12.
Ich kann einfach nicht mit Zahlen.
Beispielsweise sieht man an der Überschrift, dass mir irgendwo neulich wohl rund 130 Tage* "abhanden" gekommen sind. Ich muss bei den Geburtsjahren meiner Geschwister sehr nachdenken, ich weiß nicht, wie viel Geld ich verdiene und auch nicht auswendig, wie viele Mitarbeiter ich habe. Wenn ich im kleinen Einmaleins etwas rechnen muss, zähle ich heimlich mit den Fingern mit, wenn ich in einen Zug einsteigen will, kann ich mir nur die Waggonnummer merken, drinnen muss ich den Sitzplatz dann nochmal nachschauen. Ich kenne von meinen Freunden die Hausnummern nicht, Telefonnummern sowieso nicht (ich kann sie aber nach Gehör wählen!) und meine eigene Bankverbindung weiß muss ich auch jedes Mal nachschauen. Gestern hatte ich im Restaurant eine Rechnung über 29 Euro, gab 52 und sagte großzügig "bitte 30 zurück". Und bekam sie auch, Himmel, ich kann zwar nicht rechnen, aber die Leute tun, was ich sage.
Zahlen interessieren mich einfach nicht, sie sagen mir nichts und ich kann sie mir deshalb überhaupt nicht merken. Es erschwert das Kopfrechnen natürlich ungemein, wenn man nach einer Zehntelsekunde die Zahlen, um die es geht, schon wieder vergessen hat. Ähnlich ist es hier: ich schaue auf der Startseite, welche Zahl heute dran wäre, dann klicke ich auf neuer Beitrag und dann habe ich die Zahl leider schon wieder vergessen und rate. Manchmal mehr, manchmal weniger gut.
Auf dem Papier bin ich mit Zahlen übrigens recht gut, ja, ich bin sogar ein großer Freund des Drei- und Kettensatzes. Noch lieber mag ich es aber, wenn Zahlen durch Buchstaben ersetzt werden. Vielleicht handelt es sich einfach um ein Motivationsproblem.
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*Sehen Sie, schon wieder. 113 müssten es (glaube ich) sein, ich konnte mir die Zahl leider nicht lange genug merken, bis ich sie aufgeschrieben hatte. Sie klang aber ähnlich...
11.
Ich habe den perfekten Wunsch gefunden.
Wenn ich mir etwas wuenschen darf - wenn ich die Geburtstagskerze auspuste oder eine Wimper auf meine Wange finde oder mit wem ein Wort gleichzeitig gesagt habe oder so - wuensche ich mir immer exakt dasselbe. Seit ich mich erinnern kann.
Ich kann das natuerlich nicht verraten.
10.
Ich übersetze ehrenamtlich für eine Wohltätigkeitsorganisation, die Mikrokredite vermittelt, vom Spanischen ins Englische.
Über Mikrokredite kann man durchaus geteilter Meinung sein. Das hier aufzudröseln führt viel zu weit, es ist eher ein Thema für eine Doktorarbeit und zusätzlich natürlich auch noch eine Frage der Einstellung. Kurz gesagt sprechen wir über ein Modell der Entwicklungspolitik. Es geht bei Mikrokrediten ganz grob darum, Personen, die von keiner Bank jemals einen Kredit erhalten würden, Kapital zur Verfügung zu stellen, das sie, wenn alles gut geht zurückzahlen.
Kritikpunkte sind unter anderem, dass die Darlehen (aus Not) oft im Alltag versickern statt zum Aufbau eines Geschäftsmodells zu dienen und das Ganze also möglicherweise nichts bringt. Zusätzlich gab es häufiger Fälle, in denen Personen ihre Raten nicht zurückzahlen konnten und sich aus Verzweiflung umgebracht haben. Und Kleinstdarlehen sind als Hilfe auch nicht weitreichend genug.
Dennoch glaube ich, dass hier für manche Personen eine gute Möglichkeit geschaffen wurde. Es ist vielleicht keine perfekte Möglichkeit und nicht für jeden genau die richtige, ebenso wie nicht alle Pläne immer aufgehen. Aber es kann eine Chance sein für den, der sie nutzen möchte, und Chancen finde ich generell immer gut. Deshalb mache ich da mit und übersetze eben Texte über Kreditnehner, die aus spanischprachigen Ländern (meist Süd- und Mittelamerika) eintreffen, ins Englische, so für etwa drei Stunden pro Woche.
Besonders begeistert bin ich ehrlich gesagt darüber, dass ich das kann. Es wurde für Spanisch ein verhandlungssicheres und für Englisch ein muttersprachliches Niveau erwartet, so dass ich während der Tests immer ein bisschen Angst hatte, als Hochstapler aufzufliegen. Ist aber ja nicht passiert und so explodiert mein Vokabular in Bezug auf Anbau von Kaffee und Südfrüchten, Textilverarbeitung, Fischerei und ähnlichem derzeit geradezu - allerdings nur auf Spanisch und Englisch, wie diese ganzen Dinge auf Deutsch heißen, werde ich wohl nie erfahren.
