geht ihr speziell ums Zeichnen und Zeichnen kann ich, finde ich, überhaupt nicht, habe ich auch ewig nicht gemacht und fühle mich damit generell eher unwohl. Ein Großonkel von mir, der früher Postkartenzeichner war und auch Bilder verkauft hat, versuchte mal ein Wochenende lang, mir das Zeichnen eines Schweins beizubringen und ich sag mal so: wir sind schon am Ringelschwänzchen gescheitert.
Im Workshop waren natürlich 99% anderer Menschen die sagten, sie könnten nicht zeichnen, und genau wie ich nahm sicher auch jeder an, dass die anderen aus den 99% schamlos lügen, um sich später zu profilieren. Trotzdem führten wir alle brav die erste Übung aus: erst ein Huhn auf Stelzen zeichnen, das auf eine Figur aus Star Wars trifft. In 3 Minuten oder so. Das Bild dann auf Twitter oder Instagram veröffentlichen. Sich zum Horst machen gehört wohl dazu. Schauen Sie hier: Es handelt sich dabei um das Huhn auf Stelzen, das in sein Nest schaut und fürchterlich indigniert ist, denn in dem Nest liegt jetzt ein kleiner R2D2 und hat dafür ein Ei rausgeschmissen.
Kiki sagt, man bräuchte zum Zeichnen kein Talent und alles würde durch etwas Übung definitiv besser. Ich bin nicht ganz sicher, ob ich vorbehaltlos zustimme. Sicher wird zunächst einiges besser, einfach durch mehr Übung, durch etwas Ausprobieren und kleine Geistesblitze. Aber ob sich nach einem ersten Schwung noch wesentliche Veränderungen ohne irgendeine Art von Anleitung oder Reflektion ergeben, weiß ich nicht. Eins ist aber recht sicher, denke ich: schlimmer wird es nicht durch Ausprobieren. Deshalb kommen Sie ab jetzt für den nächsten Monat in den Genuss eines Symbolbildes pro Blogeintrag.
Als nächstes schaute ich mir den Vortrag "Shift+Utopie+Del" von Eric Jarosinski (@NeinQuarterly). Ich habe keine Ahnung, worum es genau ging, aber es war sehr unterhaltsam. Dann wanderte ich weiter zu "Nichts als die "Wahrheit" - warum Lügengeschichten im Internet so gut funktionieren." Es ging hier um (absichtliche) Falschmeldungen, Fakes und Mythen, um die Psychologie hinter Lügengeschichten und deren Funktionsweise, um die Erschaffung von Parallelrealitäten, um irreführende Formulierungen, um die Schwierigkeit von Richigstellungen, vorgetragen von Ingrid Brodnik. Und von da aus weiter zu "Meine Oma ist kein Mythos - Wie die Facebook-Kommentarspalte die Geisteswissenschaften rettet" von Charlotte Jahnz und Moritz Hoffmann. Thema war hier die Bedeutung von geisteswissenschaftlicher Forschung für gesellschaftspolitische Debatten im Netz.
Als nächstes - ja, ich war viel unterwegs heute - "Terror Ernst nehmen, Terroristen auslachen". Hier zwei Speakerinnen von den Datteltätern, Farah Bouamar und Nemi El-Hassan sowie Miriam Seyffarth,
Sascha Stoltenow und Thomas Wiegold und auch hier ging es wieder um - wie Thomas Wiegold sagte - den Kampf um die Köpfe, darum, dem Terror, der sich aus Angst, Misstrauen, Panik in den Köpfen nährt, etwas anderes entgegenzusetzen und zwar in diesem Fall Humor/Satire und auch neutrale Berichterstattung - dazu gab es verschiedene Beispiele, besonders amüsiert hat mich das Meme Allahu Quackbar, die Super Mario Isis Edition und natürlich Isis Karaoke.
Und von dort aus musste ich mich dann schon zur Techniktagebuch-Session beeilen, dort ging es um "die mühsamsten Logins, die umständlichsten Benutzeroberflächen, die dysfunktionalsten Free-WiFi-Vorschaltseiten, die kompliziertesten Newsletter-Abmeldungen", passenderweise funktionierte am Anfang der Computer zum Präsentieren nicht und wurde zwischendrin nochmal zum Absturz gebracht, das fügte sich, wenn auch ungeplant, sehr gut in den Vortrag ein.
Feierabendbier mit @krieglich und dann noch weiteres Bier mit einem Teil der Techniktagebuch auf der Abschlussparty, Feuerwerk, und dann wurde es auch kalt und spät und müde.
Nächstes Jahr wieder, denke ich mal.
Leichte Startschwierigkeiten am Morgen, ich konnte mich nicht so recht aufraffen schon 7 Stunden nach dem Eintreffen im Hotel wieder neu unter tausende Menschen aufzubrechen und strich daher mein Vormittagsprogramm. Lieber ein bisschen im Hotelzimmer abhängen, dann aber notgedrungen (Durst!) zum Hotelfrühstück. Nach 3 Kaffee, 3 Wasser und 3 Grapefruitsaft war alles enorm viel besser und ich bekam auch langsam Appetit und dann gingen auch Menschen wieder. In dunklen Räumen herumsitzen und aufmerksam lauschen ging aber noch nicht wieder so gut, daher sah ich nur einen Vortrag bewusst und in den zweiten geriet ich zufällig.
Der Vortrag, den ich absichtlich sah, war "Raster des Hasses" von Carolin Emcke - leider wurde er nur gestreamt, nicht aufgezeichnet. Ganz grob zusammengefasst ging es im dem Vortrag darum, dass Hass nicht spontan aus sich heraus entsteht, sondern eine Vorgeschichte hat, vobereitet und kanalisiert wird und dass die Personen(gruppen), denen Hass entgegenschlägt, als Stellvertreter für eine Idee gehasst werden, nicht aufgrund ihres persönlichen Wesens. Ihr persönliches Wesen wird gar nicht mehr gesehen, sie werden als Mensch unsichtbar und mit einer anderen Wirklichkeit übermalt, als "Andere" und damit gefährlich/pervers/monströs markiert. Unsere Aufgabe ist es, diesem Hass seine Selbstverständlichkeit zu nehmen. In Frage zu stellen und genau hinzuschauen, auch die zu sehen, die nicht unser Ebenbild sind in Bezug auf z.B. Status, Rasse, Religion oder Sexualität. Zu differenzieren und zu zweifeln, auch an uns selbst. Wirklich sehr schade, dass das nicht aufgezeichnet wurde.
Auf verschlungenen Wegen landete ich später im Vortrag "Das Internet ist ein guter Ort, wenn wir es gemeinsam dazu machen" von Johannes Korten, sehr angenehm vorgetragen, in dem es zunächst um die Aktion "Ein Buch für Kai" ging und im Anschluss noch kurz um andere Fälle, bei denen Fremde jemandem in einer Notlage unter die Arme griffen.
Danach ging ich zur Toilette und traf dort - ich kam, sie ging - eine Freundin, die ich seit etwa 6 Jahren weder gesprochen noch gesehen hatte, obwohl es nie einen Steit oder ähnliches gab (wobei, so ganz stimmt das nicht, sie hat mir im November zum Geburtstag gemailt und ich habe bis heut nicht geantwortet - weil ich nicht einfach irgendwie so, sondern besonders gut antworten wollte und es mir - das ist der eigentliche Knackpunkt - in irgendeiner verqueren Logik offenbar sinnvoller erschien, gar nichts zu schreiben als halt einfach ein paar Zeilen, die nicht ganz das ausdrücken, was ich sagen wollte, aber doch definitiv besser sind als nichts. Ich habe übrigens noch zwei ähnliche Fälle im Postfach. Die werde ich sofort beantworten. Also: morgen, jetzt bin ich so müde, da kommt da nichts Vernünftiges bei herum. Logisch.)
Ansosten den ganzen Tag über Abhängen mit vielen netten Leuten, die ich teilweise zum ersten Mal sah, und schon war es 18 Uhr und Bier-und-@krieglich-Zeit und dann gingen wir essen und der Hotelportier war des Lobes voll, dass er mich mal vor Mitternacht zu Gesicht bekam.
So, nun:
Jaja, Berlin hat auch Karaoke und Karaokewillige, die sich aus Mitliedern der Techniktagebuchredation zusammenfanden. Es läuft dort etwas anders als wie mir bisher bekannt, nämlich gibt es einen großen Raum mit Bühne und in diesen großen Raum eingebaut kleine Kabinen die etwa 6 Personen Platz bieten. Vorbestellen kann man die nicht, man geht hin und wartet, bis eine frei wird.