9.
Wo wir gerade bei Kindern sind: ich habe mein Kind noch nie bestraft. Ich bin auch selbst, soweit ich mich erinnere, nie bestraft worden.
Vielleicht halte ich von diesem Konzept deshalb so rein gar nichts - der Gedanke von Über- und Unterordnung in einer Familie ist mir absolut fremd.
Verstehen Sie mich nicht falsch - ich bin nicht der Kinderflüsterer, insgesamt meckere ich glaube ich überdurchschnittlich viel und bin auch häufig angestrengt. Nur sind mir Erziehungsstrategien und Bestrafungskonstrukte eher zuwider - das ist, finde ich, auch eine Frage von Respekt. Bekomme ich abends auf der Couch keine Schokolade, weil ich meine Taschen im Flur nicht weggeräumt habe? Den Tag muss ich erst noch erleben.
Ich erziehe - wenn man überhaupt von erziehen sprechen möchte, ich würde eher sagen ich "ordne das Zusammenleben" - durch Reaktion und Logik. Reaktion bedeutet zum Beispiel: Wenn das Kind mir weh tut, sei es aus Unachtsamkeit, aus einem dummen Zufall oder extra, dann schreie ich. Weil das einfach meine natürliche Reaktion ist. Ich bin weder ein Roboter noch so Zen dass ich dann "Ohh, da hast du mir weh getan, das wollen wir nächstes Mal anders machen!" sage - ich schreie halt "AUA AUA AUA!!". Und wenn es extra war, werde ich zusätzlich sehr ärgerlich. Logik bedeutet zum Beispiel: wenn das Kind sich weigert, eine Regenjacke anzuziehen, wird es nass. Wenn das Kind seine Hausaufgaben nicht macht, kriegt es Ärger in der Schule. Wenn das Kind sich im Bus nicht benehmen kann, steigen wir aus und gehen zu Fuß. Der Lerneffekt ist hier, finde ich, ein viel unmittelbarer, als wenn auf Fehlverhalten im Bus Fernsehverbot folgen würde. Mademoiselle hat z.B. auch im Alter von 4 Jahren schon sehr gut verstanden, dass sie im Kindergarten einen Schlafanzug anhaben wird, wenn sie sich morgens nicht anzieht.
Natürlich kann man so etwas nicht verallgemeinern und muss natürlich auch immer den Entwicklungsstand des Kindes berücksichtigen. Generell aber frage ich mich, wenn ich von dem ausgehe, was ich in der Schule so höre, wie manche Eltern noch den Überblick über ihre Sanktionen behalten und, ähnlich wie beim Essen, wie viel Stress man sich insgesamt machen möchte.
8. Ich lasse mein Kind essen was es will und wann es will.
Wir bewegen uns hier natürlich im erweiterten Bereich "Lebensmittel". Sonst gibt es dazu eigentlich sonst nicht viel zu sagen. Es ist so, weil ich der festen Überzeugung bin, dass bei einem guten Angebot an Lebensmitteln - und das gibt es hier ja: der Gemüsemann bringt wöchentlich einen Haufen Obst und Gemüse, ich koche täglich frisch und im Kühlschrank gibt es Käse, Joghurt und so - der noch nicht durch irgendwelche Interventionene/Restriktionen verdorbene Körper signalisiert, was er braucht und das Kind sich selbst reguliert.
Die Sache scheint auch so aufzugehen. Das Kind isst alles außer Pilzen. Natürlich gibt es immer mal merkwürdige Situationen, z.B. wenn es nach der Sommerpause wieder Haselnussjoghurt gibt. Dann verschlingt sie davon auch mal 4 Stück hintereinander.
Auch so ist sie manchmal speziell und isst z.B. einen ganzen Tag nur Fleisch und Wurst, meist mag sie dafür dann am nächsten Tag nur Brot und Müsli und am übernachsten nur Obst und Gemüse - als hätte sie ein eingebautes zeitgeschaltetes Trennkostmodul.
Manchmal isst sie auch einen ganzen Tag nur Süßigkeiten. Danach meist für längere Zeit gar keine. Sowieso weiß sie auch bei Süßigkeiten sehr genau, was sie gerade will. Das finde ich gut. Heute hatten zum Beispiel folgenden Dialog:
Frau N: "Willst du ein Eis?"
Mademosielle: "Das Café Eis hat zu."
Frau N: "Aber das andere Eiscafé hat auf."
Mademoiselle: "Dort schmeckt es nicht so gut wie im Café Eis. Ich warte, bis das Café Eis wieder aufmacht."