Als wir ankamen wurde uns aber gleich am Eingang gesagt, es sei heute Multisexual Boxhopping. Allerdings klingt auch das etwas vollmundiger, als es ist, denn eigentlich bedeutet es nur, dass die Kabinen nicht privat sind sondern Personen jeglichen Geschlechts, auch diejenigen, die sich nicht zuordnen möchten, zu anderen Leuten in die Kabine kommen können. Zum Singen natürlich.
Es war zu Beginn im Hauptraum noch völlig leer und wir schauen eine Weile schüchtern durch die Glaswände in die Kabinen; sortierten uns dann - hauptsächlich aus Platzgründen, wir waren schon vier und erwarteten eine fünfte Person - zu zwei Frauen, die wir unabsichtlich binnen einer halben Stunde qua Gesang vertrieben.
Als wir gegen 2 Uhr morgens das Etablissement verließen, hatte es sich deutlich gefüllt und jetzt waren auch sehr viele unterschiedliche Personen anwesend, bei vielen hätte ich mir auch nicht angemaßt, auseinanderzusortieren welchem Geschlecht sie nun angehören. Wobei ich auch nicht weiß, welche Relevanz das für Karaoke hat. Bei den Toiletten war es jedenfalls elegant gelöst, es gab einen Eingang für Boys, für Girls und für "not sure". Wie es sich meinem biergeschwängerten Blick darstellte, führten alle Türen letztendlich in denselben Raum, aber genau weiß ich es nicht.
Nachdem ich bei der Anreise dem Endgegner "Schienenersatzverkehr" elegant ausgewichen war, wagte ich mich aber gestern an "Nachtbus" und siehe da: wo man Gerüche aus dem Bodensatz des Nachtlebens erwartet, steigt die Berliner Jugend höchst parfümiert ein und die Gespräche, in denen man einbezogen wird, drehen sich um Samuel Beckett und die Frage, in welcher Sprache man ihm am besten lesen sollte und ob das Englische als Sprache der Philosophie überhaupt taugt. Das war überraschend.
Achso, falls irgendwen interessiert, was für Vorträge ich mir tagsüber angehört habe:
Ich war morgens direkt um 10 Uhr zum Eröffnungsvortrag, also nicht eine der Keynotes zu den Themen sondern das allgemeine Dings. Bei so etwas erwartet man naturgemäß nicht viel, daher fand ich ihn überraschend herzlich und interessant.
Danach ging ich zu Gesellschaft -it's broken, let's fix it, was mich in sprachlicher Hinsicht Überwindung kostete, erstens mag ich diese Deutsch-Englisch-Mischungen nicht und zweitens finde ich die Wendung "blablabla ist kaputt" so abgegriffen, dass sie mir Gehirnbrechreiz bereitet. Ähnlich übrigens wie "blablablabla. Nicht." Und noch viel mehr, aber das behalte ich für mich, immerhin ist es mein Problem, nicht Ihres und wie gesagt, ich arbeite an der Überwindung und ging also zu diesem Vortrag, unter anderem, weil Claudia Roth kommen sollte, die hatte ich letztes Jahr schon in einem Panel gesehen und fand sie eine sehr angenehme Rednerin und war besonders überrascht, dass sie ganz ausgezeichnet Englisch spricht. Claudia Roth kam aber gar nicht, interessant war es trotzdem, das grobe Thema war Möglichkeiten des Dialogs zwischen Gutmenschen und Neonazis im Netz und es sprachen Personen von der "Front", unter anderem Frank Richter, der Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (andere Leute haben auch schwierige Jobs...), und Caroline Mohr, die bis vor kurzem das Social Media Team bei BILD leitete. Fand ich sehr interessant und nahm für mich das Fazit mit, dass natürlich das schnelle, einfacher, anonyme/pseudonyme Medium Internet einen Verstärker darstellt, das Grundproblem aber eines der Haltung, der Ethik ist.
Danach schaute ich mir eine Einführung in Sketchnotes an. Eins der vielen Dinge, die ich eben nicht kann, ist Zeichnen, und für die Eindordnung des eigenen Egos in der Welt ist es immer mal wieder gut, sich mit den Dingen, die man nicht kann, auseinanderzusetzen. Sketchnotes heißt groß, sich Notizen zu etwas nicht in ausschließlich verbaler linearer Form zu machen, sondern mit Zeichnungen, Symbolen und eben eher vernetzt als linear, wie eine Mindmap. Mindmaps sind immer schon mein Ding, eben weil Angelegenheiten, zu denen ich mir Notizen mache, tendenziell eher komplex als einfach strukturiert sind. Es gab also eine Einführung in Grundtechniken, mit denen auch Zeichenunbegabte sich auf Papier nonverbal ausdrücken können, fand ich sehr hilfreich. Zum Einstieg sollte man allerdings, um das Eis zu brechen, innerhalb von 30 Sekunden seinen Sitznachbarn zeichnen und das Portrait mit einer kleinen Widmung überreichen. Ich schrieb nur "Sorry!" drunter. Meine (mir unbekannte) Sitznachbarin war sowohl im Zeichnen als auch im Beschriften souveräner:
Aber ja, das Eis war gebrochen.
Danach ein weiterer Vortrag, The courage of compassion - hier sah ich nach zig Jahren Herrn Giardino wieder, das war sehr schön denn er ist einer von den Menschen, bei denen man sich sofort ein Stück wohler fühlt, wenn man sie sieht. In dem Vortrag berichtete Heather Armstrong über den Umgang mit Hasskommentaren. Heather Armstrong ist eine sehr bekannte Mommy-Bloggerin - ich kannte sie vorher nicht, aber das liegt an meiner selektiven Wahrnehmung, 1,5 Millionen Follower auf Twitter können ja nicht irren. Sie sprach über die unterschiedlichen Ansätze, die sie im Umgang mit solchen Kommentaren ausprobiert hatte, von löschen/ignorieren über auf ein Extrablog auslagern und dort Werbung schalten (innerhalb einer Woche nahm sie damit um die 7000 Dollar ein) aber ihr Fazit war, dass man diesen Leuten mit Empathie, Zuneigung, Mitleid begegnen sollte, denn nur ein Bruchteil wären ausgemachte Psycho- oder Soziopathen, die meisten hingegen hätten ein Problem, und zwar mit sich selbst, nicht mit denjenigen, auf die sie es durch ihre Kommentare projizieren. Das letzte Stück dieses Satzes ist ein Gedanke, den ich komplett teile. Nur das Fazit, dass man eine Hand reichen sollte, kann ich nicht teilen, wobei, doch, in der Theorie schon, in der Praxis habe ich meine Weltrettungsphantasien aber vor einiger Zeit schon aufgegeben. Wenn ich am Tag - wie Frau Armstrong - hunderte enorm schwierige Kommentare bekäme, hätte ich weder die Zeit noch die Energie mir um all diese Personen Gedanken zu machen und ihnen eine virtuelle Hand zu reichen. Zum Glück habe ich aber nur ein kleines Spaßblog und, soweit ich mich erinnern kann, überhaupt noch nie irgendeinen Kommentar gehabt, den ich als Hasskommentar einordnen würde. Interessant war es trotzdem.
Dann wollte ich mir noch alles mögliche andere anschauen aber traf so viele Menschen und erfreulicherweise auch @rebekka_m inklusive Froschfüßen (einself!), dass ich nur noch zum Vortrag von Anne Schüßler mit dem Thema Designing the future – How science fiction can help us change the world ging. Ich lese ja gerne Science Fiction, wenn einem die Sinnhaftigkeit dieses Hobbys mit Bezug zu Weltrettung frei Haus geliefert wird, sollte man sich nicht sträuben. Mitgenommen habe ich auch ein paar schöne neue Buchtipps.
Eigentlich wollte ich mir dann abends noch Sascha Lobo anhören, weil ich den überhaupt noch nie gehört hatte und es ja irgendwie wohl dazu gehört. Allerdings hatte mir zu diesem Zeitpunkt @moeterhead schon gesagt, dass sie aus Bayern kommt und wir daher wohl schon Bier trinken könnten. Die Entscheidung musste also zwischen Bierbank in der Maisonne und Stehplatz in der dunklen klimatisierten Halle fallen und, naja, ich denke mal, den Vortrag wird man sich im Nachhinein wohl (wie die meisten anderen auch) auch auf Youtube anschauen können.