Frau N: "Das wird aber erst im März sein."
Mademoisell: "Das ist okay. Das ist ja schon in 5 Monaten."
Ähnlich war es neulich:
Mademoiselle: "Mama, ich möchte Bitterschokolade von Lindt."
Frau N: "Haben wir nicht. Wir haben Milka Vollmilch."
Mademoiselle: "Nein, da hab ich keinen Appetit drauf. Dann warte ich lieber, bis ich auf etwas anders Hunger kriege."
Ich denke, das läuft gut. Und davon abgesehen muss ich nie über Essen streiten oder genervt oder angestrengt von den Essgewohnheiten meines Kindes sein. Damit habe ich sehr, sehr viel Glück.
7.
Es gibt bestimmte Begriffe oder Redewendungen, die nicht objektiv negativ belegt sind, die ich aber rein von der Sprachverwendung her unmöglich finde. Wenn eine Person diese schreibt oder spricht, fällt es mir sehr schwer, ihr weiterhin unvoreingenommen zu begegnen.
Etwa genauso stark stört es mich, wenn jemand in meinem Beisein eine Sache mehrmals erzählt und dabei genau denselben Wortlaut verwendet. Das ist inakzeptabel, egal wie sehr er sich beim ersten Mal bewährt hat. Und sowieso stören mich inflationär gebrauchte und damit abgenutzte Wendungen. Und auch Regionalismen stören mich, außer man stammt aus der entsprechenden Region. Mildernde Umstände gibt es, wenn man sich gerade dort befindet.
Ich bemühe mich, niemanden merken zu lassen, dass für mich derartiges Sprachverhalten Rückschlüsse auf eine Geisteshaltung nahelegt, weil ich es selbst sehr schrullig von mir finde.
6.
Ich mag keine Softdrinks.
Wenn ich Durst habe, trinke ich Wasser. Ansonsten mag ich noch Kaffee, Schwarztee und Alkohol. Ganz manchmal habe ich einen Jieper auf Cola light. Warum gerade light, weiß ich nicht, es ist aber so.
Säfte gehen gar nicht. Bei Säften habe ich immer das Gefühl, ich würde irgendwas Organisches aufsaugen. Auf Details gehe ich lieber nicht ein, Säfte finde ich jedenfalls ekelhaft. Deshalb trinke ich auch normalerweise keine Cocktails (außer, ich habe vorher ausreichend anderes getrunken, so dass ich das mit dem Organischen vergessen habe). Long Island Iced Tea trinke ich natürlich, wenn ich mich mutig fühle frage ich, ob man ihn mir evtl. mit Cola light zubereiten könnte.
Große Ausnahme von der Saftsache: Frau Herzbruch ist es in den drei Jahren Mitwohnen gelungen, mich auf Sekt mit O-Saft einzuschwören. Allerdings kann man das noch nicht generalisiert sagen, es muss nämlich Rosé-Sekt sein und der Saft muss Fruchtfleisch haben und ist idealerweise Blutorangensaft.
Wenn ich sage, ich trinke Wasser, meine ich Wasser mit Kohlensäure. So viel wie möglich und ich muss davon nie rülpsen. Das Trinken von Leitungswasser kann ich als pragmatischer Mensch gutheißen. Den Kauf von stillem Wasser halte ich für suspekt. Heimlich verachte ich aber ganz besonders die Menschen, die Mineralwasser "medium" trinken. Es fällt mir kein einziger Grund ein, aus dem das gut sein könnte. Außer natürlich persönlicher Geschmack. Ein äußerst merkwürdiger persönlicher Geschmack würde ich sagen.
5.
Ich habe ein komplett ungetrübtes Verhältnis zu meinen Eltern und Geschwistern.
Natürlich finden wir uns gegenseitig etwas anstrengend, wenn wir länger zusammen sind. Aber das halte ich für komplett normal, das liegt einfach daran, dass alle erwachsen sind und sich auf ihre eigenen Art im Leben eingerichtet haben. Wenn sich z. B. ein Wochenende lang fünf Personen eine Küche teilen sollen, die alle gewohnt sind, beim Kochen den Ton anzugeben, läuft das nicht reibungslos ab. Aber so generell gesehen ist das wirklich alles entspannt und schön und wir sprechen und zwar nicht täglich und häufig auch nicht wöchentlich, aber immer, wenn wir voneinander hören, freuen wir uns.
4.
Ich nutze sehr bewusst Geruchssinn und Gehör.
Zum einen beim Kochen und Backen - viele Leute stellen ja eine Uhr, um zu erfahren, wann ihre Nudeln fertig sind oder der Kuchen. Ich finde, man riecht das. Bei Nudeln sieht man es natürlich auch (bei Kuchen nicht unbedingt, der kann ja durchaus außen fertig sein und innen noch roh). Und bei Reis hört man es, wenn das Wasser verkocht ist. Ich benutze so gut wie nie eine Uhr beim Kochen, nur, wenn ich irgendwas komplett anderes machen gehe, zum Beispiel auf dem Balkon Pflanzen umtopfen, dann stelle ich mir einen Wecker auf eine mir passend erscheinende Zeit, damit ich mich nicht verfranse. Aber wenn ich in der Küche bleibe, nie. Auch Frau Herzbruchs Schmorbraten rettete ich neulich durch ein beherztes "Ich rieche jetzt SEHR VIELE RÖSTAROMEN!!!"
Ich rieche, wenn Herr N. oder Mademoiselle krank werden. Und ich höre und rieche, wie spät es ungefähr ist (unterschiedliche Geräusche und Gerüche von der Straße), sowieso trage ich ja auch nie eine Uhr. Schon in der Schule und Uni nicht - bei Klasuren merkte ich, dass es Zeit war, fertig zu werden, wenn ein Großteil der anderen nervös wurde.
Im Straßenverkehr hilft das Gehör viel - ob z.B. ein Auto um die Ecke biegt, wenn ich an der Ampel stehe, oder ob eines hinter mir ist, wenn ich auf dem Rad die Spur wechseln möchte. (Ich schaue schon auch noch, aber das Hören ist mir fast wichtiger.) An der Uni war ich dafür bekannt, durch geschlossene Türen zu hören, ob drinnen ein Overhead-Projektor läuft (= noch ein Seminar stattfindet).
Als ich meinen ersten Arbeitstag im Rapunzelturm hatte, betrat ich das Büro des (zukünftigen) Lieblinskollegen und sagte statt Gruß und Vorstellung "Poly Swing Haargel rote Dose, und sagen Sie, haben Sie hier im Raum irgendwo ein Brot mit Kresse drauf versteckt?!" - Es war natürlich so. Und wir wurden dann auch sehr schnell bekannt. Heute wurde im Rapunzelturm die Decke geöffnet, weil ich darauf bestand, an einer Stelle im Gang "Tümpel" zu riechen. Ich möchte darauf hinweisen, das sich nicht darauf bestand, dass die Decke geöffnet wird, ich wollte das mit dem Tümpel nur gesagt haben. Sie müssen sich das so vorstellen - es gibt eine doppelte Decke (wegen der ganzen Technik), die obere begrenzt den Raum so richtig, zum anderen Stockwerk, die untere darunter ist etwas kleiner, am Rand sind immer so 5 cm Luft. Zwischen diesen Decken sammelt sich bei einem Defekt das Wasser erst einmal, und wenn dort genug Wasser ist, tröpfelt es entweder langsam und stetig über den Rand, oder eine Deckenplatte senkt sich ab und es gibt einen Wasserfall. Natürlich ist das schlimm und doof, wegen des Schadens, aber es ist schon wirklich auch ziemlich lustig, wenn da jemand plötzlich nass aus seinem Büro kommt oder man kommt irgendwo rein und da regnet es. Das ist so herrlich absurd und ja auch nicht gefährlich. Als ich hingegen neulich mal schmorende Elektorleitung roch, da bestand ich darauf, dass die Decke geöffnet wird, und was fand man? Zwei innen dezent kokelnde Deckenlampen. Meine Nase hat daher im Büro ein gewisses Standing.
3.
Ich lese keine Krimis mehr.
Bis vor einigen Jahren las ich sehr gerne Krimis. Ich gruselte mich dabei nicht sondern fühlte mich besonders wohl und geborgen: die Sachen, die im Buch passierten, geschahen ja nicht in meinem Leben und der starke Kontrast ließ meine Wirklichkeit umso angenehmer erscheinen.
Ich habe keine Ahnung warum, aber seit ich schwanger war kann ich keine Krimis mehr lesen. Ich will das einfach alles gar nicht wissen. Ich fühle mich unwohl dabei, die Bilder lassen mich nicht los, es ist, als würden mir Ängste und Sorgen direkt in den Kopf injiziert. Ich bin sozusagen memmig geworden.
Ich ging lange davon aus, dass diese Phase auch wieder vorbeigeht. Mittlerweile geht es aber schon über 9 Jahre so, weshalb es an der Zeit ist, das Bücherregal auszusortieren.
Eine weitere Nebenwirkung der Schwangerschaft war übrigens, dass ich nicht mehr absolut schwindelfrei bin. Höhen sind nach wie vor kein Problem, aber Drehbewegungen gehen überhaupt nicht mehr. Drehplatten auf Spielplätzen und aus Trichterrutschen im Schwimmbad verlasse ich daher immer recht blass um die Nase und mir wird sogar schon leicht übel, wenn ich mich zu schnell auf dem Bürostuhl drehe.