Ich kann mich nicht beklagen bisher. Berlin scheint es gut mit mir zu meinen. Ich hatte das schon letztes Jahr gesagt: irgendwas passt hier.
Sie müssen wissen: der April hat mich ziemlich durchgerüttelt. Ich war deshalb gar nicht sicher, ob ich verreisen möchte. Mir passiert das selten, ich habe nicht so richtig Erfahrung damit, aber wenn ich so ein bisschen aus dem Gleichgewicht bin, habe ich das Gefühl, ich bin zu Hause auf der Couch besser aufgehoben, da kann ich dann gut sitzen, mit Katzen auf mir drauf, und mich an dem erfreuen, was ich habe. Abenteuerlust ist aus derzeit. Und dann sagten auch noch so gut wie alle alle Verabredungen ab, inklusive Frau Herzbruch, alle haben zu viel zu tun. Und es ist ja nicht so, dass ich nichts zu tun hätte. Nur habe ich diese Bockigkeit, nichts abzusagen, nur weil ich gerade mal durchgerüttelt bin oder alles nicht so ist, wie ich dachte, und deshalb empfand ich die Tatsache, dass meine Züge alle wegen Baustelle gestrichen wurde, auch nicht gerade als "Zeichen". Außer als Zeichen, dass ich jetzt komplett machen kann, was ich will. Kein fester Zug, keine feste Verabredung, das bedeutet natürlich gleichzeitig auch: völlig frei.
Und jetzt bin ich also hier. Und wurde gleich auf dem kurzen Weg zwischen Zug und S-Bahn schon von vier Personen nach irgendwas gefragt und konnte hilfreich antworten, nur bei irgendwas mit "Zoologischer Garten" und/oder "Tiergarten" geriet ich etwas ins Straucheln, das schien mir aber auch keine Anfängerfrage zu sein. Der alte Empfangsherr im Hotel erkannte mich verblüffenderweise wieder ("Sie kamen ja letztes Jahr immer so spät und so allein!"), hatte aber zum Glück dieses Mal nicht das Zimmer vorgeheizt. Berlin ist auch so schon wieder warm genug. Und dann traf ich mich auch schon mit @krieglich und wir fuhren zu pre:publica und trafen Leute und tranken Bier, bis es keins mehr gab und fuhren dann wieder zurück und tranken mehr Bier und saßen an einem Brunnen herum und ein fremder kleiner dicker Hund kam kuscheln.
Und nein, ich kann mich wirklich nicht beklagen bisher.
Jetzt hätte ich heute echt beinahe das Bloggen vergessen, ist mir nur eingefallen, weil jemand kommentiert hat. Ich komme aber auch wirklich zu nichts im Moment, seit gestern Nachmittag versuche ich, ein Bier zu trinken, aber ich schaffe es einfach nicht, der Zeitpunkt ist immer gerade ungünstig. Vielleicht gleich. Vorher muss ich aber noch kurz etwas erledigen.
Frau N: Größten Kaffee der Welt mit extra Espresso und ein Croissant bitte.
Kaffeefrau: 6,30 bitte.
Frau N: Hier ein Gutschein über 5,77 und den Rest mit der Kundenkarte.
Kaffeefrau: (transaktioniert) Hmhmhmhm, da fehlen noch 27 Cent.
Frau N: Hm? Sicher? Auf der Karte waren gestern noch über 20 Euro.
Kaffeefrau: Doch, das steht hier.
Frau N: Können Sie mal schauen, wieviel auf der Karte ist?
Kaffeefrau: Hmhmhm 23eurodingsda
Frau N: Und die 27 Cent können Sie nicht abbuchen?
Kaffeefrau: Nein, komisch, aus irgendeinem Grund geht das nicht.
Frau N: Na egal, dann bezahle ich die bar, daran soll es jetzt nicht scheitern.
Kaffeefrau: Nein ich möchte das herausfinden!
Frau N: Nee, hier, bitte, ich will doch nur Kaffee, nehmen Sie einfach das Geld.
Kaffeefrau: Alles muss seine Ordnung haben, warten Sie mal, ich drucke mal alle Transaktionen aus.
Frau N: Neinneinnein, nehmen Sie das Geld.
Kaffeefrau: Das dauert gar nicht so lange, wie es aussieht.
Frau N: Bitte! Ich gebe Ihnen auch mehr, nur für den Fall, dass. 1 Euro. 5. Wie viel wollen Sie? Ich will mich freikaufen!
Kaffeemann (seit über 10 Jahren bekannt): N., komm runter, sonst mach ich dir entkoffeiniert.
Frau N: Ich bin echt unter Strom heute, das hat mit euch nichts zu tun. Nehmt mein Geld aber lasst mich gehen, ich hol den Rest später ab. Ihr habt mein vollstes Vertrauen! (trippelt auf der Stelle)
Kaffeemann: Entkoffeiniert!
Frau N: (rauft sich die Haare) Achso, gerade fällt mir auch ein, was passiert ist, alle gut zuhören: der extra Espresso kostet 80 Cent, aber dann hat das Ding die Kundenkarte erkannt und weil ich Superkundin bin kriege ich extra Espresso kostenlos, also 80 Cent runter, also nur noch 5,50 und dann war der Gutschein zu hoch aber ihr dürft sowieso nicht drauf rausgeben, die 27 Cent sind ein Guthaben, kein offener Betrag, da steht tatsächlich auch -0,27 auf der Kasse, schaut... gebt mir den Kaffee und lasst mich gehen!
Kaffeemann: (gibt Kaffee)
Kaffeefrau: Hä?
Frau N: Alles ist geklärt. Die Nachbesprechung bitte ohne mich. (rennt weg)
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Koffein drin war.
In der Bahn.
Fremder alter Mann gegenüber: (winkt vor meinem Kopf und wilde Mundbewegungen)
Frau N: (nimmt Kopfhörer raus) Hm?
FM: Meine Brille ist nicht von Fielmann!
Frau N: Ah. Meine auch nicht.
FM: Von wo ist Ihre?
Frau N: Hab vergessen, wie der Laden heißt. Der ist bei mir auf der Ecke. Irgenwas mit Pumuckl* oder so.
FM: Meine ist Gleitsicht!
Frau N: Ich bin bloß kurzsichtig. Bisher.
FM: Gleitsicht ist sehr teuer.
Frau N: Kommen Sie denn gut damit klar?
FM: Ich komm mit allem klar. Mit allem komm ich klar.
Frau N: Auch eine schöne Gabe.
FM: Nur mit einem komm ich nicht klar!
Frau N: Aha. Jetzt haben wir es!
FM: Raten Sie, mit was!
Frau N: Mit dem Wetter.
FM: Quatsch.
Frau N: Okay. Mit Insekten.
FM: Haben Sie Angst vor Spinnen?
Frau N: Nein.
FM: Wovor haben Sie Angst?
Frau N: Vor Krankheiten.
FM: Sehr klug. Raten Sie weiter. Einen Versuch haben Sie noch.
Frau N: Ich weiß es. Sie mögen keine Haut auf dem Pudding, damit kommen Sie nicht klar. Oder mit warmem Bier oder wenn einem ein Wort auf der Zunge liegt und man findet es nicht, oder...
FM: Sie schummeln! Und es ist alles falsch. Ich komme mit der Frau da drüben nicht klar. (zeigt auf Frau im 4er gegenüber)
Frau N: Ach, lassen Sie das, das will ich nicht hören.
FM: Wollen Sie nicht wissen, warum?
Frau N: Nein.
FM: Warum nicht?
Frau N: Kennen Sie die Frau?
FM: Nä! Die hat ja nicht mit mir gesprochen.
Frau N: Und damit kommen Sie nicht klar? Wie blöd von Ihnen. Ist doch keine Pflicht, sich in der Bahn zu unterhalten.
FM: Sie reden ja auch mit mir. Warum reden Sie mit mir?
Frau N: Weiß nicht. Das hat sich halt ergeben. Sie haben ja angefangen.
FM: Ich kann Ihnen sagen, warum!
Frau N: Ahja. Bitte.
FM: Es liegt an Ihrer Brille! (steigt aus)
So, jetzt wissen wir es.
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*der Laden heißt tatsächlich "Kruse", ist mir mittlerweile eingefallen. Die Verbindungslinie von Pumuckl zu Kruse müssen Sie selbst ziehen.
"Was schlurfst du hier so entlang?" ruft mir die D. zu und ich zucke kurz zusammen, weil ich nur vor mir auf das nasse Pflaster gestarrt und die D. dabei komplett übersehen hatte. Dabei kann man die D. nicht wirklich gut übersehen, sie ist eine imposante Erscheinung und immer doppelt so farbig wie ihre Umgebung gekleidet. Sie stand da mitten im Weg, aß diverses Gebäck aus einer Papiertüte, krümelte unglaublich und ein paar Tauben wuselten schon um sie herum. Dazu hatte sie ihre Tochter dabei, die im strömenden Regen Seifenblasen blies.
Ich murmelte irgendwas. "Was?! Was soll das Mausepiepsen. Sprich lauter!", ordnete die D. an. "ALLES MIST" brüllte mich im im Gesangsunterricht erlernter Bruststimme. Die D. zuckte mit keiner Wimper. "Job?" - "Ja!" -"Wetter?" - "Ja!" - "Glück im Spiel, Pech in der Liebe?" - "PECH im Spiel!"
Die D. amüsierte sich. "Da kannste zwei Sachen machen", sagte sie. "Entweder blöd herumschlurfen - oder drauf scheißen!" Dann brach sie in Gelächter aus, drückte mir ein 2/3 aufgegessenes Schokocroissant in die Hand und entschwand, ihre Tochter an der Hand, in einer Wolke aus Seifenblasen.
Gestern Vormittag war ich noch in der Apotheke, um eine Handcreme zu kaufen. Ich habe seit rund 11,5 Jahren kaputte Hände, mal mehr, mal weniger, das kommt daher, dass Mademoiselle als Baby im Krankenhaus war und man ständig die Hände desinfizieren musste und dabei ist wohl irgendwas (also: die Haut) nachhaltig kaputtgegangen. Wenn es also kalt wird oder die Luft sehr trocken oder irgendas persönliches reißen mir die Fingerknöchel auf, das Ganze fängt an zu jucken und so weiter und nach ein paar Tagen sieht meine Hand so aus, als hätten die Katzen sie einmal kräftig durchgekaut. Drogeriecreme reicht meist nicht, um den Schaden zu beheben, es brennt meist auch und dann wird die Hand zusätzlich rot und dick und so weiter, also Apotheke.
Leider konnte ich mir in den letzten 11 Jahren nie merken, welche Creme für mich gut ist. So eine Cremetube reicht für länger, als ich sie brauche, dann verlege ich sie und wenn dann nach ein paar Monaten wieder was mit den Händen ist, hab ich alle bisherigen Erkenntnisse außer "Drogerie geht nicht gut" vergessen.
Also Apotheke, Hände vorzeigen, lauschen, wie die Apothekenfrau die Luft zwischen den Zähnen einzieht und irgendein Produkt zum Testen aufgeschmiert bekommen. Gestern sofort ein Treffer, fühlte sich gut an, kein Brennen, Jucken hörte sofort auf, zog schnell ein. Ungefragt erzählte mir die Verkäuferin noch eine ganze Menge Stuss über das Produkt. Dass die Tube unansehnlich sei, aber das habe einen Sinn, nämlich würden die ganzen hochwertigen Wirkstoffe durch Plastik entweichen, weshalb man eine Alutube verwenden müsse, es wäre dies und das und jenes (irgendwelche Pflanzennahmen einfügen) drin und, besonders wichtig, KEIN Urea, das sei nämlich mit Sicherheit das, was ich nicht vertrage, sehr aggressiver Stoff. Und - etwas ganz besonderes noch, sagte die Frau: Ich könne die Creme sogar auch für die Füße verwenden! Hier erwartete sie irgendwas, ehrfürchtiges Staunen vielleicht.
Seit gestern verwende ich diese unglaubliche Zaubercreme also und heute ist schon alles viel besser. Und - was die Frau aber unerwähnt ließ, vermutlich wusste sie gar nicht davon: die Creme macht auch gute Laune. Ich bekomme jedenfalls jedes Mal einen kleinen Lachanfall, wenn ich die Tube mit fett "10% Urea" drauf sehe und an den Vortrag in der Apotheke denke.